Drahtzieher auf der Flucht

Ein Mann, viele Gesichter – er ist Kopf von Balkan-Clan

Seit 2021 ergaunert eine Roma-Bande aus Wien mit dubiosen Tricks Millionen Euro. Der Clan hat für die österreichische Polizei nun auch ein Gesicht.

Ein Mann, viele Gesichter – er ist Kopf von Balkan-Clan
Ein österreichischer Staatsbürger überließ bei mehreren – teils brutalen – Coups nichts dem Zufall.
Unsplash / LPD Wien

Die "Rip Deal Unit Vienna" der Wiener Polizei ermittelt seit bereits drei Jahren mit internationalen Behörden gegen mehrere Personen eines Roma-Clans – "Heute" berichtete. Der Schaden beläuft sich auf mehrere Millionen Euro – jüngst geht die Balkan-Mafia immer brutaler vor. Und erstmals gibt es auch eine öffentliche Fahndung nach einem der mutmaßlichen Hinterleute.

Was ist ein Rip-Deal?
Bei einem Rip-Deal wird dem Opfer vorgegaukelt, man sei am Erwerb hochpreisiger Gegenstände interessiert, die es zuvor im Internet inseriert hat. Dabei handelt es sich um klassische Luxusgüter – angefangen von der goldenen Rolex, bis hin zu hochpreisigen Fahrzeugen, Immobilien, Kryptowährungen und Yachten. Aber nicht nur Gegenstände, auch vermeintliche Geschäfte miteinander sollen die Opfer anlocken.

Die Tätergruppe agiert immer gleich: Die Opfer werden zu teuren Auslandsreisen eingeladen und dabei hofiert. Am Flughafen stehen in der Regel Luxusfahrzeuge inklusive Chauffeur bereit. Anschließend werfen die Täter mit dem Geld um sich, um das Vertrauen zu gewinnen.

Ein Rückblick – erste Coups 2021 in Tirol und Wien

Die Tiroler Polizei wurde zunächst im Juli 2021 auf die Bande aufmerksam, damals soll der Balkan-Clan ein Opfer mit einer Waffe bedroht haben. Zuvor wollte dieses vor der Abwicklung eines Schutzmasken-Deals einen Rückzieher machen. Die Bande raubte laut Polizei zahlreiche Goldmünzen. Die Beute lag im niedrigen sechsstelligen Eurobereich.

Im August 2021 kam es noch fieser, diesmal in Wien. Ein Pensionist (84) erstattete Anzeige, denn ein vermeintlicher Vermittler sollte dem alten Mann dabei helfen, sein Ferienhaus zu verkaufen. Als er den Deal abblasen wollte, wurde er eiskalt bestohlen. Der Schaden liegt auch hier im unteren sechsstelligen Eurobereich.

Falschgeld-Betrug in Verona, Krypto-Coup in Brüssel

Ein halbes Jahr später, im Februar 2022, schlug die Bande in Verona (Italien) zu: Ein Tiroler (heute 40 Jahre) überreichte dem falschen Immobilien-Agenten für die Vermittlung seiner Wohnung eine Provision von rund 50.000 Euro. Doch für die Wohnung bekam er letztendlich nur Falschgeld in unteren sechsstelligen Eurobereich.

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Es verging fast ein Jahr, ehe ein 34-jähriger Mann im Jänner 2023 die Ermittler kontaktierte. Ein "Scheich" gab an, in seine Luxusuhren investieren zu wollen. Nach mehreren Treffen in verschiedenen Ländern soll der Clan dem Mann in Brüssel Luxusuhren und Kryptowährungen unter falschen Versprechungen herausgelockt haben. Auch hier sprechen die Ermittler von einer Schadenshöhe von etwa 500.000 Euro.

Brutale Raubzüge in Mode-Metropole Mailand

Im März 2023 versprachen die Gauner, Kryptowährungen eines 27-jährigen Wieners mit Bargeld aufzukaufen. Das "Grande Finale" endete in Mailand (Italien) brutal: Ein Bandenmitglied soll plötzlich eine Waffe gezogen und den Wiener eiskalt gezwungen haben, seine Passwörter für die Kryptokonten preiszugeben. Laut Polizei entstand auch bei diesem Rip-Deal ein Schaden im unteren siebenstelligen Bereich.

Wenige Tage später der nächste Coup, wieder in Mailand: Ein Salzburger (60) erstattete Anzeige bei der Polizei – auch er soll dem Balkan-Clan zum Opfer gefallen sein. Vor einer angeblichen Investition einer Firma aus Luxemburg solle der 60-Jährige eine "Sicherheitszahlung" leisten. Einer der Betrüger attackierte den Salzburger aber mit einem Schlag gegen die Brust und raubte Bargeld im unteren sechsstelligen Eurobereich.

3.000 Euro Kopfgeld für Martin Marinkovic ausgeschrieben

Ermittlungen der österreichischen Polizei tragen nun erste Früchte: Bei einem der mutmaßlichen Drahtzieher handelt es sich nämlich um Martin Marinkovic, geboren am 11. Februar 1986. Der 38-jährige österreichische Staatsbürger steht unter dringendem Verdacht, hinter zahlreichen Rip-Deals mit einer Gesamtschadenshöhe von über zwei Millionen Euro zu stecken. Marinkovic steht mittlerweile auf allen internationalen Fahndungslisten – gegen ihn gibt es bereits einen europäischen Haftbefehl.

Polizei fahndet nach Martin Marinkovic (38)

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    Die Wiener Polizei fahndet nach dem 38-jährigen Martin Marinkovic.
    Die Wiener Polizei fahndet nach dem 38-jährigen Martin Marinkovic.
    LPD Wien

    Interessant: Bei der dubiosen Betrugsmaschine überließ der Österreicher offensichtlich nichts dem Zufall, änderte im Laufe der Zeit mehrmals sein Aussehen. Der Aufenthaltsort des 38-jährigen Martin Marinkovic ist der Polizei derzeit noch unbekannt. Nun bittet die Wiener Polizei um Hilfe und veröffentlicht über die Anordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck Lichtbilder des Tatverdächtigen.

    Für Hinweise, die zur Festnahme des 38-Jährigen führen, bietet ein polizeilicher Verein 3.000 Euro an. Hinweise werden streng vertraulich behandelt und – auch anonym – an das Landeskriminalamt Wien (Rip Deal Unit Vienna) unter der Telefonnummer 01-31310-62510 erbeten.

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