Der Autoanschlag auf eine Demonstration der Gewerkschaft Verdi in München mit mehr als 30 Verletzten war nach vorläufiger Bewertung der Ermittler doch islamistisch motiviert. Der 24-jährige Beschuldigte habe in einer Vernehmung Äußerungen getätigt, die auf "eine religiöse Tatmotivation" schließen ließen, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann am Freitag in München. Hinweise auf eine Einbindung in extremistische Organisationen gebe es aber nicht.
Das Bild, das die Verantwortlichen in dieser Causa abgeben, ist äußerst fragwürdig. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach kurz nach der Tat von einem "Anschlag". Später am Donnerstag musste Söder aber einräumen, dass den Ermittlern keine Hinweise zu einem islamistischen oder extremistischen Hintergrund vorliegen würden.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte vor den Journalisten zudem, dass der Täter polizeibekannt wäre. Es wurde erklärt, dass er durch Ladendiebstähle und Drogendelikte auffällig geworden war. Zudem wurde impliziert, dass er längst hätte ausreisen müssen und somit "ausreisepflichtig" gewesen sei.
Auch die Aussage Herrmanns, dass der Afghane bereits polizeibekannt war, entsprach nicht ganz den Tatsachen. In früheren Ermittlungsverfahren tauchte der Name des Mannes zwar auf, jedoch war er im Zuge seiner vorherigen Tätigkeit als Ladendetektiv lediglich als Zeuge angeführt. In einem ZDF-Interview bestätigte Söder, dass kleinere Verfahren gegen N. eingestellt wurden. Somit sei er nicht vorbestraft.
Bei dem Vorfall wurden 36 Personen verletzt, das bestätigte Polizeipräsident Christian Huber am Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz. Diese Zahl könne sich aber noch erhöhen. Zwei Personen, darunter ein Kind, wurden schwer verletzt.
Auch das Handy des Täters werde weiter untersucht, das habe bereits teilweise in der Nacht stattgefunden. "Wir konnten eine gewisse islamistische Ausrichtung feststellen", ergänzt Polizeivizepräsident des Landeskriminalamtes Bayern, Guido Limmer. Zudem habe man in einer Nachricht an einen Angehörigen die Worte "vielleicht bin ich morgen nicht mehr da" gefunden.
Es gebe derzeit keine Anhaltspunkte für einen möglichen Mittäter. Ein Arbeitskollege des mutmaßlichen Täters meinte, dieser sei "gestern etwas durch den Wind gewesen", erklärt Limmer.
Der Beschuldigte war laut der leitenden Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann auf Instagram aktiv, bezeichnete sich dort als Athlet, Bodybuilder und Fitnessmodell. "Er postete verschiedene Beiträge, die auch religiösen Bezug hatten – unter anderem beispielsweise ein Post wo er schrieb 'Oh Allah, beschütze uns alle'." Auch in Whatsapp-Chats habe er sich religiös geäußert.
Nach der Tat hat der Beschuldigte gegenüber den Polizisten "Allahu Akbar" geäussert. Und: Im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung habe der Täter am Donnerstag Angaben gemacht. "Er hat eingeräumt, bewusst in die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Demonstrationszugs gefahren zu sein. Er hat dafür eine Begründung genannt, die ich jetzt mal als religiöse Motivation zusammenfassen werde", so Tilmann.
"Ich würde mich, Stand jetzt, schon trauen, von einer islamistischen Tatmotivation zu sprechen", schliesst die Oberstaatsanwältin. Man habe derzeit jedoch keine Anhaltspunkte, dass er Teil einer islamistischen Organisation – wie etwa dem IS – gewesen sein soll. Der Täter werde am Freitagnachmittag dem Haftrichter vorgeführt.