"Ich war arbeitslos, pendelte regelmäßig nach Wien, in den 20. Bezirk, zu meinem AMS-Kurs in der Traisengasse", erzählt Wolfgang J. aus Raggendorf in Niederösterreich. Um wieder eine Arbeit zu finden, fuhr er vier Jahre lang immer wieder an den Wiener Stadtrand.
"Dort stellte ich, wie immer, meinen Wagen auf einen Gratis-Parkplatz, die Park&Ride-Anlage in Gerasdorf bei Wien ab und nahm den Zug", erinnert sich der 56-Jährige. So auch am 11. Juli 2024.
Acht Monate später trudelte nun eine saftige Strafe per Post ein. Darin schreibt Parkplatzbetreiber APCOA Austria GmbH: "Sehr geehrter Herr J., der Lenker des auf Sie zugelassenen Fahrzeugs, hat die P&R Anlage Gerasdorf bei Wien, 2201 Gerasdorf, Am Bahnhof bei Rotlicht ohne Erfüllung der Nutzungsbedingungen (offenen Pönale und/oder offenes Parkentgelt) verlassen. Einfahrt 11.07.2024, 10:40, Ausfahrt 11.07.2024, 13:49."
Die Zahlungsaufforderung der APCOA ist auf den 12. März 2025 datiert, also 8 Monate später ausgestellt worden. Minutiös listet die APCOA auf, was jetzt von J. zu zahlen sei, nämlich: Eine offene Pönale von 50 Euro, die behördliche Abgabe zur Halteranfrage von 19,70 Euro außerdem Bearbeitung, Kontrolle und Versand der Strafe, in der Höhe von 15,30 Euro – ergibt einen zu bezahlenden Gesamtbetrag von 85 Euro.
"Das ist doch eine totale Frechheit. Hier konnte man immer kostenlos parken", sagt J. Er hat seinen Wagen exakt drei Stunden und neun Minuten dort abgestellt und soll jetzt saftig Strafe zahlen: "Ich habe immer wieder dort geparkt, völlig kostenlos, wie beispielsweise auch in Pillichsdorf." Wolfgang J. kann sich nur vorstellen, dass die Parkpickerleinführung der Grund dafür ist.
"Das zahle ich nicht!", sagt J. zu "Heute" und fügt an: "Meine Reserven sind völlig aufgebraucht. Nach vier Jahren Arbeitslosigkeit und Pendeln für AMS-Kurse und die Jobsuche reicht es mir."
In ihrem Brief schreibt die APCOA Austria GmbH dazu: "Der Gesamtbetrag von 85 Euro ist innerhalb von 21 Tagen ab dem Datum dieses Schreibens zur Überweisung fällig. Bei der Überweisung ist bitte der Verwendungszweck anzugeben."
Auf der Webseite der Bahngesellschaft ÖBB erfährt man außerdem: "Am Bahnhof Gerasdorf ist die Park&Ride-Anlage seit Dezember 2023 mit einem innovativen Zufahrtssystem ausgestattet. Das bedeutet: Bei Ausfahrt muss der gültige Fahrschein mit Code an der Ausfahrtssäule gescannt werden. Das Zufahrtssystem kommt ohne Schranken aus. Das Ampelsystem signalisiert die ordnungsgemäße Ausfahrt."
Man habe dieses Projekt gemeinsam mit der Stadtgemeinde Gerasdorf und dem Land Niederösterreich umgesetzt. Die Park&Ride-Anlage erleichtere Bahnkunden den Umstieg auf die umweltfreundliche Bahn.
"Zwischenzeitlich gab es eine Schranke. Die wurde aber wieder abgebaut. Noch immer steht dort, dass man gratis parken kann", ärgert sich J., der mittlerweile wieder als Haustechniker arbeitet.
"Heute" hat auch bei der APCOA GmbH nachgefragt, in einem schriftlichen Statement heißt es: "Unser Unternehmen ist für die Überprüfung der widmungskonformen Nutzung der P&R Anlage zuständig. Das heißt wir überprüfen, ob ein gültiges Bahnticket vorhanden ist, welches Voraussetzung ist, um die P&R Anlage Gerasdorf zu nutzen."
Und: "Der Standort Gerasdorf ist seit Dezember 2023 mit dem schrankenlosen Zufahrtssystem ausgestattet. Ohne Ticket bzw. ohne gültigen Scan eines Tickets bzw. ohne Meldung an info@apcoa.at ist eine Pönale von EUR 50,00 pro Tag (max. 150 EUR für bis zu 30 Tagen) zu bezahlen. Ohne Kontaktaufnahme durch den Kunden kommen noch 15,30 EUR für Halteranfrage sowie 19,70 EUR für die Bearbeitung hinzu."
"Unser Job ist es zu überprüfen, ob ein gültiges Bahnticket vorliegt", heißt es, dieses könne J. nachreichen – das Ticket hat der Betroffene aber nicht mehr.
Mit 56 Jahren, sagt Wolfgang J., sei es nicht einfach gewesen, wieder einen Job zu finden. Jahrelanges Pendeln sei finanziell verausgabend, jetzt müsse er jeden Cent zusammenhalten. Von der "innovativen Parkraumbewirtschaftung" am Bahnhof Gerasdorf hält J. wenig.