Blau-schwarzes Gewitter oder bloß Wetterleuchten am Koalitionshimmel? Am Dienstag überschlugen sich – wie von "Heute" ausführlich berichtet – die Ereignisse bei den Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Die Hintergründe der Verstimmung:
Wie schon am Montag kamen Spitzenverhandler von FPÖ und ÖVP unter Führung der Parteichefs Herbert Kickl (FP) und Christian Stocker (VP) in einer Sechserrunde zusammen. Stocker hatte Generalsekretär Alexander Pröll und Klubchef August Wöginger dabei. Kickl brachte seinen engsten Vertrauten Reinhard Teufel sowie Klubdirektor Norbert Nemeth mit.
Dort legten Kickl der ÖVP gemäß "Heute"-Infos ein Angebot für eine mögliche Aufteilung der Ministerien für die kommende Legislaturperiode vor. Demnach sollen an die Schwarzen sieben Ressorts gehen, die Blauen beanspruchen für sich sechs Ministerien – und natürlich die Position des Bundeskanzlers für Herbert Kickl. Ein unabhängiger Jurist soll Justizminister werden.
Die FPÖ bot der ÖVP Äußeres, Wirtschaft/Energie/Arbeit, Verteidigung, Landwirtschaft/Umwelt, Bildung, Infrastruktur und Frauen/Familie/Jugend an.
Selbst wollen die Blauen offenbar die Kultur-, Medien-, Verfassungs- und EU-Agenden im Kanzleramt bündeln; Gesundheit/Sport sowie Soziales/Integration führen und auf Innen- und Finanzministerium bestehen. Genau diese beiden Schlüsselressorts will die ÖVP unbedingt für sich; das Polizeiministerium sogar für Parteichef Christian Stocker selbst, das er gerne als Vizekanzler führen würde.
FPÖ: Bundeskanzler, Kanzleramtsminister (EU, Verfassung, Medien, Kultur, Deregulierung), Gesundheit/Sport, Soziales/Integration, Finanzen, Inneres
ÖVP: Vizekanzler, Äußeres, Frauen/Familie/Jugend, Landwirtschaft/Umwelt, Wirtschaft/Energie/Arbeit, Bildung/Wissenschaft/Forschung, Infrastruktur, Landesverteidigung
Unabhängig: Justiz, Staatssekretär im Innenministerium für Nachrichtendienst DSN
Die Schwarzen reagierten entsetzt. Mit diesen blauen Forderungen am Tisch war für die ÖVP eine Unterbrechung fällig. Man sagte, man werde darüber beraten, sich wieder melden – und verließ den Verhandlungstisch, um einen Parteivorstand einzuberufen. Dieser tagte um 19 Uhr virtuell.
Aus der ÖVP hieß es danach: "Die Regierungsverhandlungen befinden sich in einer schwierigen Phase." Für Mittwoch seien aber weitere Gesprächstermine in Untergruppen anberaumt.
„Nicht in diesem Leben, nicht auf diesem Planeten, wird Dr. Christian Stocker dem jemals zustimmen.“Kritische Stimmeaus dem ÖVP-Umfeld
Im Parteivorstand sei Stocker der Rücken gestärkt worden, entlang seiner Prinzipien weiterzuverhandeln. Aus dem schwarzen Umfeld hieß es gegenüber "Heute" verärgert: "Die vorgelegte Liste beinhaltet alles, was es braucht, um Österreich zu einer Filiale Russlands zu machen. Nicht in diesem Leben, nicht auf diesem Planeten, wird Dr. Christian Stocker dem jemals zustimmen."
Kickl beruhigte indes seine Anhänger in den sozialen Medien. Es gebe keinen Verhandlungsabbruch: "Die ÖVP stimmt sich offenbar intern ab. Das ist ganz normal in Verhandlungen", so der FPÖ-Chef. Schon am Mittwoch soll der Poker weitergehen.
Die Blauen empfinden die vorgelegte Liste zur Ressortaufteilung (siehe oben) als "großzügiges Angebot". Schließlich würde man den Schwarzen sogar ein Ministerium mehr zugestehen – "unter anderem ihr geliebtes Außen- und das Landwirtschaftsministerium". Für das Finanzministerium hätten sie sich, so der zynische Nachsatz, "in den letzten Jahren nun ja wirklich nicht qualifiziert, wenn man auf das Budgetdefizit blickt".
Und überhaupt hätte man die Posten-Frage nur vorgezogen, weil der Partner so darauf gedrängt habe. Eigentlich gäbe es auch noch reichlich inhaltliche Knackpunkte (Stichwort Außenpolitik, Skyshield, ORF oder Corona-Wiedergutmachung) auszuräumen.
Hochrangige Vertreter der Volkspartei verweisen indes auf das Wahlergebnis: "Die FPÖ hat die Wahl gewonnen und nun den Regierungsbildungsauftrag inne – das respektieren wir. Aber zwischen den Blauen und uns lagen nur 2,5 Prozent. Da lassen wir uns sicher nicht mit einigen Brosamen abspeisen."
FPÖ und ÖVP betonen wechselseitig, dass sie im Falle eines Scheiterns der Koalitionsgespräche auch Neuwahlen nicht scheuen würden. Die Volkspartei hat nach dem ausgebliebenen Total-Desaster bei der niederösterreichischen Gemeinderatswahl neuen Mut getankt, sagt: "Natürlich schauen die Umfragen auf Bundesebene derzeit nicht rosig aus – aber auch Herbert Kickl kann nicht wissen, welche Spitzenkandidaten die anderen Parteien bei etwaigen Neuwahlen aufstellen würden." Man rechnet also mit der blauen Bereitschaft zu Kompromissen – noch ...