Tonband-Gate

"Die Hintermänner" – ÖVP nimmt nun IHN ins Visier

Die ÖVP reagiert auf das Pilnacek-Tonband mit einem Sturm nach vorne. Generalsekretär Christian Stocker hat eine Eil-Pressekonferenz einberufen.

Newsdesk Heute
"Die Hintermänner" – ÖVP nimmt nun IHN ins Visier
Die ÖVP geriet am 22. November 2023 im Zuge der Tonband-Affäre unter heftigen Beschuss durch die Opposition. Generalsekretär Christian Stocker (im Bild): "Fortsetzung eines unwürdigen Schauspiels".
EVA MANHART / APA / picturedesk.com

Eine nur wenige Minuten lange Audio-Aufzeichnung sorgt für einen neuen Polit-Skandal. Der mittlerweile verstorbene Ex-Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek packte darin in einem Nobel-Lokal darüber aus, wie die Volkspartei ihn massiv bedrängt hätte, Ermittlungen gegen die Partei einzustellen. Vor allem wütete Pilnacek offenbar gegen ÖVP-Politiker und Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka

Frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" preschte VP-Generalsekretär Christian Stocker nach Auffliegen der Affäre vor und holte zum Rundumschlag aus. Er sprach von "Stasi-Methoden" und ortete eine Schmutzkübel-Kampagne. Am Abend stritt er sich noch mit ZIB2-Moderator Armin Wolf um die Auslegung von Pilnaceks Zeilen. Ergebnis: Stocker wurde grantig, ärgerte sich, dass dem "Wirtshausgespräch" mehr Glauben geschenkt werde als einer Aussage vor dem U-Ausschuss.

Am Mittwoch wollte Stocker offenbar noch einmal nachlegen. Um 7 Uhr früh verschickte die Volkspartei eine "EILT-Einladung" an Medienvertreter für eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz kurz vor 10 Uhr. Thema: "Wer sind die Hintermänner des Gesprächsmitschnitts?" – von und mit Christian Stocker. 

Verschwörungstheorie

Der VP-General zeichnete während seines Presseauftritts schließlich das Bild einer großangelegten Verschwörung: "Wir erleben es als Volkspartei seit Jahren, genau genommen, seit wir in diesem Land den Kanzler stellen." Gemeint war damit ab der Ära Sebastian Kurz, also seit Dezember 2017. Er wolle nun die Hintermänner hinter all den Vorfällen von Daten-Diebstahl bis eben jetzt dem Pilnacek-Tonband ausforschen. Aufklärung zum Wohle der Demokratie, aber "natürlich wollen wir es auch wissen. Steht uns auch zu, meiner Meinung nach", so Stocker.

Er hat auch schon einen Verdacht, den er nun öffentlich machte. Und dieser Verdacht führe, so Stocker, in das politische Eck der Freiheitlichen. Aufhänger für den Türkisen ist dabei eine Aussage von Stefan Petzner, die dieser am 6. November 2022 – also mehr als ein halbes Jahr vor der angeblichen Aufnahme des Pilnacek-Tonbandes – gemacht hatte. Der Weggefährte des lange verstorbenen FPÖ/BZÖ-Chefs Jörg Haider hatte darin angedeutet, dass auf Sobotka "noch Einiges" zukomme, dieser zurücktreten werde müssen.

Ex-BZÖ-Politiker Stefan Petzner am Mittwoch, 7. Juni 2023, anlässlich eines Prozesses wegen schweren Betrugs am Straflandesgericht in Wien.
Ex-BZÖ-Politiker Stefan Petzner am Mittwoch, 7. Juni 2023, anlässlich eines Prozesses wegen schweren Betrugs am Straflandesgericht in Wien.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

War das nur hohles Phrasendreschen? Wichtigtuerei? Oder wusste Petzner doch mehr? Stocker will nun wissen, ob es einen Zusammenhang gibt. Zur rechtlichen Absicherung schoss er noch hinterher: "Ich unterstelle überhaupt nichts, ich stelle nur Fragen".

Wie schon in der ZIB2 wollte er das Tonband inhaltlich nicht kommentieren. Wenn ein solches "Machwerk" höher gewichtet würde als eine Aussage unter Wahrheitspflicht vor einem Untersuchungsausschuss, "dann ist etwas schief in diesem Staat". Dass sich die Opposition am Mittwoch im Nationalrat zu der Affäre auf die ÖVP einschoss, bezeichnete Stocker, der kurz vorher der Sitzung beigewohnt hatte, als "Fortsetzung eines unwürdigen Schauspiels."

"Hast versagt" – das brisante Protokoll der Abhöraffäre

Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek warf der ÖVP im Beisein von Vertrauten (einer von ihnen nahm das Gespräch auf), ihn bedrängt zu haben, Ermittlungen gegen die Partei einzustellen. Der "Falter" zitiert Pilnacek aus einem Protokoll der Aufnahme:

Man verlangt, dass ich Ermittlungen einstelle. Das kann ich nicht, das mache ich nicht! Da kamen ÖVP-Minister, selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP schon stattgefunden hat, kam man zu mir und fragte, warum drehe ich das nicht ab? Ich habe immer gesagt, ich kann es nicht, ich mach es nicht, ich will es nicht.
Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek
im geheim aufgenommenen Tonband, das die ÖVP schwer belastet

Die Wutrede kam zu einem Zeitpunkt, zu dem Pilnacek suspendiert worden war, weil ihm durch geleakte Chats vorgeworfen wurde, versucht zu haben, die Ibiza-Ermittlungen zu torpedieren und Korruptions-Ermittler observieren zu lassen.

Zumindest eine Mitschuld an seinem Fall dürfte Pilnacek dabei der ÖVP und vor allem dem Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka gegeben haben:

In jedem Gespräch sagt der Sobotka, Du hast selber versagt, Du hast es nie abgedreht. Aber das geht nicht und ich mache es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat. (...)
Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek
im geheim aufgenommenen Tonband, das die ÖVP schwer belastet

Wie Pilnacek betonte, sei er nie und nimmer auf die ÖVP-Begehrlichkeiten eingegangen, und habe sich ordentlich Kritik anhören können, warum er denn nicht eingreifen wolle:

Als ich sagte, tut ihr auch was für meine Unterstützung? (...) kam als Antwort: Du warst ja nie bei uns. Das Zweite ist, dass sie gesagt haben, Du hast ja nie eine Hausdurchsuchung bei uns verhindert. So denken die. Die müssen froh sein, wenn ich nicht irgendwelche Dinge sage.
Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek
im geheim aufgenommenen Tonband, das die ÖVP schwer belastet

Wie es im "Falter"-Bericht zudem heißt, belastete Pilnacek nicht nur Sobotka, sondern auch die Ex-Justizministerin Beatrix Karl (im Amt 2011 bis 2013), und zwar im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre. Bekanntlich wurden im Rahmen des Skandals Kursmanipulationen der Telekom-Aktie mitsamt unerlaubten Wahlkampf-Spenden vermutet – auch die ÖVP geriet in die Ermittlungen. Und, so der Vorwurf Pilnaceks vor seinen Vertrauten, Ministerin Karl hätte dies auf Druck der Partei abstellen sollen – und habe deswegen das Gespräch mit ihm gesucht:

Ich kann nichts tun. Ich mache auch nichts. Ist alles rechtswidrig. Kann ich nicht leisten.
Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek
im geheim aufgenommenen Tonband, das die ÖVP schwer belastet
1/51
Gehe zur Galerie
    <strong>22.11.2024: So will Neos-Chefin die Mindestsicherung neu aufsetzen.</strong> Beate Meinl-Reisinger spricht erstmals in "Heute" über Koalitionsverhandlungen, nötige Reformen – <a data-li-document-ref="120073911" href="https://www.heute.at/s/so-will-neos-chefin-die-mindestsicherung-neu-aufsetzen-120073911">und warum sie Entlastungen für notwendig erachtet.</a>
    22.11.2024: So will Neos-Chefin die Mindestsicherung neu aufsetzen. Beate Meinl-Reisinger spricht erstmals in "Heute" über Koalitionsverhandlungen, nötige Reformen – und warum sie Entlastungen für notwendig erachtet.
    Helmut Graf
    red
    Akt.