Jetzt katholische Ansage
Umweltschutz-Blockade – Druck auf Landes-Chefs wächst
Die neun Landeshauptleute blockieren weiter Österreichs Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz. Jetzt regt sich heftiger Widerstand.
Das Europäische Parlament hat am 27. Februar 2024 mit 329 Ja- und 275 Nein-Stimmen, das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur beschlossen. Es sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wieder vernässt und Teilbereiche von Flüssen wieder in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden.
Wegen des Rückzugs von Rumänien, Slowakei und Ungarn vor der finalen Abstimmung im Ministerrat – im Normalfall eigentlich eine Formsache – hängt das EU-Renaturierungsgesetz seit Monaten in einem gefährlichen Schwebezustand.
Seither wird fieberhaft versucht, die notwendige "qualifizierte Mehrheit" wiederherzustellen. Aktuell sind 18 der 27 EU-Staaten dafür, diese repräsentieren aber nur 63 Prozent der EU-Bevölkerung; 65 Prozent müssten es aber sein.
Gewessler will zustimmen, darf aber nicht
Unser kleines Österreich könnte in dieser knappen Abstimmung zum Zünglein an der Waage werden. Die Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) könnte ausschlaggebend für den Erfolg des EU-Renaturierungsgesetzes werden. Wegen einer verbindlichen Weisung der neun Landeshauptleute musste sie sich aber bisher der Stimme enthalten.
Der Grund: Die Kompetenzen für Umweltschutz in der Alpenrepublik, wo auch schon Bananen wachsen, liegen nämlich nicht beim Bund sondern bei den Ländern. Jetzt wächst allerdings der Druck auf die Landeskaiser, ihre mittlerweile mehrere Jahre andauernde Blockadehaltung aufzugeben.
Wissenschaft appelliert an Landeskaiser
Auf Initiative des WWF haben nun mehr als 170 Wissenschaftler gemeinsam einen offenen Brief an die Landeshauptleute verfasst, um für ein positives Votum Österreichs für das geplante Renaturierungsgesetz der EU zu werben. Unterzeichnet ist der Brief unter anderem vom Ökologen Franz Essl, dem Umweltmediziner Hans-Peter Hutter oder der Umwelthistorikerin Verena Winiwarter.
Im Falle einer weiteren Blockade drohe ausgerechnet Österreich "zum politischen Totengräber eines vorbildlichen Ansatzes zu werden, der eine EU-weite Antwort auf die gekoppelte Klima- und Biodiversitätskrise darstellt", hieß es im Brief. "Intakte Ökosysteme sind unsere besten Verbündeten und eine Rundum-Lösung für viele Probleme. Daher ist eine Blockade dieses Gesetzes verantwortungslos und gefährlich", betonte WWF-Programmleiterin Hanna Simons.
Katholische Aktion mahnt: Blockade aufgeben
Jetzt wird den Landeshauptleuten auch noch der göttliche Beistand versagt. Auch die Katholische Aktion Österreich (KAÖ), die offizielle Laienorganisation der katholischen Kirche, ruft jetzt die politisch Verantwortlichen in Österreich auf, ihre Blockade gegen das EU-Renaturierungsgesetz aufzugeben.
"Das Renaturierungsgesetz ist ein höchst notwendiger Wegweiser in die Zukunft“, bekennt sich das KAÖ-PräsidentInnen-Team in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme eindeutig dazu: Der Widerstand, der vor allem aus dem Kreis der Landeshauptleute komme, "ist für uns nicht begreiflich."
"Rücksichtslose Verbrauchsmentalität"
"Mit der Industrialisierung hat sich unser Blick auf die Natur verändert. Sie wird auch heute – trotz Umweltkrise und Klimawandel – noch viel zu sehr als bloßes Produktionsmaterial gesehen. Ökologische Zusammenhänge wurden und werden einfach ignoriert, weltweit. Diese rücksichtslose Verbrauchsmentalität hat zu massiven und zum Teil irreversiblen Schädigungen in vielen Naturgegenden der Welt geführt", sagen Ferdinand Kaineder, Katharina Renner und Brigitte Knell weiter.
Europa habe hier einiges gut zu machen, das Renaturierungsgesetz sei eine wichtige Weichenstellung dazu.
Mikl-Leitner-Ausflucht ausgehebelt
Das Trio stellt Niederösterreich-Chefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) direkt die Rute ins Fenster. Die Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz verteidigte im "Zeit im Bild 2"-Interview ihre Blockade mit Scheinargumenten, wonach eine leichte Deintensivierung der europäischen Landwirtschaft mehr Importe und daher mehr Regenwald-Rodung zur Folge hätte.
"Das Argument, man wäre durch Verlust von Landwirtschaftsfläche in Europa gezwungen, Nahrungsmittel auf gerodeten Regenwaldflächen anzubauen, ist nicht haltbar und lenkt vom eigentlichen Thema ab", donnern die katholischen Gläubigenvertreter. Denn: Sollte die Ernährungssicherheit gefährdet sein, werde das Gesetz ohnehin europaweit außer Kraft gesetzt.
Klar ist: "Der Verlust an Ackerfläche passiert durch Versiegelung und Straßenbau, nicht durch Renaturierung". Mehr dazu hier:
Der nächste EU-Umweltministerrat wird am 17. Juni in Luxemburg stattfinden. Ob das EU-Renaturierungsgesetz dann da wieder auf der Tagesordnung steht, wird vom politischen Klima innerhalb der Union abhängen.
Carbon-Capture-Anlage "Orca" verwandelt CO2 in Stein
Auf den Punkt gebracht
- Die neun österreichischen Landeshauptleute blockieren weiterhin Österreichs Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz, was zu einem wachsenden Druck auf sie führt
- Das Gesetz sieht die Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen vor und hängt nun von der Zustimmung Österreichs ab, wobei die Landeshauptleute unter anderem von Wissenschaftlern und der Katholischen Aktion aufgefordert werden, ihre Blockadehaltung aufzugeben
- Der nächste EU-Umweltministerrat wird am 17
- Juni in Luxemburg stattfinden, wo über das EU-Renaturierungsgesetz erneut diskutiert wird