Immer mehr Gefährder

"TikTok-Prediger" – So werden Teenager zu Terroristen

Die Terror-Propaganda läuft auf Hochtouren. Bereits mehr als 100 Menschen in Österreich gelten als Gefährder, so der Verfassungsschutz.

Michael Pollak
"TikTok-Prediger" – So werden Teenager zu Terroristen
Extremismusforscher Nicolas Stockhammer (Kreis) sagt, radikal-salafistische "TikTok-Prediger sind immer häufiger die Einstiegsdroge".
Martina Berger, ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Die gewaltbereite, radikalisierte Islamisten-Szene wächst. Jetzt hat Österreichs höchster Verfassungsschützer Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Alarm geschlagen. Die Zahl der Gefährder ist in Österreich von etwa 70 auf über Hundert gestiegen. "Mittlerweile sind wir bei einer sehr niedrigen dreistelligen Zahl", sagte er der Presse.

Wer sind diese Leute, fragen wir Nicolas Stockhammer, den renommierten Extremismusforscher der Donau-Uni Krems. Er sagt, es seien vermehrt Personen, die schon länger in Österreich leben, jetzt aber bereit sind, den westlichen Lebensstil gegen Gewalt einzutauschen: "Wir Extremismusforscher nennen das Phänomen 'TikTok-Radikalisierung', diese jungen Menschen bekommen über niederschwellige Inhalte - meist in sozialen Medien - Zugang zu dieser Welt. Das sind zum Beispiel TikTok- oder Youtube-Videos von Influencer-Preachern (Anm.: Prediger), die sind häufig die Einstiegsdroge", sagt Stockhammer.

"Bilder sollen zu Wut und Rache anstacheln"

Weiters: "Zahllose Propaganda-Videos mit schockierenden Bildern aus dem Nahen Osten sollen zu Wut und Rache anstacheln", wohl gegen jüdische Einrichtungen, aber auch gegen alles Westliche.

Doch nicht jeder, der in den Sog dieser Terror-Influencer gerät, wird selbst zu einem Täter sagt Stockhammer, "Einige gelangen dann in den engsten Kreis, in dem es auch eine erhöhte Gewaltbereitschaft gibt."

Auch gerade jetzt, "das ist nie auszuschließen", könnte jemand in Österreich einen Anschlag planen, "wir müssen stets mit einer sich konkretisierenden Terrorbedrohung rechnen", so der Experte.

"Starke internationale Vernetzung"

Die Idee, das Ziel und die Ausführung, das muss nicht alles in Österreich entstehen: "Es gibt eine starke internationale Vernetzung von Jihadisten. Das kann als Inspiration dienen und ist durchaus geeignet, Teenager und junge Männer zu mobilisieren."

Warum gerade jetzt die Zahl der Gefährder steigt, nachdem sie jahrelang unter 100 lag? "Radikalität ist kein Turbophänomen. Diese Entwicklung wurde durch andere Anschläge beflügelt – auch durch die vereitelten. Weiters durch Propagandabilder aus dem Nahen Osten und die zwischenzeitlich zunehmenden Pro-Palästina-Proteste." Das alles führt jetzt zu einer breiten Radikalisierung.

Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie knapp wir an Katastrophen vorbeischlittern. Beran A. (19) soll eine Attacke auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien geplant haben, Emrah (18) aus Salzburg fuhr mit einem Gewehr nach München, feuerte in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums und des israelischen Konsulats Schüssen ab (es gilt die Unschuldsvermutung).

"Das wird man nie verhindern können"

Der Anti-Terror-Kampf ist ein harter. Man kann versuchen, diese Inhalte vom Netz zu nehmen, "aber aufgrund von 'Borderline-Content' – also Inhalten, die nicht unmittelbar gegen Gesetze verstoßen – wird es immer schwieriger."

Ganz wichtig sind jedenfalls auch Maßnahmen in der 'echten Welt', etwa Sozialarbeiter, die in Schulen gehen. Stockhammer bilanziert allerdings nicht ganz optimistisch: "Man wird aber nicht immer verhindern können, dass sich irgendjemand doch radikalisiert."

Auf den Punkt gebracht

  • In Österreich steigt die Zahl der als Gefährder eingestuften Personen, insbesondere durch die sogenannte "TikTok-Radikalisierung", bei der junge Menschen über soziale Medien Zugang zu extremistischen Inhalten erhalten
  • Der Verfassungsschutz warnt vor einer zunehmenden Bedrohung durch gewaltbereite Islamisten, die durch internationale Vernetzung und Propaganda aus dem Nahen Osten inspiriert werden, was zu einer breiten Radikalisierung führt
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