Der letzte Teil des sechstägigen Orgien-Mysterien-Theaters von Hermann Nitsch wird im Juni 2025 gezeigt.
Foto FEYERL
Es war sein letzter Wunsch. Der 2022 verstorbene Maler und Aktionskünstler Hermann Nitsch sorgte zeitlebens, wegen seiner Schüttaktionen mit Tierblut und zuletzt auch wegen einer Steueraffäre, immer wieder für Aufregung – jetzt soll es noch einmal das Orgien-Mysterien-Theater (O. M. Theater) geben, mit viel Blut und Wein.
Vom 7. bis 9. Juni 2025 werden die letzten drei Tage des insgesamt sechstägigen Schauspiels in einer erweiterten Fassung stattfinden. Nitsch wollte, dass das Schloss Prinzendorf, in dem der Künstler mit seiner Frau Rita Nitsch lebte, auch nach seinem Tod der zentrale Aufführungsort seines Aktionstheaters bleiben soll.
"Es wird echtes Blut beim 6-Tage-Spiel verwendet. Die Opfertiere werden aber im Schlachthof geschlachtete und angeliefert. Rund 10.000 Liter Wein stehen für das Spiel bereit", sagt Anna Berlin, Sprecherin der Nitsch Foundation gegenüber "Heute". Wie viel Blut genau verwendet wird, wolle man nicht in Zahlen gießen, ergänzt sie.
Dreimal im Knast
Rückblick in die 1960er-Jahre: In Wien, in einem Keller, sorgte Nitsch erstmals für Skandale. Die ersten Wühl- und Schüttaktionen mit Tierblut und Gedärmen brachten Nitsch mehrmals ins Gefängnis.
Insgesamt dreimal saß der Künstler ein, blieb aber seinem Anliegen bis zu seinem Lebensende treu: Es ging ihm um die Auseinandersetzungen mit der Leiblichkeit, um die eindrucksvolle Steigerungen von Sinnlichkeit, letztendlich aber auch die Infragestellung von Ekel, bei Menschen, die sehr gerne Fleisch essen, aber vorgeben, Tiere nicht selbst zu töten.
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Getty Images, Sabine Hertel
Bewusstseinserweiterung mit Blut
Sich in einen geschlachteten Stier hineinzustellen, die Wärme zu spüren, das ist auf jeden Fall eine Grenzerfahrung. Hunderte Liter Blut, Organe, eine Orgie des Organischen, dann auch der Wein und die Verköstigung mit Weinviertler Spezialitäten.
Einige Gäste sprachen in der Vergangenheit schon von psychedelischen (bewusstseinserweiternde, Anm.) Erfahrungen, die das mehrtägige Dabeisein bei ihnen ausgelöst haben soll.
Zurück in die Zukunft: Etappenweise wird die 160. Aktion des Künstlers gezeigt, den das Kirchenblatt "Furche" treffender Weise schon einmal als "Prediger der Leibhaftigkeit" bezeichnete.
Noch im selben Jahr als Nitsch verstarb, wurden die ersten beiden von insgesamt sechs Tagen des O. M. Theaters gezeigt, 2023 dann der dritte Tag – er war dem Gott Dionysos, dem Symbol für Wein, Freude, Fruchtbarkeit und Ekstase, gewidmet. Im Juni folgt nun der letzte Teil.
"Und es ist das letzte Mal, dass das Opus Magnum von Hermann Nitsch gezeigt wird. Nur ein einziges Mal, 1998, ist die 6-tägige Aktion ganz ausgeführt worden", sagt Sprecherin Anna Berlin zu"Heute". Nicht immer werde das verstanden.
Proteste und pingelige Anweisungen
Zuletzt kam es 2023 zu einer Kundgebung vor dem Nitsch-Museum im niederösterreichischen Mistelbach, wegen angeblicher "Glorifizierung von Sodomie, Blasphemie, Vergewaltigung, Mord und Pädophilie" in Nitschs Texten.
Tatsächlich hinterließ der Künstler auch zum Orgien-Mysterien-Theater eine fast 1000-seitige Niederschrift mit "minutiösen Handlungsanweisungen, um Aufführungen in seinem Geiste auch posthum zu ermöglichen", schreibt die Nitsch Foundation in einer aktuellen Presseaussendung.
"Orgiast" mit Orchesterbegleitung
Rita Nitsch realisiere nun das visionäre Werk zu Pfingsten, gemeinsam mit dem italienisch-britischen Künstler Andrea Cusumano, der die Leitung des begleitenden Orchesters mit über 100 Musikern übernehmen soll.
Der Adoptivsohn von Nitsch, Leonhard Kopp, der "von klein auf mit dem O.M. Theater vertraut ist, führt gemeinsam mit Frank Gassner, einem langjährigen Mitarbeiter des Künstlers, Regie", schreibt die Nitsch Foundation weiter. Insgesamt sollen weitere 60 Personen als Darsteller bei der Aktion auftreten. "Man kann sich dafür auch noch melden", sagt Anna Berlin.
Das ist aber nicht alles. Der "Orgiast" Nitsch war zu Lebzeiten bekannt dafür, Wein und gutem Essen große Wertschätzung entgegenzubringen, weshalb Essen und Trinken während der drei Tage nicht zu kurz kommen werden.
"Die Küche leitet in bewährter Weise der Künstler Paul Renner. Die Weine kommen aus dem niederösterreichischen Weingut Michael Martin", heißt es von der Nitsch Foundation.
Prägender österreichischer Künstler
In Österreich zählt der 1938 geborene Hermann Nitsch zu den prägendsten Künstlern der Nachkriegszeit. Er gilt als Mitbegründer des Wiener Aktionismus und wollte in seiner Kunst Provokation und spirituelle Tiefe vereinigen, was ihm häufig heftige Kritik wie auch Bewunderung einbrachte.
Heute hängen die Werke des Wahlniederösterreichers im Museum of Modern Art in New York, im Centre Pompidou in Paris, im Castello di Rivoli in Turin, aber auch im Lenbachhaus in München und hierzulande in der Albertina und im Belvedere in Wien.
Wenn man aber dem "Leibhaftigen" noch einmal auf eindringliche Art begegnen möchte, in einer "Konfrontation mit den Urkräften des menschlichen Daseins" (Nitsch Foundation), dann dürfte das Orgien-Mysterien-Theater im Schloss Prinzendorf die vorerst beste und vermutlich letzte Möglichkeit dazu sein – "Reflexion und Katharsis" inklusive.
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