Bundesheer warnt

"Wir befinden uns in Europa bereits im Kriegszustand"

Österreichs Top-Experten aus dem Militär- und Sicherheitsbereich haben am Montag das "Risikobild 2025" präsentiert. Das sind die größten Bedrohungen.
Roman Palman
27.01.2025, 18:00

Ihr Blick in die Zukunft ist kein rosiger: Im Raiffeisen Forum am Donaukanal versammelten sich am Montag die heimischen Sicherheits- und Militärexperten, um mit dem "Risikobild 2025" die jährliche Analyse der größten Bedrohungen für Österreich in den nächsten zwölf bis 18 Monaten zu präsentieren. Dabei wirft auch das vergangene Superwahljahr lange Schatten voraus.

Die Aussichten sind wahrhaft düster: "Die gegenwärtigen Analysen zeigen, dass nahezu alle Trendentwicklungen im strategischen Umfeld Österreichs und der EU einen negativen Ausblick aufweisen", stellt Oberst Bernhard Richter, Leiter des Referats Strategie in der Abteilung Verteidigungspolitik und Strategie, in der 300 Seiten starken Publikation fest. Positive Gegenentwicklungen seien kaum auszumachen.

Auch Präsentator Brigadier Roland Vartok konstatiert gleich zu Beginn: "Die Frage nach unser aller Sicherheit hat längst einen akuten Besorgnisstatus erreicht, der nicht mehr zu negieren ist." Die Eintrittswahrscheinlichkeit der analysierten Risiken und Bedrohungen sei noch einmal gestiegen, im Ernstfall würden sie schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, mahnt er. Sein Fazit vorweg: "Wir bewegen uns in extrem unsicheren Zeiten".

Verändernde Weltordnung

Eine der größten Herausforderung stellt dabei die fortschreitende Demontage der regelbasierten Weltordnung und das Ende der US-amerikanischen Vorherrschaft dar. Die Welt entwickle sich in Richtung einer multipolaren Ordnung, in der Großmächte um Einfluss ringen. Prägend sei dabei die Rivalität zwischen den zunehmend innenpolitisch unberechenbaren USA und dem intern mit Schwächen kämpfenden China. Das gleichzeitige Aufstreben Indiens und der EU werde eine "konfrontative Multipolarität" mit diffuserer Machtverteilung zur Folge haben. Erwartet wird, dass wechselnde Allianzen sowie Spannungen künftig die internationale Politik bestimmen.

Krieg in der Ukraine

Der Krieg in der Ukraine bleibe derweil eine zentrale Bedrohung für die europäische Sicherheit: "Mit militärischer Aggression und hybrider Kriegsführung versucht Russland, geopolitische Machtverhältnisse zu verschieben und das internationale System zu destabilisieren – mit weitreichenden Auswirkungen auf Europa und darüber hinaus", fasst Brigadier Roland Vartok zusammen. Die Gefahr einer großflächigen Eskalation des Konflikts sowie eine militärische Konfrontation zwischen Russland und den EU-Staaten sei weiterhin real. "Besonders der Zeitraum der nächsten drei bis fünf Jahre wird hierbei als 'kritisch' eingestuft."

Man dürfe sich aber nicht täuschen: "Wir befinden uns in Europa bereits im Kriegszustand" – auch wenn die Kanonen noch schweigen. Russische Angriffe im Bereich hybrider Kriegsführung wie etwa gesteuerte Migration seien bereits "Tagesordnung", so Vartok.

So lasse Russland Migranten und Flüchtlinge einfliegen, um diese über den Marionettenstaat Belarus an die EU-Grenze zu schicken. Dazu kämen noch Cyber-Attacken und breit gestreute Desinformation. All das habe das Ziel, die Radikalisierung und Polarisierung innerhalb der Bevölkerung voranzutreiben – und somit den Zusammenhalt Europas zu gefährden.

"Friedvolle Nachkriegsordnung ist endgültig vorbei"

"Wir erwarten generell, dass die Beziehungen Europas – sowohl die EU als auch die NATO – zu Russland auf absehbare Zeit von nachhaltigem Antagonismus geprägt sein wird", sagt der Brigadier. Es gebe kein Zurück mehr: "Die friedvolle, durch Globalisierung gestützte Nachkriegsordnung des Kalten Krieges ist endgültig vorbei. Europas Sicherheit steht auf des Messers Schneide. Das Gesetz des Stärkeren scheint, bedauerlicherweise, Renaissance zu feiern."

Generalmajor <strong>Bruno Günter Hofbauer</strong> ist stellvertretender Generalstabschef, Leiter der Direktion Fähigkeiten und Grundsatzplanung sowie Fähigkeitsdirektor des österreichischen Bundesheeres.
Generalmajor Bruno Günter Hofbauer ist stellvertretender Generalstabschef, Leiter der Direktion Fähigkeiten und Grundsatzplanung sowie Fähigkeitsdirektor des österreichischen Bundesheeres.
Screenshot YouTube/Bundesheer

"Russland wird nicht aufhören. Es liegt ein klares Interesse aus Moskau vor, hier die Weltordnung, und da gehört Europa dazu, zu verändern", bringt es der stellvertretende Generalstabschef des Bundesheeres, Generalmajor Bruno Günter Hofbauer, im Anschluss auf den Punkt.

Er schärft mit eindrücklichen Worten nach: "Alle diejenigen, die heute sagen 'Es ist ja nur die Krim', 'Es ist nur der Donbas', sollten sich über die Kosten der Aussage von den Leuten erinnern, die damals gesagt haben 'Es ist nur Österreich'."

Das Gebot der Stunde

Wehrhaftigkeit sei deshalb das Gebot der Stunde. Österreich könne nicht davon ausgehen, als neutraler Staat nicht ebenso von einer militärischen Eskalation zwischen Russland und der EU erfasst zu werde. Es gelte, die eigene Hoheit gegen "subkonventionelle und konventionelle Angriffe unterschiedlicher Ausprägung im Informationsumfeld, im Cyberraum, im Luftraum und auch am Boden" zu verteidigen, schreibt Hofbauer dazu im "Risikobild 2025".

Die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit in all diesen Ebenen sei deshalb Gebot der Stunde: "Das Bundesheer ist im Falle eines militärischen Konfliktes mit der Herausforderung konfrontiert, gegen einen hoch gefährlichen, unberechenbaren und initiativen Gegner zu operieren." Dazu brauche es nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch eine Änderung des Mindsets innerhalb der Bevölkerung – und sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit, da, fügt Brigadier Vartok hinzu, "kein Staat auf sich alleine gestellt diese Herausforderung alleine bewältigen kann". Das Grundprinzip laute Kooperation und Eigenständigkeit.

Als Sitz vieler internationaler Organisationen sei Österreich nicht nur automatisch ein Ziel erhöhter Spionagetätigkeit, sondern es bestehe auch die Gefahr eines Luftschlags, "um ein Exempel zu statuieren": "Nur umgeben zu sein von NATO-Staaten, Liechtenstein und der Schweiz gibt keine, ich betone, keine, Sicherheitsgarantie ab", so der Militärexperte.

Lichtblick in einer düsteren Zukunft

Brigadier Vartok schließt seinen Beitrag im "Risikobild 2025" mit einem Lichtblick und gleichzeitig einem Appell: "Auch wenn das Risikobild eine düstere Zukunft zeichnet und die Vielzahl an Krisen überwältigend erscheint, liegt das Schicksal Österreichs und der Europäischen Union als Werte- und Verteidigungsgemeinschaft dennoch in der eigenen Hand. Es gilt, wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit weiter auszubauen und die Resilienz unserer Lebensweise nachhaltig zu stärken."

Über das "Risikobild 2025"

Das Bundesheer richtet sich mit der Publikation an die breite Masse, von politischen Entscheidungsträgern bis hin zu den Bürgern. Sicherheit soll als gemeinsame Verantwortung verstanden werden. Neben staatlichem Handeln brauche es auch das Engagement der Gesellschaft, betonen die Landesverteidiger. Das Risikobild sei dabei mehr als nur ein Lagebericht: "Es ist eine strategische Grundlage für die Weiterentwicklung der österreichischen Sicherheitsarchitektur und ein wichtiger Orientierungspunkt für die nächsten Jahre". Neben der Analyse bietet es auch konkrete Handlungsempfehlungen.

Selbst sieht sich das Bundesheer nicht nur als militärische Kraft, sondern als "umfassender Sicherheitsakteur" mit mehreren zentralen Aufgabenbereichen. Darunter: Schutz kritischer Infrastruktur, Hilfe bei Naturkatastrophen, Abwehr hilft und auch die Abwehr moderner Bedrohungen wie Cyberangriffe.

Download "Risikobild 2025" unter: bmlv.gv.at

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