"Demokratiefeindliche Ideen"

Extremismus-Expertin ortet Polit-Verbot für FPÖ-Kickl

Extremismusforscherin Julia Ebner hält Verbote für rechtsextreme Parteien für kontraproduktiv – nicht aber Maßnahmen gegen einzelne Politiker.

Newsdesk Heute
Extremismus-Expertin ortet Polit-Verbot für FPÖ-Kickl
Extremismusforscherin Julia Ebner am späten Freitagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

Nach den Enthüllungen über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern zur massenhaften Vertreibung von Menschen aus Deutschland steigt die Zahl der Protestaktionen gegen Rechts weiter an. Für das Wochenende sind in einer Vielzahl großer und kleinerer Städte insgesamt rund 90 Kundgebungen angemeldet, wie aus einer Auflistung des Portals Zusammen gegen Rechts mit Stand vom Freitagmittag hervorgeht. Allein in München rufen mehr als 200 Organisationen zu einer Großdemonstration am Sonntag auf. 

Zehntausende Menschen gehen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Zu diesem Thema war am späten Freitagabend Julia Ebner, Extremismusforscherin und Autorin, zu Gast bei ORF-Moderator Martin Thür in der "ZIB2". Welche Gefahr gehe von einem Kleintreffen Rechtsextremer, Politiker und Geschäftsleute aus? Es gebe die "Gefahr einer Normalisierung von rechtsextremen Ideen", so Ebner. Wenn Ideen etwa der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung Eingang in die Politik finden würden, gefährde das die Demokratie und den Staat. "In Österreich sind die Vernetzungen schon länger deutlicher sichtbar als in Deutschland", so Ebner.

Parteiverbot sei kontraproduktiv, aber...

"In Österreich ist das, würde ich sagen, schon seit Jahren viel expliziter", so die Forscherin. Unter Herbert Kickl habe sich die FPÖ noch einmal "nach ganz rechts außen" radikalisiert, so Ebner. Bei Parteien wie der AfD und der FPÖ gebe immer mehr Überschneidungen mit Inhalten der Identitären, die Inhalte würden sich angleichen. "Begriffe, von denen man sich früher distanziert hat", hätten zudem Eingang ins Parlament gefunden, was bedebnklich sei. Sie selbst sei Undercover bei der Identitären Bewegung gewesen und habe dort von solchen Deportationsplänen gehört, so Ebner. Diese "demokratiefeindlichen Ideen" in die Politik zu bringen, sei ihnen "relativ gut gelungen".

Und es zeige, was drohe, wenn Rechtspopulisten an die Macht kommen würden, so Ebner. Ungarns Viktor Orban und Ex-US-Präsident Donald Trump würden eine "Normalisierung von extremistischen Konzepten" auslösen. Es sei notwendig, "dass sich die Bevölkerung zusammentut" und ein gemeinsames Zeichen setzt, so Ebner, damit manche, die von Rechtsextremisten in den Bann gezogen wurden, dies vielleicht überdenken realisieren würden, was kommen könnte, wenn diese Parteien an die Macht kämen. Ein Parteiverbot, wie es aktuell bei der AfD diskutiert wird, hielt Ebner hingegen für kontraproduktiv.

... einzelne Politiker könnten geprüft werden – auch Kickl

Realistischer sei es eher, einzelne Politiker wie Björn Höcke daraufhin zu prüfen, ob man ihn ein politisches Amt ausüben lasse. In Österreich würde auch Herbert Kickl "in diese Kategorie fallen", ließ Ebner aufhorchen. "Wenn die FPÖ in Deutschland wäre, wäre sie schon unter Beobachtung des Verfassungsschutzes", so Ebner. Bei Herbert Kickl würde man diskutieren, "ob er ein politisches Amt ausführen darf". Und generell bilanzierte sie: Es herrsche aufgrund vieler Krisen Frustration gegenüber der Politik und Sorge bei den Menschen. Das habe Parteien wie der AfD und der FPÖ enorm geholfen, obwohl diese "am Höhepunkt ihrer Radikalität" angelangt seien. Deshalb solle man sich die Gründe für die Krisen und für diese Entwicklungen dringendst ansehen. 

Zurück zu den Großdemonstrationen gegen Rechts. Bereits für den Freitagnachmittag waren Veranstaltungen, etwa in Hamburg und Münster, geplant. Der Protest in Hamburg musste gar abgebrochen werden, weil die Zahl zehntausender Teilnehmer (laut Veranstaltern 80.000, laut Polizei 50.000) die Stadt überlastete. Für den Samstag sind der Auflistung zufolge Kundgebungen unter anderem in Nürnberg, Dortmund, Hannover, Erfurt, Magdeburg und Frankfurt am Main angesetzt. Am Sonntag soll außer in München unter anderem auch in Berlin, Köln, Dresden, Leipzig und Bonn demonstriert werden.

Alleine in München 30.000 Teilnehmer erwartet

Für die Großkundgebung in München rechnen die Veranstalter der "Süddeutschen Zeitung" zufolge mit mehr als 30'000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen. In Stuttgart sind sowohl für Samstag als auch für Sonntag Veranstaltungen geplant. Bereits am vergangenen Sonntag hatte es landesweit Proteste gegen Rechts gegeben. An einer Kundgebung in Potsdam hatten auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) teilgenommen. Zu einer Großdemonstration in Köln kamen am Dienstagabend Polizeiangaben zufolge mehrere Zehntausend Menschen. Anlass für die Protestwelle ist ein vergangene Woche von der Rechercheplattform Correctiv enthülltes Geheimtreffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern. Correctiv hatte das von rechten Aktivisten organisierte Treffen in einer Potsdamer Villa vom 25. November vorige Woche öffentlich gemacht.

Dort sprach Martin Sellner, früher Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, nach Angaben der Journalisten und Journalistinnen über "Remigration". Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund das Land verlassen soll – auch unter Zwang. An dem Treffen hatten AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion teilgenommen. Zweck des Treffens soll auch gewesen sein, Spenden für rechte Aktivitäten zu sammeln.

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Juristische Verbände: "Ein Angriff auf den Rechtsstaat"

In der Öffentlichkeit wird das Treffen mit der Wannseekonferenz verglichen. In einer Villa am Berliner Wannsee hatten sich am 20. Januar 1942 führende Vertreter von SS, NSDAP und mehrerer Reichsministerien getroffen, um ihr Vorgehen bei der Vernichtung der Juden abzusprechen. Die Konferenz gilt als Exempel für die skrupellose Beteiligung der deutschen Staats- und Verwaltungsbehörden am Holocaust. Die führenden juristischen Organisationen in Deutschland haben die rechtsextremen Pläne zur massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aufs Schärfste verurteilt.

"Was im November im kleinen Kreis nahe Potsdam entworfen wurde, ist mehr als nur eine schauerliche Vision", erklärten der Deutsche Richterbund, der Deutsche Anwaltverein und vier weitere Organisationen am Montag in Berlin. "Es ist ein Angriff auf die Verfassung und den liberalen Rechtsstaat." Die Unterzeichner mahnten in der gemeinsamen Erklärung: "Die massenhafte Deportation von Menschen aus Deutschland darf nie wieder Realität werden." Sie fügten hinzu: "Die gesetzliche Legitimation solcher Phantasien muss mit allen juristischen und politischen Mitteln verhindert werden."

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