DSN-Chef packt aus
"870 gelöschte Chats" am Handy des Swift-Terroristen
Terror in Deutschland, vereitelter Terror-Anschlag in Österreich: DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner forderte erneut die umstrittene Messengerüberwachung.
In Deutschland kam es erneut zu einem blutigen Messeranschlag in der Stadt Solingen, in Österreich führte erst ein Terrorplan gegen die Konzerte von US-Megastar Taylor Swift zu deren Absage, nun werden neue Ermittlungen öffentlich. Das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung Niederösterreich (LSE NÖ) ermittelt derzeit in mehreren Fällen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation – drei Verdächtige konnten ausgeforscht werden.
Wieder handelt es sich um Jugendliche – und wieder sollen sie dem Terror-Apparat des Islamischen Staats nahestehen. Eine in St. Pölten wohnhafte 19-jährige russische Staatsbürgerin wird verdächtigt, IS-Propaganda gepostet zu haben, bei einer Hausdurchsuchung war sie in Tschetschenien auf Urlaub. Ein 16- und ein 17-jähriger österreichischer Staatsbürger, beide aus dem Bezirk Tulln, posteten ebenfalls IS-Propaganda mit Parolen gegen "Ungläubige", beide sollen kürzlich zum Islam konvertiert sein.
Gezerre um Überwachung von Messengerdiensten
Nicht erst seit diesen bedenklichen Entwicklungen wird wieder über eine Überwachung von Messengerdiensten diskutiert. Der Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, forderte eine solche vehement am späten Mittwochabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf. Doch wie hätte mehr Überwachung geholfen, wenn man den Verdächtigen der Terror.Pläne in Wien gar nicht zuvor gekannt hatte? Über Gewalttaten werde zum Teil im frei zugänglichen Internet diskutiert, so der Experte, in "tieferliegenden Chats" in verschlüsselten Diensten würden dann aber Organisation und Waffenkäufe ablaufen.
IS-Terror in Solingen: Hier stellt sich Tatverdächtiger
"Dann ist es zu spät", so Haijawi-Pirchner dazu, dass es "einen schmalen Grad" zwischen Aufklärung, Ermittlung und Gefahrenabwehr gebe. Im Fall von Ternitz, wo der Verdächtige gelebt hatte, hätte man mit einer Überwachungssoftware "sehr viele Informationen sammeln" können, war sich Haijawi-Pirchner sicher. Zwar seien 17 Handys sichergestellt worden, kommuniziert habe der Verdächtige aber nur mit einem, so der DSN-Chef. Wäre auf diesem eine Überwachungssoftware gewesen, hätte man Absprachen und Komplizen schneller ausforschen können, so der Experte. Und er verriet: Es gebe am Handy "870 gelöschte Chats, die wir heute nicht mehr herstellen können".
"Wir haben es verhindert", so Haijawi-Pirchner zur geplanten tat, es wäre ein Anschlag "größeren Ausmaßes" gewesen. Aber man wisse, "dass wir in Österreich sehr viele islamistische Gefährder haben, so Haijawi-Pirchner weiter. Eine Überwachungssoftware könne die Behörden schneller auf die Spur mutmaßlicher Terroristen und Gewalttäter bringen, hieß es. Von "Massenüberwachung" wollte der DSN-Chef jedoch nichts wissen – eine solche wolle man nicht und könne man vermutlich technisch auch gar nicht umsetzen. Was er wolle, sei eine Lösung, die Terroranschläge verhindern und Menschenleben retten könne, hieß es. "Es muss schon auch uns vorbehalten sein, wie wir arbeiten", verteidigte sich Haijawi-Pirchner gegen Kritik aus der Politik.
Österreich sei das einzige Land in Europa, dass die Möglichkeiten einer solchen Gefahrenabwehr nicht habe, hieß es. Man müsse sich aber natürlich auch überlegen, wie man mit Missbrauchsfällen umgehe, "das ist ganz in unserem Sinne", so Haijawi-Pirchner. "Fake News" sei wiederum, dass Sicherheitslücken geschaffen werden müssten, damit die Spionagesoftware funktioniere, so der DSN.-Chef: "Wir stellen definitiv keine Sicherheitslücken her, um diese Möglichkeiten künftig zu haben." Und wie oft würde eine solche Überwachung in Österreich jährlich eingesetzt werden? In Österreich gebe es eine "mittlere zweistellige Zahl" an extremistischen und terroristischen Gefährdern, sinnvoll sei bei diesen eine solche Überwachung in "zehn bis 20 Fällen".