Wiener Pädagogen berichten
"Gestandene Lehrer stehen weinend in der Direktion"
Zu wenig Personal, von der Politik "negiert", viele Burnouts: "Heute" hörte sich am Rande der Lehrer-Demo um, wo an Wiens Schulen der Schuh drückt.
Pfeifen, Rasseln, Sprechchöre – so wollten sich Wiens Lehrer Donnerstagnachmittag Gehör verschaffen. Vor der Bildungsdirektion in der Wipplingerstraße 28 in der Inneren Stadt, konnte man ab 17 Uhr Plakate mit Aufschriften wie "Bildung krepiert, weil Dummheit regiert" oder "In tiefer Trauer um die sterbende Bildungspolitik" lesen. Hauptforderung der Lehrer: Sie wollen von der Politik gehört werden. "Heute" hörte zu.
"Dem bin ich nicht gewachsen!"
"Es bleibt oft an den Lehrern hängen, wie Kinder sich verhalten oder wie das Bildungssystem läuft. In der Gesellschaft und in der Politik ist eine Augenklappe vor den Augen", so Josephine, eine 28-jährige Klassenlehrerin, zu "Heute". Hinten und vorne fehle die Unterstützung. "Ich habe keine Zweitlehrerin, ich stehe die ganze Woche mit 22 Kindern alleine in der Klasse." Auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder könne sie so nicht eingehen. "Dem bin ich nicht gewachsen", gesteht sie. Es fehle an ausgebildetem Personal zur Unterstützung.
Bilder: Lehrer demonstrieren in Wien
„Viele Lehrer erleiden nach kurzer Zeit im Dienst ein Burnout“
Im Gespräch mit "Heute" sind viele Lehrer einer Meinung: Die Kinder leiden am meisten unter den Umständen. "Viele Lehrer erleiden nach kurzer Zeit im Dienst ein Burnout. Dieser Wechsel ist dann arg. Vor allem bei uns in der Volksschule, wo die Kinder ab der ersten Klasse eine Bindung aufbauen. Wenn sich die Lehrer dann versetzten lassen, dann sind sie einfach weg", erzählt Sissi, die Leiterin einer Volksschule. Nicht nur Neuanfänger tun sich schwer mit den Belastungen im Job: "Auch gestandene Lehrerinnen stehen weinend in der Direktion."
"Wir müssen die Quereinsteiger ausbilden"
"Das, was sich in den Schulen derzeit abspielt, ist nahezu unbeschreiblich", so Wolfgang. Er ist Lehrerbildner und seit über 20 Jahren pragmatisiert – weshalb er sich auch auszusprechen traut, was viele aus Angst vor Konsequenzen nicht zu sagen wagen. Es fehlen die Ressourcen, die es bräuchte, um der zunehmenden Schülerzahl gerecht zu werden, sagt er: "Wir haben kein Personal, wir fahren auf Notbetrieb. Das wird von den politisch Verantwortlichen schlicht und ergreifend negiert, es wird gelogen, es geht so nicht mehr weiter!" so Wolfgang. Lehrer müssen Aufgaben übernehmen, denen sie nicht gewachsen sind: vom Lösen gewalttätiger Streitereien bis hin zur medizinischen Versorgung. Unterstützendes Personal würde helfen, jedoch müsse auch das richtig ausgebildet sein.
"Es gibt so gut wie kein Supportpersonal. Zumindest keines, auf das man sich verlassen kann." erzählt Sissi. "Es kommt mir so vor, als ob jeder, der in die Bildungsdirektion kommt und sagt, dass er Kinder mag, einen Job bekommt", hegt die Lehrerin einen Verdacht. Hilfskräfte, die jedoch mangelhaft ausgebildet sind, seien eine Belastung für alle anderen Lehrer, die dann auch diese Ausgabe zusätzlich übernehmen müssen. "Wir müssen nicht nur die Kinder ausbilden, sondern auch die Quereinsteiger", erklärt die Direktorin.
Auf den Punkt gebracht
- Am 17.Oktober 2027 versammelten sich zahlreiche Lehrer vor der Wiener Bildungsdirektion, um lautstark Unterstützung von der Politik zu fordern, da sie sich überfordert und im Stich gelassen fühlen
- Die Lehrer beklagen den Mangel an ausgebildetem Personal und die daraus resultierenden Belastungen, die sowohl sie selbst als auch die Schüler stark beeinträchtigen