Lehrerin packt aus

"Schüler können nicht einmal ihren Namen schreiben"

Notstand in vielen unserer Klassen. Die Lehrer sind überfordert. Kein Wunder: Sie sind auf einer "Mission Impossible".

Michael Pollak
"Schüler können nicht einmal ihren Namen schreiben"
"Ein Drittel der Schüler versteht nur Bahnhof", sagt eine Lehrerin zu "Heute".
Gwtty Images

"Heute" hat mit einer Lehrerin gesprochen, die eine unmögliche Mission erfüllen soll. Die junge Frau – sie will anonym bleiben – unterrichtet eine zweite Klasse einer sogenannten "Brennpunktschule" in Wien. In ihrer Klasse läuft vieles völlig schief.

22 Kinder unterrichtet die 23-Jährige. Davon wiederholen sechs (!) das Schuljahr – wir sprechen von einer zweiten Klasse einer Volksschule. Kein einziger der Schüler hat Deutsch als Muttersprache. Viele sind aber in Österreich geboren, "das sind sicher mehr als die Hälfte."

"Sie kennen keinen einzigen Buchstaben"

"Drei meiner Kinder sind unalphabetisiert, sie kennen keinen einzigen Buchstaben – sie können nicht einmal ihren Namen schreiben", sagt die Frau, mit der wir bereits vor ein paar Monaten gesprochen haben. Damals war sie eine motivierte, enthusiastische Lehrerin. Jetzt klingt sie resignativ, "es ist seitdem viel schlimmer geworden, es ist einfach frustrierend."

Wie kommt es, dass acht Jahre alte Kinder nicht schreiben können? "Es sind drei völlig verschiedene Fälle. In der ersten Familie würden die Eltern gerne dem Kind was beibringen, sie können es aber selbst nicht. Vom zweiten Kind habe ich noch nie eine Hausübung zurückbekommen, die machen daheim einfach gar nichts. Der Dritte Schüler schreibt von der Tafel oder von anderen Kindern alles ab, es bleibt aber nichts hängen", schildert die Pädagogin. Alle drei Familien sind übrigens erst vor etwa einem Jahr nach Österreich gezogen. "Die Kinder sind voriges Jahr zu uns gekommen, sie kamen altersadäquat in die zweite Klasse. Aber sie konnten nichts. Und wir können diesen Kindern nichts beibringen."

Die Lehrerin kann in der Schule unterrichten so viel und gut sie will, bei manchen gibt es dafür null Verständnis: "Es ist auch eine kulturelle Sache. In manchen Familien ist Bildung einfach nicht wichtig und das merkt man auch an der Arbeitseinstellung."

Das Arbeitsleid der jungen Lehrkraft: "Ich mache den Job von drei Personen: Ich bin Integrationslehrerin, ich muss die Klasse führen und ich muss Kinder mit mangelnden Sprachkenntnissen unterstützen. Das geht sich nicht aus!"

Nächstes Problem: "Von oben heißt es diese Kinder sollen 15 Stunden pro Woche Deutschförderunterricht bekommen. Im Stundenplan steht diese Lehrerin aber nur mit vier Stunden. Und in der Praxis sind es maximal drei. Das ist die Realität", sagt die Frau resignierend.

Eigentlich gibt es an der betreffenden Schule genug Lehrer sagt sie zu "Heute". Es folgt die Kritik: "Einige sind Quereinsteiger. Darunter haben wir Schauspieler und eine Krankenschwester. Viele von denen haben selbst Sprachfehler, die können keinen didaktisch hochwertigen Unterricht halten."

Alltag in der Klasse: "Ein Drittel versteht nur Bahnhof, ein Drittel ist unterfordert. Nur für etwa sechs Kinder passt der Unterricht, so wie er ist. Und die, die nichts verstehen, die schauen halt zu oder sie ziehen Buchstaben nach."

"Die werden wohl wieder die zweite Klasse wiederholen"

Es ist frustrierend sagt die ehemals hoch motivierte Lehrkraft: "Die einen üben Schreibschrift, die anderen können noch gar nicht schreiben. Wenn zu Hause nichts gemacht wird, dann schaffen wir das in der Schule auch nicht." Nachsatz: Die werden wohl wieder die zweite Klasse Volksschule wiederholen müssen.

"Ich komme mir ein bisschen unnötig vor. Für maximal 10 Kinder von 22 bin ich als Lehrerin da und mache meinen Job gut. Die Kinder freuen sich und machen Fortschritte. Bei den anderen bin ich lediglich Betreuerin. Ich kann denen keinen guten Unterricht bieten. Es ist demotivierend."

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    Andreas Tischler / Vienna Press

    Auf den Punkt gebracht

    • Eine junge Lehrerin an einer Wiener Brennpunktschule berichtet resigniert über die schwierigen Bedingungen in ihrer zweiten Klasse, in der viele Kinder weder Deutsch als Muttersprache haben noch grundlegende Schreibfähigkeiten besitzen
    • Trotz ihres Engagements und der Unterstützung durch die Schule sieht sie sich mit kulturellen Unterschieden, mangelnder häuslicher Unterstützung und unzureichenden Ressourcen konfrontiert, was ihre Arbeit extrem frustrierend und demotivierend macht
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