Ernährungssicherheit in Gefahr
"Alarmierend" – Österreich frisst sich selbst kaputt
Die Ernährungssicherheit der Österreicher ist durch rasanten Bodenfraß in Gefahr. Täglich wird hektarweise wertvollstes Ackerland zubetoniert.
Täglich werden in Österreich rund 16 Fußballfelder wertvollen Bodens zubetoniert. Mehr als 130 Wissenschafter stellen nun im jüngsten Sonderbericht des Austrian Panel on Climate Change (APCC) zu "Landnutzung und Klimawandel in Österreich" klar: So kann es nicht weitergehen! Die rasante Zerstörung fruchtbaren Ackerlandes gefährdet die Ernährungssicherheit Österreichs.
"Bleibt es bei der aktuellen Entwicklung, könnte dies zu erheblichen Schwierigkeiten für die heimische Landwirtschaft und damit auch für die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung mit österreichischen Produkten führen", warnt das Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler (Grüne) bezugnehmend auf die Studienergebnisse am Dienstag.
Aber nicht nur: Der enorme Verlust an Lebensraum setzt auch der heimischen Artenvielfalt massiv zu. "Der Biodiversitätsverlust ist alarmierend", konstatiert auch Ministerium. Zudem werden durch immer neue versiegelte Flächen die Auswirkungen der Klimakrise verstärkt, etwa weil Regenwasser nicht mehr versickern kann.
Massive Einbußen
Dabei spielen Fundamente für Windräder eine untergeordnete Rolle. Die größte jährliche Landnutzungsänderung auf Kosten von landwirtschaftlichem Grund findet durch den Siedlungsbau bzw. die Zersiedelung statt.
Die für Häuslebauer so attraktiven Böden in flachen Tallagen sind aber ebenso wichtig für die Produktion von Lebens- und Futtermitteln, um die unabhängige, selbstständige Versorgung von Österreich zu gewährleisten. Am stärksten betroffen sind dabei die Hauptanbauflächen im Osten des Landes.
"Sie werden durch den Klimawandel wesentlich an Produktivität einbüßen. Die Anbaugebiete werden sich nach Westen bzw. in höhere Lagen verschieben", so das Klimaschutzministerium weiter. Gleichzeitig bleibe der Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen unvermindert hoch. Der rasante Bodenfraß verschärfe dieses Problem zunehmend.
Österreich "Europameister im Zubetonieren"
"Wenn in Österreich so weiter betoniert wird, dann haben künftige Generationen keinen Quadratmeter fruchtbaren Boden mehr übrig, um Getreide oder Gemüse anzubauen", mahnt Vizekanzler Werner Kogler bei der Präsentation des APCC-Berichts: "Wir haben es in der Hand, diese Entwicklung aufzuhalten und eine Wende zum Besseren einzuleiten. [...] Verlieren wir also keine Zeit."
Bodenverbrauch bedroht Ernährungssicherheit Österreichs
Auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler stellt klar: "Leider ist die Situation beim Zubetonieren in Österreich äußerst prekär. Wir müssen aufhören, unsere wertvollen Böden zu zerstören". Gleichzeitig gebe es genug Möglichkeiten, um den traurigen Titel Österreichs als "Europameister im Zubetonieren" loszuwerden. Konkrete Vorschläge geben die Studienautoren auch gleich mit.
Wie der rasante Bodenfraß noch aufzuhalten ist:
- Innerstädtische und innerörtliche Verdichtung statt Zersiedlung im Umland.
- Vernetzung von Grünelementen und Grünflächen im urbanen Bereich, auch um mehr Frischluftschneisen zu schaffen.
- Erweiterung der Wirkmächtigkeit der Planungsinstrumente gemäß den jeweiligen Raumordnungsgesetzen der Bundesländer über die Verordnung von entsprechenden Plänen und Programmen.
- Effizientere Ressourcennutzungen.
Wie die Ernährungssicherheit gewahrt bleibt:
- Bodenverbrauch massiv reduzieren
- Stärkung der nachhaltigen Landwirtschaft, die einen ressourcenschonenden Umgang mit wertvollen Böden hat.
- Klimabedingter Verschiebung von Anbauflächen entgegentreten. Das kann über die Nutzung von Ackerflächen funktionieren, indem die Lebensmittelproduktion verstärkt gefördert wird.
Appell an die Länder
Greenpeace hatte bereits zu Jahresbeginn aufgezeigt, dass in Österreich auch in diesem Jahr wieder hauptsächlich fruchtbare Wiesen und Äcker verbaut werden. Die Umweltschutzorganisation fordert eine verbindliche Obergrenze für den Bodenverbrauch, um die Artenvielfalt, die Landwirtschaft und damit die heimische Lebensmittelversorgung zu sichern.
Melanie Ebner, Bodenschutzsprecherin bei Greenpeace, zum neuen APCC-Bericht: "Wir können es uns nicht mehr leisten, dass wir weiterhin achtlos fruchtbarste Äcker zu betonieren. Damit setzen wir nicht nur die Zukunft unserer Bäuerinnen und Bauern aufs Spiel, sondern die der gesamten österreichischen Bevölkerung. Denn fruchtbare Böden sind die Grundlage für unsere Lebensmittelproduktion. Hitze und Trockenheit tragen zusätzlich dazu bei, dass der Landwirtschaft der Boden ausgeht."
Greenpeace fordert, dass die Bundesländer sowie der Städte- und Gemeindebund ihre Blockadehaltung beim Bodenschutz beenden und endlich einer Bodenschutzstrategie mit einer fixen Obergrenze für den Flächenverbrauch zustimmen. Ebenso müssen die Länder endlich wirksame Bodenschutzmaßnahmen umsetzen, wie etwa verpflichtendes Flächenrecycling.
Bodenversiegelung ist die ständige Überdeckung von Flächen und Böden durch Gebäude, Konstruktionen oder Schichten mit komplett oder teilweise undurchlässigem künstlichem Material (wie Asphalt, Beton, etc.).
Es ist die intensivste Form der Landnutzungsänderung und im Wesentlichen ein irreversibler Prozess. Die Funktionen, die der Boden im natürlichen Zustand bedient, können nicht mehr erfüllt werden.
Bodenversiegelung kann nach Niederschlägen dadurch, dass das Wasser nicht versickern kann, einen raschen Überlandabfluss verursachen, was zu Überschwemmungen führen kann.
Quelle: APCC-Bericht zu Landnutzung