Nach Swiss-Tragödie in Graz

Experte warnt vor Konstruktionsfehler in allen Fliegern

Ein junger Flugbegleiter ist nach Rauchentwicklung in einer Swiss-Maschine tot. Ein Luftfahrt-Experte und Ingenieur äußert einen schlimmen Verdacht.
Newsdesk Heute
01.04.2025, 13:04

Die Untersuchungen der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) nach der tödlichen Swiss-Tragödie in Graz laufen weiter. Ein erster Zwischenbericht zum Tod eines 23-jährigen Flugbegleiters sorgt nun für Aufregung. Der junge Mann hatte während des Zwischenfalls auf Flug LX1885 am 23. Dezember 2024 eine schwere Rauchgasvergiftung erlitten.

Der Hamburger Professor für Flugzeugbau und ehemaliger Airbus-Ingenieur Dieter Scholz erhebt heftige Vorwürfe gegen die gesamte Luftfahrtindustrie und auch die Ermittler der SUB: "Nicht entschuldbar ist etwa das Verschweigen, warum der Rauch überhaupt in die Kabine kam", wird er durch den "Kurier" zitiert. Die ersten Befunde durch die SUB würden in seinen Augen eindeutig zeigen, dass Rauch in den Innenbereich gekommen ist, "weil weltweit ein falsches System für die Klimaanlage eingesetzt wird".

Scholz vermutet Schlimmes: "Dieser Umstand ist für Hersteller und Airlines so gravierend, dass alles getan werden muss, um bei Vorfällen wie bei LX1885, von dieser höchst problematischen Konstellation abzulenken."

Gefahr durch "Fume Events"

Hintergrund ist Bauweise, wonach die Luft für den Innenraum im Triebwerk abgezapft, verdichtet und ungefiltert in die Kabine eingeleitet wird. Diese Zapfluft-Methode ist bei Passagierjets weithin gebräuchlich, nur wenige Flugzeugtypen wie der Boeing 787 Dreamliner verzichten darauf.

Es ist ein einfaches und auch bewährtes System, hat aber einen großen Nachteil. Kommt es im Triebwerk zu einer Rauchgasentwicklung, werden auch die giftigen Dämpfe eingesogen. Bereits in der Vergangenheit habe es mehrere Verletzte und Tote durch solche "Fume Events" gegeben, viele Betroffene seien arbeitsunfähig geworden, erklärt Scholz.

Der Ex-Ingenieur ist sich sicher, dass die Gefahr durch Flugzeugbauer, Airlines und auch Zulassungsstellen kleingeredet wird. Teils sei in den Reports nur von "schlechtem Geruch" die Rede. Schätzungen gingen von einem "Fume Event" alle 2.000 Flüge aus.

Eine neue Untersuchung des "Germanwings"-Unglücks vom 24. März 2015 weist nun ebenfalls in diese Richtung und zieht damit den bisher lange vermuteten Suizidversuch des Co-Piloten etwas in Zweifel. Ein aerotoxisches Syndrom könnte eine theoretische Möglichkeit für die Handlungsunfähigkeit eines Piloten erklären, die tatsächliche Absturzursache wäre dann aber offen.

Brisant bei der Notlandung des Swiss-Fliegers auch: Die Besatzung, sie trug bereits sogenannte "Smokehoods" zum Schutz gegen die Rauchgase, war offenbar zum Zeitpunkt des Evakuierungsbefehls nicht mehr voll handlungsfähig. Mehrere Passagiere und der Co-Pilot hätten laut "Kurier"-Informationen beim Öffnen der Notausgänge helfen müssen. Das sei im Bericht nicht erwähnt worden. Darin finde sich nur die Bemerkung, dass zwei Türen verschlossen blieben.

"Viel Vertuschung"

Scholz meint deshalb, dass die SUB "offensichtlich nicht willens" sei, alle Zusammenhänge aufzuzeigen: "Der tote Flugbegleiter der Swiss ist das nächste Opfer eines uralten Sicherheitsrisikos in der Luftfahrt. Dass die Industrie sich hier kaum bewegt, ist ein großes Problem. Stattdessen gibt es viel Vertuschung und Flugzeughersteller, Fluggesellschaften und Fluguntersuchungsbehörden machen dabei mit."

Die Swiss selbst äußerte Vertrauen in die internationalen Industriestandards, die eigene Crew habe völlig korrekt gehandelt. Aus dem Verkehrsministerium von Peter Hanke (SPÖ) heißt es laut "Kurier", dass der Zwischenbericht zwar "faktische Informationen, aber noch keine Analysen" enthalte: "Die SUB ermittelt in dieser laufenden, noch nicht abgeschlossenen Untersuchung in alle Richtungen und weist den Vorwurf der Vertuschung entschieden zurück. In diesem frühen Stadium der Untersuchung ist es seriöserweise noch nicht möglich, alle Zusammenhänge aufzuzeigen."

Protokoll des tödlichen Unglücks

Nach der Notlandung eines Swiss-Airbus am Grazer Flughafen am 23. Dezember 2024 enthüllte Mitte März ein erster Zwischenbericht der österreichischen Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB), was genau passiert ist: Demnach habe sich der Zwischenfall an Bord in kürzester Zeit zu einer gefährlichen Situation entwickelt.

Das Protokoll des tödlichen Unglücks: Den Piloten wurde um 16.32 Uhr plötzlich ein Ausfall des linken Triebwerks und Probleme mit dem Ölsystem dieser Turbine angezeigt. Ungefähr eineinhalb Minuten folgte ein lauter Knall, der in der ganzen Maschine zu hören war. Keine 30 Sekunden später drang Rauch ins Cockpit und die beiden Piloten legten die Sauerstoffmasken an.

Weitere Alarmmeldungen schrillten: "Smoke, smoke, smoke, smoke!", warnte eine Computerstimme vor Rauch auch im Kabinenbereich des A220-300. Die Piloten setzen ein "Mayday" ab, steuerten sofort den nächsten Flughafen, Graz, an.

Schäden festgestellt

Was nicht passierte: Die Masken der Passagiere wurden nicht ausgelöst. Diese würden in diesem Fall als ungeeignet angesehen, hätten die Lage nur noch verschlimmert hätten. Das Kabinenpersonal legte ihre, für solche Fälle vorgesehenen, "Smokehoods" – auch "Fluchthaube" – an. Da wurden auch die Passagiere über die Notlage informiert. Kurz nach der Landung, um 16.55 Uhr befahl der Kapitän schließlich die Evakuierung über die Notrutschen. Allerdings wurden nur vier der sechs Türen des Flugzeugs geöffnet – warum, ist noch Gegenstand von Ermittlungen.

Im Rahmen der folgenden Unfalluntersuchung wurde das defekte linke Triebwerk der Maschine komplett demontiert und technisch untersucht. Danach wurde es für weitergehende Analysen zum Hersteller Pratt & Whitney in die USA verschifft. In Österreich konnten bereits Schäden am vorderen Antriebssystem sowie an den Lagern Nummer zwei und Nummer vier festgestellt werden.

Auch die "Smokehoods" der Besatzung sollen genau untersucht werden, um zu klären, ob ein Defekt oder ein möglicher Bedienungsfehler zum späteren Tod des 23-jährigen Flugbegleiters infolge eine schweren Rauchgasvergiftung geführt hat. Die Swiss gelobt Aufklärung: "Wir werden nicht ruhen, bevor wir die Antworten haben, die wir, unsere Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Angehörigen so dringend suchen."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 01.04.2025, 16:50, 01.04.2025, 13:04
Weitere Storys
Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite