"Hätte Hut genommen"
Erstes Regierungsmitglied legt Sobotka Rücktritt nahe
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist einmal mehr mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Ein Minister wäre an seiner Stelle schon zurückgetreten.
Seit wenigen Tagen ist Österreichs Innenpolitik um einen Skandal weiter. Ob Abhör-, Tonband- oder Seepferdchen-Affäre – die Rede ist von einer geheimen Aufnahme aus einem Wiener Innenstadtlokal (am Gebäude hängt ein Seepferdchen). Darauf zu hören: Der damals suspendierte und mittlerweile mit 60 Jahren gestorbene Justizsektionschef Christian Pilnacek, der sich im Sommer über die zahlreichen Interventionsversuche der ÖVP beschwert. Namentlich erwähnt wird Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.
Die wichtigsten Zitate aus dem Tonband
"In jedem Gespräch sagt der Sobotka, Du hast selber versagt, Du hast es nie abgedreht. Aber das geht nicht und ich mache es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat. (...)."
"Man verlangt, dass ich Ermittlungen einstelle. Das kann ich nicht, das mache ich nicht! Da kamen ÖVP-Minister, selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP schon stattgefunden hat, kam man zu mir und fragte, warum drehe ich das nicht ab? Ich habe immer gesagt, ich kann es nicht, ich mach es nicht, ich will es nicht."
"Als ich sagte, tut ihr auch was für meine Unterstützung? (...) kam als Antwort: Du warst ja nie bei uns. Das Zweite ist, dass sie gesagt haben, Du hast ja nie eine Hausdurchsuchung bei uns verhindert. So denken die. Die müssen froh sein, wenn ich nicht irgendwelche Dinge sage."
U-Kommission kommt
Auf Vorschlag von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat Justizministerin Alma Zadić deswegen nun eine Untersuchungskommission angekündigt. Diese wird von allen Parteien positiv aufgenommen. Sogar ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker blickt ihr mit Interesse entgegen, weil auch die Hintergründe der Entstehungsgeschichte Thema werden soll. Wie berichtet, brachte Stocker den Namen Stefan Petzner ins Spiel und ortet einen Komplott.
Der Antikorruptionsexperte Georg Krakow, früherer Staatsanwalt und Kabinettschef im Justizministerium, sieht Untersuchungskommissionen zur Aufarbeitung von zurückliegenden Sachverhalten hingegen als ungeeignet an. Denn diese kann weder Dokumente sicherstellen noch Zeugen unter Wahrheitspflicht befragen.
Rauch legt Rücktritt nahe
Und Wolfgang Sobotka selbst? Er findet es gut, dass das Parlament seine Instrumente nutzt. Diese nutzt auch er, um seinen Standpunkt darzulegen. Dort ist gerade große Budget-Woche, Mittwochabend fand dabei eine Sonderpräsidialkonferenz zu den erhobenen Vorwürfen statt. "Dies geschah in einer sachlichen Atmosphäre", berichtet die Parlamentskorrespondenz. Zu Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag um 9 Uhr will sich Wolfgang Sobotka öffentlich erklären.
Während Bundeskanzler Karl Nehammer weiter vollstes Vertrauen zu Sobotka hat und kritisiert, dass mit Veröffentlichen des Tonbands die Totenruhe Pilnaceks gestört werde, sehen das andere Mitglieder der Bundesregierung etwas anders.
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat sich in den letzten Tagen zwar primär mit der nun beschlossenen Gesundheitsreform beschäftigt, kann aber für sich selbst gegenüber der "Kleinen Zeitung" sagen: "Wäre ich in der Situation von Sobotka, ich hätte meinen Hut genommen. Ich habe einen klaren moralischen Kompass."