"Lercher-Kurs"
Neuer steirischer SPÖ-Chef will Partei neu aufstellen
Der zukünftige SPÖ-Vorsitzende in der Steiermark Max Lercher steht vor der Aufgabe, die Partei neu ausrichten. Er gibt einen "Lercher-Kurs" vor.
Nach der Wahlschlappe seines Vorgängers Anton Lang am 24. November und dem erstmaligen Verlust der Regierungsbeteiligung in der Steiermark muss der designierte steirische SP-Chef Max Lercher seine Partei neu aufstellen und will künftig einen "Lercher-Kurs" vorgeben. Zuvor wird allerdings noch Ursachenanalyse betrieben: "Wir wollten uns aussuchen, was die wirklichen Probleme der Menschen sind. Die definieren aber die Steirerinnen und Steirer", sagte er selbstkritisch im APA-Gespräch.
"Eigentlich schon am Weg aus der Spitzenpolitik raus"
Lercher zufolge kam die Entscheidung, dass er nun der neue Partei-Chef in der Steiermark werden soll – die Mitgliederabstimmung steht ja noch aus – überraschend. Eigentlich sei Lercher ja schon "am Weg aus der Spitzenpolitik raus" gewesen. Die Entscheidung, dass er jetzt den Vorsitz übernehmen soll, begründet der gebürtige Obersteirer damit, dass die SPÖ in die Opposition muss.
Nach Lerchers Ansicht wäre Lang ein guter Koalitionspartner von Wahlsieger Mario Kunasek (FPÖ) gewesen, aber für die Opposition sei sein Vorgänger nicht gemacht. Er dagegen bringe auf dem Gebiet Erfahrung aus dem Bund mit. Dass Lercher mehr Ecken und Kanten als Lang hat sowie als markiger Redner auftrumpfen kann, ist auch außerhalb der Partei kein Geheimnis.
Weder Doskozil- noch Babler-Kurs
Der 38-Jährige, der bei der Bundesparteiabstimmung ein Anhänger von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil war und kein ausgewiesener Fan des nun amtierenden Partei-Chefs Andreas Babler ist, will für die Steiermark weder einen Doskozil- noch einen Babler-Kurs. Er definiere sich über den "Lercher-Kurs". Die SPÖ müsse erkennen, wie sie sich ändern muss:
"Wenn die Freiheitlichen 35 Prozent in der Steiermark machen und uns die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Frauen und die Pensionistinnen und Pensionisten nicht mehr mehrheitlich wählen, dann finde ich, habe ich die Verantwortung, zuallererst vor der eigenen Haustüre zu kehren und nachzudenken, ob wir immer überall richtig lagen. Wir haben wieder zuzuhören und hinzublicken in Bereiche, wo wir vielleicht da oder dort weggeschaut haben.“
"Über Fokus nachdenken"
Die SPÖ habe das Wahlergebnis verstanden. Man müsse die Sorgen und Nöte wieder zum politischen Programm machen: "Und das kann man sich nicht aussuchen. Das wollte die Politik aber oftmals", meinte Lercher kritisch. Die Sozialdemokratie müsse "über ihren Fokus nachdenken" und dieser sei bei den Erwerbstätigen zu finden.
"Wir wurden als eine Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegründet. Der Fokus muss dort in die Lebensrealität hinein." Der Neo-Vorsitzende ist überzeugt, dass sich viele Arbeitnehmer auch eine Koalition zwischen FPÖ und SPÖ gewünscht haben. Solche Signale habe er auch aus der freiheitlichen Basis nach dem Wahlergebnis empfangen. Daher sei Lercher nun verwundert, dass sich die FPÖ so auf die ÖVP fokussiert habe.
Abrechnung mit der ÖVP
Lercher bezweifelt, dass der versprochene "neue politische Stil" nun komme. Es werde sich zeigen, ob die FPÖ gegen die "ÖVP-Parteibuchwirtschaft" ankomme. Man sehe, dass es der Volkspartei – wohlgemerkt "nicht bei allen Politikerinnen und Politikern" der Fraktion – am Ende "immer um Macht und Posten geht, vor allem, wenn die Bünde etwas wünschen. Und da sind sie skrupellos. Das ist etwas, was unglaublich bremst, auf allen Ebenen in Österreich. Der gemeinsame Nenner jedes Stillstands ist letztlich doch die ÖVP", ging der neue Parteivorsitzende hart mit dem ehemaligen Koalitionspartner ins Gericht.
"Die SPÖ ist zum Teil schon so, wie wir sind, weil wir schon so lange mit der ÖVP koaliert haben in einigen Bereichen – nicht immer unerfolgreich: Ich möchte nicht wegreden, was uns gelungen ist, aber man weiß, wie hart sie in der Macht und Postenpolitik sind." Als Beispiel nannte er Lercher den Umgang mit Christopher Drexler.
"Halte mich auf Bundesebene zurück"
Dass die SPÖ nun auf Bundesebene wieder Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP (und NEOS, Anm.) führt, sei ihm klar: "Aber ich halte mich bei der Bundesebene bewusst sehr zurück." Ob die Koalition dort stattfinden werde, wird man sehen. Zuletzt hatte sich Lercher von sämtlichen bundespolitischen Aufgaben zurückgezogen. Ihm zufolge habe das mit Glaubwürdigkeit zu tun: "Diese ist mir wichtig für meine Bewegung und für mich selbst."
Auf die steirischen Gemeinderatswahlen Ende März angesprochen, meinte der 38-Jährige, übrigens ähnlich wie die neue ÖVP-Chefin Manuela Khom, dass er sich da wenig Sorgen mache: "Wir haben sehr engagierte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister." Außerdem seien diese Wahlen wieder "komplett neu zu bewerten", denn die Menschen wüssten, wen sie auf Gemeindeebene wählen.
Position zum Leitspital Liezen
Beim vorgelegten Regierungsprogramm von FPÖ und ÖVP fehlen Lercher die "konkreten Lösungen". Es sei oft das Wort Evaluierung zu finden, Forderungen an die Bundesregierung und Vertagungen von wichtigen Entscheidungen: "Da fehlt mir noch ein bisschen die Substanz". Daher habe man auch im Landtag nicht zugestimmt. Beim geplanten Leitspital im Bezirk Liezen sagte der neue SPÖ-Chef offen: "Ich bin nie ein Freund dieses Projekts gewesen." Lercher glaubt, dass sich alles, was in der Gesundheitspolitik falsch laufe, in der Diskussion um das Leitspital entlade. "Das Leitspital wurde abgewählt. Zu dem stehe ich."
Bei den anderen Vorhaben der neuen Landesregierung gab sich Lercher zurückhaltend. Er wolle erst abwarten, was dann in welcher Form tatsächlich umgesetzt wird. "Wir werden dann bewerten, ob es sinnvoll ist. Wenn es etwas bringt, um den Problemen zu begegnen, sind wir definitiv verhandlungsbereit." Hinter dem "Kopftuchverbot" in der Landesverwaltung wie auch bei anderen Vorhaben sehe er aber viel Symbolpolitik.
Der Bezahlkarte für Asylwerber sei er ebenso wie sein Vorgänger Lang nicht abgeneigt. Beim Thema Anpassung der Sozialhilfe für kinderreiche Familien kritisierte Lercher, dass in der Steiermark das Wiener Modell bei der Diskussion herangezogen werde, doch in der Grünen Mark sei bereits ein degressives Modell bei der Mindestsicherung eingeführt worden.
Abschaffung der Leerstandsabgabe sei zu wenig
Bei der Beibehaltung von Sonderschulen, um die es in den vergangenen Tagen schon Aufregung und Kritik von Vertretern von Menschen mit Beeinträchtigung gab, wollte Lercher vorerst keine Stellung beziehen. Er möchte sich zuerst mit den Leuten, die das vor Ort umsetzen, sprechen. Erst danach wolle er seine Meinung dazu deffinieren. Klarer war dagegen seine Position bei der Leerstandsabgabe, die laut Regierungsprogramm wieder fallen soll:
"Die Umsetzung darf man ja da oder dort kritisieren, auch den bürokratischen Aufwand einer Leerstandsabgabe, denn es traf ja wieder die Gemeinden in der Umsetzung. Einige jubeln deswegen nun, aber es war auch ein Instrument für Einnahmen für die Gemeinden und Städte und um Wohnraum zu aktivieren. Aber ganz ehrlich, wo sind die Ansätze für leistbares Wohnen?" Hier werde es Maßnahmen brauchen. Die Leerstandsabgabe abzuschaffen, sei zu wenig.
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Auf den Punkt gebracht
- Der zukünftige steirische SPÖ-Vorsitzende Max Lercher plant, die Partei nach der Wahlniederlage seines Vorgängers Anton Lang neu auszurichten und einen eigenen "Lercher-Kurs" zu verfolgen.
- Er betont die Notwendigkeit, die Sorgen und Nöte der Menschen wieder in den Mittelpunkt der politischen Arbeit zu stellen und kritisiert die bisherige Zusammenarbeit mit der ÖVP sowie die fehlenden konkreten Lösungen im Regierungsprogramm von FPÖ und ÖVP.