SPÖ-Show in Linz
"Hirn einschalten" – so will Babler alle überraschen
Die SPÖ feierte in Linz Wahlkampfauftakt. SPÖ-Chef Andreas Babler redete sich auf der Bühne in Rage, will entgegen aller Umfragen die Nummer 1 werden.
Die SPÖ startete nach spannungsgeladenen Tagen – Rücktritt des roten Linzer Stadtchefs Klaus Luger, Kritik der Partei-Ikone Doris Bures am Wahlprogramm – startete die SPÖ am Donnerstag in den Intensivwahlkampf. Ausgerechnet am Krisenschauplatz Linz ging es für SPÖ-Chef Andreas Babler darum, die Partei auf das Wahlkampffinale einzuschwören und die Stimmung hochzupeitschen.
Bier für 5,50 Euro
Bei noch fast 30 Grad versammelten sich die Roten ab 17 Uhr neben dem Ars Electronica Center, das Gelände war binnen Kurzem brechend voll – über 1.200 Leute waren vor Ort. Fleißig frequentiert wurden die Getränke-Stände – für ein großes Bier (0,5 l) mussten die Genossen 5,50 Euro hinlegen, ebenso für einen Weißen Spritzer. Softdrinks waren für 4,50 Euro zu haben.
Für Fleischtiger standen Frankfurter mit Senf, Kren und Semmel bereit. Vegetarier durften sich Avocado-Gemüse-Wraps schmecken lassen. Preis jeweils 6 Euro. Wie ein kurzer "Heute"-Rundblick ergeben hat, waren die Würstel deutlich mehr gefragt.
Begrüßt wurde zu Beginn die lange Reihe der anwesenden Parteigranden, darunter Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, die Zweite Nationalratspräsidentin und Wiener Spitzenkandidatin Doris Bures, SPÖ-NÖ-Chef Sven Hergovich, AK-Präsidentin Renate Anderl, EU-Delegationsleiter Andreas Schieder. Auch der Linzer Stadtrat und neue "unverhoffte" Bürgermeisterkandidat Dietmar Prammer war da.
Doch nicht gekommen zum Wahlkampfauftakt war entgegen seiner Ankündigung der rote Dritte Landtagspräsident Peter Binder, der gegen das Babler-Programm gestimmt hatte. Das hat "Heute" von der Landespartei erfahren. Binder bestätigte das später: "Alle Aufmerksamkeit bitte den Kandidat:innen."
Altbundespräsident Heinz Fischer, der terminlich verhindert war, schickte eine Video-Grußbotschaft: "Ich weiß, wie wichtig die nächsten Wahlen sind. Wir sollen und müssen es schaffen", appellierte die SPÖ-Legende.
"Helden von heute"
Die Stimmung für den großen Auftritt von Parteichef Andreas Babler heizte Alkbottle-Sänger Roman Gregory an. Die Band "Roman Gregory and the President Friends" begleitete den Countdown mit Songs wie Falcos "Helden von heute". Es folgte programmatisch "Can‘t stop" von den Red Hot Chili Peppers, laut Gregory das "Lieblingslied vom Andi".
Zum "Einzug" des Parteivorsitzenden war dann SPÖ-Fahnenschwenken im Publikum angesagt – dazu laute "Andi, Andi"-Rufe. Andreas Babler bahnte sich gemeinsam mit der oberösterreichischen SPÖ-Spitzenkandidatin Eva-Maria Holzleitner und dem Landesparteivorsitzenden Michael Lindner den Weg durch die Menge auf die Bühne. Immer wieder machte er Halt, um Wegbegleiter zu begrüßen. Heftig herzte er SPÖ-Klubchef Philipp Kucher, für Doris Bures hatte er eine verhaltene Umarmung.
Um 18.40 setzte Babler dann an zu seiner großen Wahlkampfrede. Dunkelblaue Hose, weißes Hemd, die Ärmel hochgekrempelt, dass ihm heiß ist, war deutlich zu sehen: "Heute brechen wir auf", rief er in die Menge. "Hier, von Linz beginnend." "Wir sind fähig für einen Neustart", so Babler mit sich überschlagender Stimme, in seinem gewohnten Turbo-Tempo. Selbst die Stimme auf der Überholspur, könnte man das aus der Zuhörerposition interpretieren. "Wir werden in Österreich überraschen, gegen alle Umfragen, gegen alle Kommentare", so Babler, "wenn wir gemeinsam kämpfen, gewinnen wir".
"Kinderrechte im Herzen"
"Menschen sollen das Recht haben, Rechte zu haben – diesen Satz müsst ihr euch merken", rief Babler den Genossen entgegen. Darum gehe es. Allen voran brach der rote Frontmann wieder eine Lanze für sein "Herzensanliegen" der Kinderrechte – "weil ja jetzt kein Kind hier stehen kann statt mir, um seine Rechte einzufordern". Die Sozialdemokratie stehe dafür, "strukturell die Kinderarmut in diesem Land abzuschaffen". "Wer dieses Herz nicht spürt, soll sein Hirn einschalten", so Babler.
Bildung müsse man größer denken, betonte Babler. Gleiche Chancen für alle – das heiße nicht nur Kinderbetreuung. Er will eine umfassende Schulreform. "Wir wollen eine Schule ohne Druck für die Kinder, für die Pädagogen, für die Eltern. Jedes Kind soll seine Möglichkeiten haben."
Gleichberechtigung der Frauen, echt gelebt – "gleichen Lohn für gleiche Arbeit für jede einzelne Frau" – und auch in der Familie faire Aufteilung der Arbeiten: Das sei ein Grundanliegen der Sozialdemokratie, redete sich Babler zunehmend in Rage. Und forderte auch "Solidarität mit den roten Gewerkschaften". "45 Jahre Arbeit sind genug", erteilte er Forderungen nach einer Verlängerung des Pensionsalters einmal mehr eine deutliche Absage.
"Keine Bittsteller"
"Wir sind keine Bittsteller" – ein zentraler programmatischer Babler-Satz, der auch beim Wahlkampfauftakt nicht fehlte. Das gelte bei Krankheit beispielsweise, leitete der SPÖ-Chef auf das aus seiner Sicht marode heimische Gesundheitssystem über. Die Sozialdemokratie werde all das, "was z'ammgehaut wurde", wieder aufbauen: Mehr Ärzte für Österreich etwa, unter anderem durch mehr Medizin-Studienplätze, Babler will sie verdoppeln.
Stichwort 32-Stunden-Woche – "Schritt für Schritt müssen wir einer gerechten 4-Tage-Woche näher kommen", so Babler. Das gehöre Stück um Stück mit den Sozialpartnern durchverhandelt.
Andreas Babler - Spitzenkandidat SPÖ
"Sie sprechen mit dem Traiskirchner Bürgermeister"
"Wir sprechen nicht gern über Migration und Asyl "– das meinen manche über die Sozialdemokratie, aber er wolle mit diesem Vorurteil aufräumen, so Babler: "Sie sprechen hier mit dem Traiskirchner Bürgermeister". Zentral sei: Es gehe um Menschen. "Wenn die Menschen da bleiben, müssen sie schnell ins Erwerbsleben. Nicht Steuern kosten, sondern Steuern zahlen."
"Mache 5 Minuten länger"
Immer wieder erinnerte Babler ans Erfahrungsfundament der SPÖ – die Roten würden aus eigener Erfahrung kennen, "worüber andere nur groß reden". "Wir wohnen dort, wo die Flüchtlinge sind, die andere nur aus dem Fernsehen kennen und dann groß die Klappe aufreißen", wurde der rote Kanzleranwärter immer leidenschaftlicher. Und wollte gar nicht stoppen: "Ich mache noch fünf Minuten länger, weil es so wichtig ist."
Ein Leibthema für ihn "als Vater" sei auch der Kampf gegen die Erderwärmung, redete sich Babler heiß. Viel "Schweiß und Hirn" habe die SPÖ in ein Mobilitätskonzept gesetzt, Stichwort Schienenausbau. Bio- und Tierwohl-Lebensmittel seien schön und gut, so Babler sinngemäß – "ich kann mir das leisen mit meinem Gehalt", aber viele andere müssten zum billigeren Diskontprodukt greifen. "Politik kann die Regeln ändern", stellt der SPÖ-Chef in Aussicht.
Und dann explizit noch das Thema der Finanzierbarkeit der roten Forderungen. Babler ging runter von der Bühne, mischte sich unter die Leute. "Wir sagen, wie wir es zahlen. Zurückfahren mit den Steuergeschenken. Vermögensbesteuerung der Superreichsten." Seine Stimme überschlug sich beim "Schlussappell": "Jetzt werden wir 30 Tage kämpfen. Es gibt drei mögliche Kanzlerkandidaten, es ist ein offenes Rennen. Nehammer - weiter wie bisher. Kickl - düstere Zeiten. Der dritte Kandidat bin ich, das sind wir: Respekt vor jedem Mensch in diesem Land. Also: Aufbrechen."
Die Menge jubelt, skandiert wieder "Andi, Andi". Und zur Musik (Tage wie diese" von den Toten Hosen) schwingen alle ihre Fahnen und Tafeln, die Funktionäre auf der Bühne wie die Genossen im Publikum.
Auf den Punkt gebracht
- Die SPÖ startete in Linz ihren Wahlkampfauftakt, bei dem Parteichef Andreas Babler eine leidenschaftliche Rede hielt und trotz negativer Umfragen den Anspruch erhob, die Nummer 1 zu werden
- Babler betonte zentrale Themen wie Kinderrechte, Bildung, Gleichberechtigung und eine umfassende Gesundheits- und Arbeitsmarktreform, während er die Genossen aufrief, gemeinsam für einen politischen Neustart zu kämpfen