Ukraine-Krieg vor Eskalation?

Experte warnt: "Russland könnte Atombombe zünden"

Das Abfeuern von Mittelstreckenraketen von russischer Seite könnte nur der Beginn weiterer Eskalationen sein, so Heeres-Oberst Markus Reisner.

Michael Rauhofer-Redl
Experte warnt: "Russland könnte Atombombe zünden"
Oberst Markus Reisner sieht die Möglichkeit einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Kriegs.
picturedesk.com; "Heute"-Montage

Russland beschoss die Ukraine am vergangenen Donnerstag mit einer neuen ballistischen Mittelstreckenrakete. Man werde damit in Serienproduktion gehen und die Erprobung weiter fortsetzen, auch im Kampfeinsatz, so Wladimir Putin. Zuvor hatte die Ukraine russisches Territorium mit Waffen aus amerikanischer und britischer Produktion beschossen (ATACMS und Storm Shadow/SCALP). Der Einsatz der neuen Rakete sei dafür die Vergeltung, so der russische Präsident.

Im Gespräch mit "ntv" ordnet Österreichs Top-Militär Oberst Markus Reisner die jüngsten Geschehnisse ein. Dabei spricht er über eine sich nach oben drehende Eskalationsspirale. Man befinde sich nach wie vor in einer von Russland erzeugten und gewünschten "Grundstimmung der Angst". Vor diesem Hintergrund sei auch denkbar, dass sich hinter dem nahe Vilnius abgestürzten Flugzeug ein russischer Sabotageakt verbirgt. Russland habe ähnliche Maßnahmen in der Vergangenheit getroffen – ohne konkreten Beweis befinde man sich aber im Bereich der Spekulation.

"Eskalierende Maßnahmen von russischer Seite"

Reisner betrachtet das ganze Bild und sieht diesen Vorfall im zeitlichen Kontext zur Erlaubnis der US-Administration für den Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet. Auch andere westliche Verbündete der Ukraine hätte nachgezogen. "Parallel dazu haben wir eskalierende Maßnahmen von russischer Seite gesehen", so Reisner.

Auch weitere Aktionen könnten der hybriden Kriegsführung Moskaus zuzurechnen sein. Der Militär-Experte nennt Unregelmäßigkeiten in einem finnischen Atomkraftwerk, die Unterbrechung von zwei Unterseekabeln in der Ostsee sowie Ausfälle in der IT von "British Airways". Der Abschuss der russischen Hyperschall-Mittelstreckenrakete neuen Typs sei aber "der Höhepunkt" dieser Entwicklungen gewesen.

Gefahr der nuklearen Eskalation wurde 2022 noch abgewendet

Reisner vergleicht die Situation in der Ukraine mit einem Schachspiel. Ein Zug der einen Seite rufe einen Zug der anderen Seite hervor. Relativ zu Beginn des Krieges waren russische Truppen bei Cherson eingekesselt. Rund 35.000 Mann seien vom Nachschub abgeschnitten gewesen. "Die Ukraine ließ die Russen abziehen, weil die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Nuklearwaffeneinsatzes von den Nachrichten- und Geheimdiensten der USA damals mit knapp über 50 Prozent bewertet wurde", analysiert Reisner.

Damals hätten auch die Amerikaner ihre Finger im Spiel gehabt, ist sich der Heeresoberst sicher. So hätte auch Washington ein Interesse daran gehabt, eine weitere Eskalation zu vermeiden. Aktuell sehe man erneut eine derartige "Zuspitzung" der Situation. Fraglich bleibe, ob man eine erneute Eskalation durchbrechen könne oder ob man auf der Leiter eine Stufe nach oben steige. "Es eskaliert langsam, indem man die Eskalationsleiter Stufe für Stufe hochsteigt, aber alles noch kontrolliert und rational", führt er aus.

Doch welche weiteren Eskalationen von russischer Seite drohen? Zunächst einmal gehe es auch um das Verhalten der Ukraine. Zwar hat man Angriffe mit den von den USA gelieferten Waffensystemen gesehen. Um einen tatsächlichen Effekt zu erzielen, müssten derlei Angriffe aber mehrmals pro Woche stattfinden – was aktuell nicht der Fall ist. Reisner spricht von einem "Abwarten" auf beiden Seiten.

Russland eskaliert auf allen Ebenen

Neben den oben genannten "hybriden Attacken", die zwar allesamt die russische Handschrift tragen, von denen aber nicht bei jeder restlos geklärt ist, wer dahintersteckt, könnte Russland als nächstes wichtige und symbolträchtige Ziele, etwa Regierungsgebäude, anvisieren. "Russland kennt eine genau abgestimmte Skala mit Stufen der Eskalation. Ein möglicher Schritt in weiterer Folge wäre zum Beispiel - rein theoretisch - auch die Zündung einer Atombombe über dem Schwarzen Meer, um hier ein sichtbares Zeichen zu setzen. Hier wären wir dann bei den Eskalationsstufen aber wesentlich weiter", wird Reisner im "ntv"-Bericht zitiert.

Aus militärischer Sicht ist für Reisner klar, dass Russland eskaliert – und zwar auf allen relevanten Ebenen. Auf strategischer Ebene zeige sich das durch eine massive Zunahme von Luftangriffen durch Drohnen und Marschflugkörpern und ballistischen Raketen. Auch operativer Ebene habe Russland durch massiven Truppeneinsatz aufgerüstet. Drittens eskaliere Russland auf der taktischen Ebene durch den massiven Einsatz von Soldaten, Kräften, Ressourcen, Munition und Ausrüstung.

Wie geht es nun weiter?

Angesichts einer Präsidentschaft von Donald Trump ergibt sich möglicherweise schon bald ein neues geopolitisches Weltbild. Aktuell würden die USA versuchen, den Ukrainern dabei helfen, die auf russischer Seite eroberten Gebiete in der Region Kursk zu halten. Käme es tatsächlich kurz nach der Trump-Inauguration zu Verhandlungen, hätte die Ukraine so zumindest ein kleines Faustpfand.

Ukraine lanciert Angriffe in Kursk

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    Die ukrainische Armee attackierte die russische Grenzregion Kursk.
    Die ukrainische Armee attackierte die russische Grenzregion Kursk.
    via REUTERS

    Überbewerten will Reisner das allerdings nicht, denn die eroberten Gebiete seien nicht von großer militärischer Relevanz – abgesehen von dem Umstand, dass es sich um russisches Gebiet handelt. Anders würde die Lage aussehen, wenn es der Ukraine gelungen wäre, das Atomkraftwerk in Kursk unter Kontrolle zu bringen.

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      Auf den Punkt gebracht

      • Der Artikel beschreibt die jüngsten Eskalationen im Ukraine-Krieg, insbesondere den Einsatz einer neuen russischen Mittelstreckenrakete als Vergeltung für ukrainische Angriffe mit westlichen Waffen.
      • Der österreichische Militär-Experte Markus Reisner warnt vor einer möglichen nuklearen Eskalation und betont, dass Russland auf allen Ebenen – strategisch, operativ und taktisch – eskaliert.
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