An diesen vergangenen 1. November (Allerheiligen) wird sich Sarah L. (Name geändert) noch sehr lange erinnern. Sie fuhr – wie so viele Wiener – an diesem Tag zum Simmeringer Friedhof. Mit im Auto war ihre Mutter (93 Jahre alt).
Es ist der Tag des größten Ansturms auf Friedhöfe, auch nach langer Suche fand Sarah L. keinen Parkplatz, "alle regulären Parkplätze, inklusive der Behindertenparkplätze, waren belegt." Sie stoppte den Pkw vor dem Tor und hob ihre Mutter in ihren Rollstuhl (sie ist stark beeinträchtigt). Dann, um Zeit zu sparen, fuhr die alleinerziehende Mutter – so wie viele andere auch – gegenüber auf den Parkplatz der Firma Boesner, einem Geschäft für Künstlerbedarf. Es war Sonntag, da dachte sich wohl niemand etwas dabei. "Ich parkte dort in der Annahme, dass dies erlaubt sei", sagt L. zu "Heute".
Am Grab ihres Vaters zündeten die Angehörigen eine Kerze an, schon bald war ihnen aber zu kalt, sie traten den Rückweg an. Der Besuch dauerte nur etwa 15 Minuten.
Viele Wochen später landete ein eingeschriebener Brief einer Anwaltskanzlei in der Postbox (!) des Wohnhauses der Mutter, sie ist die offizielle Autobesitzerin. Das Problem: In die Postbox schaut die Mutter nicht. Erst vergangene Woche fand der Brief den Weg zur Empfängerin.
Der Inhalt schockierte: "Um eine Besitzstörungsklage zu vermeiden erhalten Sie die Möglichkeit, binnen 7 Tagen ab Aufforderung einen Pauschalbetrag von EUR 395,00 als privatautonomes Angebot zum Verzicht auf das Recht zur Klagsführung meines Mandanten als Liegenschaftsbesitzer wegen Besitzstörung auf das Fremdgeldkonto XXXXXXXXXX zu leisten."
Am Ende des Briefes der Hinweis: "Eine Klage wäre für Sie mit weiteren und wesentlich höheren Kosten verbunden." Auch nachzulesen: Frau L. parkte laut Anwaltsschreiben genau 21 Minuten vor dem geschlossenen Geschäft.
"Ausgerechnet zu Allerheiligen – wer denkt denn an so etwas?", fragt sich L. seitdem wiederholt. Die Falschparkerin rief sofort in der Anwaltskanzlei an. Dort bekam sie die Information: Die Klage sei noch nicht eingereicht, sie könne noch einzahlen.
"Ich habe um Kulanz gebeten, weil es eben Allerheiligen war und weil meine Mutter im Rollstuhl sitzt", beschreibt L. Dann wurde sie vom Wiener Anwaltsbüro nach Deutschland verbunden. Doch sagte man, man könne nichts tun, sie werde wohl zahlen müssen.
"Heute" fragte bei Boesner nach, dem Besitzer des Parkplatzes. Wir erfahren, dass Parkplätze für die eigene Kundschaft rar geworden sind und deswegen eine Firma zur Überwachung des Areals beauftragt wurde, "um eine faire Nutzung zu gewährleisten", wie es heißt.
Und weiter: "An Sonn- und Feiertagen beträgt die Gebühr für den ganzen Tag 4,50 €. Darauf weisen wir auch mit entsprechender Beschilderung hin: Die Einfahrt, das Parken und das Halten außerhalb der Geschäftszeiten sind ausschließlich für zahlende Nutzer:innen unseres externen Dienstleisters gestattet." Außerdem scheint es in der Vergangenheit Probleme mit Vandalismus gegeben zu haben, auch dagegen solle die Überwachung helfen.
Zurück zu Sarah L. Aus dem Verkehrsamt erfuhr sie, dass "mindestens 2.000 Menschen davon betroffen", seien. Damit ist wohl nicht dieser konkrete Parkplätz gemeint, sondern das System der Besitzstörungsklagen.
"Das ist schon heftig, regelrechte Abzocke!", sagt sie. Sie ist vor unserem Gespräch noch einmal zum Parkplatz gefahren, um sich umzusehen: "Hätte ich mich auf den Billa Parkplatz gestellt, der nebenan ist, wäre alles gut gewesen."