Pensionen, Steuern

Protokoll des Scheiterns – Was den Ampel-Crash auslöste

Lange Nacht der Konflikte: "Heute" erfuhr, woran die Ampel scheiterte – keine Einigung bei Pensionsalter und rote Forderungen nach Vermögenssteuern.

Angela Sellner
Protokoll des Scheiterns – Was den Ampel-Crash auslöste
Abgang: Neos-Chefin Meinl Reisinger ließ die Dreier-Koalitionsgespräche mit ÖVP-Nehammer und SPÖ-Babler platzen.
Helmut Graf

Dass NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger Freitagfrüh die Ampel platzen ließ, hat selbst die Verhandlungspartner kalt erwischt. Am Donnerstag hatten die Parteivorsitzenden Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger bis zum späten Abend um Einigung in den Knackpunkten eines gemeinsamen Regierungsprogramms gerungen. Kurz vor 23 Uhr ging man auseinander – auf Medienanfragen hieß es da noch, man werde am Freitag weitermachen.

Bei den Neos folgten noch nächtliche interne Diskussionen – an deren Ende klar war: Die Pinken steigen aus. Meinl-Reisinger informierte in der Früh Bundespräsident Van der Bellen, Nehammer und Babler und machte den Rückzug der NEOS um 10.30 Uhr öffentlich – "Heute" berichtete ausführlich.

Tatsächlich hatte man sich in den vergangenen Wochen in etlichen Punkten geeinigt. Die NEOS hatten allerdings wiederholt "echte Reformen" eingefordert, hinter den Kulissen war wiederholt zu hören, dass die Pinken bei ÖVP und SPÖ starke Tendenzen zum "Weiter wie Bisher" verorteten.

Was die Verhandlungen nun tatsächlich zum Platzen brachte, waren laut "Heute"-Informationen vor allem zwei Themen: Pensionen und Steuern. Beides stand auch am Donnerstag im Mittelpunkt der Verhandlungen, ohne dass ein Kompromiss erzielt werden konnte.

"Nur noch Provokation"

Die SPÖ sei immer wieder aufs Neue mit Forderungen nach Vermögenssteuern gekommen, berichtet ein Verhandler. Eigentlich sei das schon vom Tisch gewesen, da hätten die Roten erneut eine Schenkungssteuer verlangt, seien auch von der Forderung nach einer höheren Bankenabgabe nicht abgewichen. "Das war nur noch Provokation", ärgert man sich auch bei den Schwarzen über die roten Hardliner um Parteichef Babler.

Knackpunkt Pensionen

Entscheidender Knackpunkt dürften schließlich die Pensionen gewesen sein. Angesichts des riesigen Budgetlochs muss die künftige Regierung Milliarden einsparen – konkret rund 18 Milliarden Euro in den nächsten sieben Jahren. Ein riesiger Brocken im Budget sind die Pensionen – dass man hier am System etwas ändern müsse, nicht zuletzt weil die Menschen immer älter werden, haben nahezu alle Experten empfohlen.

Faktisches Pensionsantrittsalter in Österreich
Aktuell liegt bei den Männern in Österreich das tatsächliche Alter, mit dem sie in Pension gehen, bei 62,2 Jahren – also deutlich unter dem gesetzlichen Pensionsalter von 65. Bei den Frauen beträgt das faktische Pensionsantrittsalter derzeit 60,2 Jahre. Seit 2020 stieg das faktische Antrittsalter der Männer um 3,7 Jahre, das der Frauen um 3,4 Jahre.

Der Vorschlag, der bei den Ampelgesprächen auf dem Tisch lag, ging dahin, das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben, um das System langfristig abzusichern, erfuhr "Heute" aus Verhandlerkreisen. Konkret: Läge es bis zum Jahr 2030 nicht bei 63,5 Jahren, hätte ein Mechanismus greifen sollen, dass das Pensionsantrittsalter jedes Jahr um drei Monate erhöht wird.

Das Konzept, auf das sich ÖVP und Neos hätten verständigen können, hätte niemanden betroffen, der aktuell bereits in Pension ist.

Beim Wert von 63,5 Jahren wären die Neos gesprächsbereit gewesen, hört "Heute". Gegebenenfalls hätte man sich auch auf 63 Jahre einigen können. Die SPÖ hingegen soll keinerlei Kompromissbereitschaft in dieser Frage gezeigt haben.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Seltenheim schoss sich in einer Aussendung auf "Pensionskürzung durch Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre" ein, was die Menschen massiv belaste und nicht die Lösung sein könne.

Schuldzuweisungen

Man habe als SPÖ die gesamte Verhandlungsdauer über klargemacht, dass es einen sozial gerechten Ausgleich brauche und alle einen Beitrag leisten müssen, heißt es zu "Heute". "Für die ÖVP bedeutet das aber offenbar, alle außer Banken, Energiekonzerne und Superreiche."

Die Neos hätten in den Verhandlungen viel rausgeholt – "aber offenbar nicht begriffen, dass in einer Dreierkoalition nicht 100 Prozent des Neos-Parteiprogramms durchzusetzen sind".

Gegenseitig schiebt man einander wild die Schuld am Scheitern der Ampel-Verhandlungen zu. Wie es nun weitergehen soll, steht in den Sternen.

Alle Fotos: So ließ NEOS-Chefin die Ampel platzen

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    Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei der Pressekonferenz am Freitag.
    Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei der Pressekonferenz am Freitag.
    MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com

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    Auf den Punkt gebracht

    • Die Verhandlungen der Ampelkoalition zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS sind gescheitert, hauptsächlich aufgrund von Differenzen bei den Themen Pensionen und Steuern.
    • NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zog am Freitagmorgen überraschend die Reißleine, nachdem keine Einigung erzielt werden konnte, insbesondere wegen der Forderungen der SPÖ nach Vermögenssteuern und der Unnachgiebigkeit bei der Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters.
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