Präsident spricht Klartext

"Nicht willkommen" – harte VdB-Ansage in Rede an Nation

Alexander Van der Bellen spricht in seiner Rede zum Nationalfeiertag über gewaltige Herausforderungen und den schmerzhaften Weg zu den Lösungen.

Newsdesk Heute
"Nicht willkommen" – harte VdB-Ansage in Rede an Nation
Alexander Van der Bellen bei seiner Ansprache zum Nationalfeiertag 2024: "Wir müssen Neues wagen."
HBF/Karlovits

Zum Nationalfeiertag hat sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit persönlichen Worten an alle Österreicherinnen und Österreichern gewandet. In seiner Ansprache machte er auf die brennendsten Themen unserer Zeit aufmerksam. "Es gibt keinen schmerzfreien Weg, die Probleme zu lösen", schärfte das 80-jährige Staatsoberhaupt nach. Das sei eine der "einfachen, aber unbequemen Wahrheiten".

Die nächste Regierung müsse "alte Rezepte loslassen", "Neues wagen" und "neue Wege" beschreiten: "In der Herangehensweise, im Stil und im Ergebnis." Die notwendigen Reformen würden aber auch schmerzhaft werden, warnte Van der Bellen.

Warnung vor "Wurschtigkeit"

Die vielfachen Probleme und die "Wucht, mit der die großen Veränderungen passieren" hätte viele Menschen pessimistisch werden lassen, viele würden sich zurückziehen, machtlos fühlen oder sich nur mehr dem persönlichen Fortkommen widmen. "Das ist menschlich", betonte der Bundespräsident, doch "dieses Gefühl darf nicht in Wurschtigkeit umschlagen". Diese sei gefährlich für Gesellschaft und Demokratie.

Wer das nicht anerkennt und nicht voll mitträgt, ist nicht willkommen."
Alexander Van der Bellen
zu Migration und Integration

Der nächsten Regierung gab er auch gleich einige Handlungsempfehlungen mit auf den Weg: Wir müssen jetzt endlich ins Tun kommen, runter mit den Emissionen, Anpassungsmaßnahmen beschleunigen, Investitionen vervielfachen und bürokratische Prozess abkürzen."

Dazu lieferte Van der Bellen auch eine harte Ansage zu Migration und Integration: "Es gibt Migrationsprobleme – also lösen wir sie: Jeder, der bei uns leben will, muss als Voraussetzung Deutsch lernen. Und unsere Kultur und unser Rechtssystem anerkennen. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist bei uns selbstverständlich. Oder sollte es zumindest sein. Genauso wie der Respekt vor gleichgeschlechtlich Liebenden. Wer das nicht anerkennt und nicht voll mitträgt, ist nicht willkommen."

Nehammer und VdB zerlegen Demo von Kickl-Fans

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    Am Nationalfeiertag sprachen Kanzler und Präsident an das Volk. Die Staatsspitzen verurteilten dabei die geplante Pro-FPÖ-Demo am 9. November.
    Am Nationalfeiertag sprachen Kanzler und Präsident an das Volk. Die Staatsspitzen verurteilten dabei die geplante Pro-FPÖ-Demo am 9. November.
    BKA/Dunker

    Die gesamte VdB-Ansprache im Wortlaut:

    Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die in Österreich leben.

    Ich wünsche Ihnen einen schönen Nationalfeiertag. Es ist ein Feiertag in unruhigen Zeiten.

    Einer Zeit, die von Konflikten, Unsicherheiten und Widersprüchen geprägt ist. Außerhalb Österreichs. Und innerhalb.

    Was unsere gemeinsame Zukunft als Gesellschaft betrifft, sind viele von uns pessimistisch und wissenschaftliche Studien unterstreichen dieses Bild.

    Der Generationenvertrag, das Versprechen von steigendem Wohlstand, Vertrauen in einen Wirtschaftsaufschwung, der Wert von Leistung, der Glaube an eine fortwährend intakte Umwelt, der Wert des Friedens; der Wert der liberalen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft als Vorbild für die ganze Welt:

    All das scheint an Kraft verloren zu haben.

    Es ist, als hätten wir uns abgewöhnt, uns etwas Gutes von unserer gemeinsamen Zukunft zu erhoffen. Gleichzeitig haben sich viele von uns zurückgezogen auf ihr ganz persönliches Fortkommen, entkoppelt von der Gemeinschaft. Und konzentrieren sich ganz auf das jeweils eigene, persönliche Leben und wie es zu verbessern ist.

    Vielleicht haben viele das Gefühl von Machtlosigkeit angesichts der Wucht, mit der die großen Veränderungen passieren. Das ist menschlich.

    Aber dieses Gefühl darf nicht in Wurschtigkeit umschlagen.

    Das wäre gefährlich für unsere Gesellschaft insgesamt. Und jedenfalls löst es mit Sicherheit keines der tiefgreifenden Zukunftsprobleme.

    Meine Damen und Herren, eine der größten Fragen unserer Zeit ist doch: Wie finden wir einen Weg, uns schwierigen, unvermeidlichen Situationen zu stellen?
    Ohne wegzuschauen?
    Ohne vorzeitig aufzugeben?
    Ohne unsere Errungenschaften zu gefährden?

    Ich glaube, dazu ist es als erstes notwendig, die Dinge anzuerkennen, wie sie sind. Und ein paar einfache, aber unbequeme Wahrheiten auszusprechen:

    Erstens: Die Probleme werden sich nicht von selber lösen.

    Es hilft nicht, wenn Politiker suggerieren, dass sich die Lebensbedingungen eh wieder bessern werden, wenn wir nur fest genug daran glauben.

    Es hilft auch nicht, wenn andere allzu einfache Lösungen versprechen, wenn man sie nur machen ließe.

    Denn zweitens: Es gibt keinen schmerzfreien Weg, die Probleme zu lösen.

    Sprechen wir aus, was wir erleben:
    Die irreversiblen Klimaschäden.
    Die volatile Sicherheitsarchitektur.
    Die Herausforderungen, die Migration mit sich bringt.
    Die Veränderung der Alterspyramide und geringere Geburtenraten.
    Die steigenden Preise.
    Die sozialen Probleme.
    Die strukturelle Krise der europäischen Wirtschaft.
    Digitalisierung und künstliche Intelligenz.
    Die Leistungsfeindlichkeit und den neuen Egoismus.

    Ja, all das wird Anstrengungen erfordern. Und es wird neue Lösungen brauchen. Wir werden mit der Art von Denken, das uns hierher gebracht hat, nicht weiterkommen.

    Denn drittens: Wir müssen Neues wagen.

    Die Herausforderungen sind neu. Die Lösungen sind nicht einfach. Aber sie sind möglich. Wenn wir alte Rezepte loslassen und neu denken.

    Die Klimakrise schickt ein extremes Wetterereignis nach dem anderen um den Globus. Wir müssen jetzt endlich ins Tun kommen, runter mit den Emissionen, Anpassungsmaßnahmen beschleunigen Investitionen vervielfachen, und bürokratische Prozess abkürzen.

    Es gibt Migrationsprobleme – also lösen wir sie: Jeder, der bei uns leben will, muss als Voraussetzung Deutsch lernen. Und unsere Kultur und unser Rechtssystem anerkennen. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist bei uns selbstverständlich. Oder sollte es zumindest sein. Genauso wie der Respekt vor gleichgeschlechtlich Liebenden. Wer das nicht anerkennt und nicht voll mitträgt, ist nicht willkommen.

    Die Teuerung hat vielen Menschen zu schaffen gemacht. Das müssen wir lösen. Genauso wie den Sozialstaat und das Gesundheitssystem und die Pflege zukunftsfit machen. Das wird nicht mit alten Rezepten gehen.

    Wir haben ein Thema mit der Produktivität. Lassen Sie uns offen und ideologiefrei über ein positives Bild von Wirtschaft und die grundsätzliche, ich nenne es einmal, Anstrengungsbereitschaft sprechen: Wir haben so viele fleißige Menschen in Österreich, die unser Land jeden Tag ein Stück besser machen. Was erwarten wir als Gemeinschaft an Anstrengungsbereitschaft von jedem einzelnen?

    Das Pensionssystem ist so nicht zukunftssicher. Dann müssen wir eben neue Lösungen finden und über den Tellerrand hinausschauen. Und ja: ich würde sagen, es wird Beiträge von uns allen brauchen, auch von der Wirtschaft.

    Der Krieg vor unserer Haustür als Folge der russischen Aggression gegen die Ukraine geht unvermindert weiter im dritten Jahr. Wir brauchen eine neue, wirkungsvolle Verteidigungspolitik, die unsere Heimat schützt. Eine gemeinsame, eine europäische. Und eine Diplomatie, die Frieden forciert.

    Unser Bildungssystem muss ein zentraler Baustein werden, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Wir brauchen schnell neue Antworten.

    Bei der Gleichberechtigung müssen wir weiterkommen. Also, setzen wir endlich flächendeckend ganztägige Kinderbetreuung in Österreich um. Das Potenzial von Frauen im Arbeitsmarkt ist unverzichtbar, wird aber erst dann voll genutzt werden können, wenn auch die Männer ihren Anteil an der Care-Arbeit übernehmen.

    Wir müssen auch einen Weg finden, unsere Industrien so zu transformieren, dass sie wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen bringen.

    Europa braucht ein neues, starkes, gemeinsames Bild seiner Zukunft. Was soll dieses, unser Europa, in 10 Jahren sein? Und wir brauchen europäische Projekte, an denen man unsere gemeinsame Stärke auch sieht.

    Erst wenn wir diese Probleme klar ansprechen und verstehen. Erst, wenn wir erkennen, dass sie nicht von selbst verschwinden. Erst, wenn wir anerkennen, dass es Anstrengung brauchen wird, sie zu lösen und dass wir dazu neues Denken benötigen:

    Dann kann es gelingen. Und dann wird es auch gelingen.

    All die angesprochenen Themen wird natürlich auch eine neue Bundesregierung anzugehen haben. Sie muss dabei neue Wege gehen müssen. In der Herangehensweise, im Stil und im Ergebnis.

    Meine Damen und Herren, ich sage nicht, dass wir es schon schaffen werden.

    Aber was ich sage, ist: Wir können es schaffen. Wir können es schaffen, wenn wir die Ärmel hochkrempeln und beginnen, unsere Aufgaben zu machen.

    Wir können es schaffen, wenn wir alle über uns hinauswachsen.

    Wir alle, damit meine ich uns Österreicherinnen und Österreicher, und alle Menschen die hier leben.

    Aber natürlich ganz konkret auch die Politik, die Parteien, Abgeordneten, Landeshauptleute, Bürgermeister, Gemeinderätinnen. 

    Die Vertreter der Arbeitnehmerseite genauso wie die Vertreter von Wirtschaft und Industrie. 

    Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Hunderttausenden Ehrenamtlichen in unserem Land.

    Lassen Sie uns gemeinsam an Lösungen arbeiten, die unser Land weiterbringen, Lösungen, die allen Menschen in Österreich eine gute Zukunft ermöglichen.

    Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.
    Ihr Alexander Van der Bellen.

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