Viele Menschen sitzen von morgens bis zum späten Nachmittag vor einem PC-Bildschirm, abends ersetzt das Smartphone den großen Screen. Beide strahlen helles, sogenanntes Blaulicht aus – und viele Brillenläden machen ein lukratives Geschäft daraus. Sie bieten Brillen mit oder ohne Sehstärke mit zusätzlichem Blaulichtfilter vor genau diesem hell strahlenden Störenfried an. Zwischen 20 und 200 Euro zusätzlich zahlt man für das Upgrade. Doch braucht es das überhaupt? Augenarzt Sven Hirsch-Hoffmann findet: nein.
Herr Hirsch-Hoffmann, welche Gefahren für unsere Augen gehen von Blaulicht aus?
Auch wenn man täglich mehrere Stunden vor dem PC verbringt: kaum welche. Die Lichtmenge, die von einem Computer ausgeht, ist sehr gering. Das blaue Licht, das die Sonne ausstrahlt, ist da weitaus gefährlicher.
Das heißt, im digitalen Zeitalter bekommen wir eigentlich weniger Blaulicht ab als früher?
Ja, ein x-Faches davon, als man noch vorwiegend draußen gearbeitet hat.
Sollte man dann eher dort, zum Beispiel auf dem Bau, eine Brille mit Blaulichtfilter tragen?
Besser wäre eine Sonnenbrille, weil das grelle Licht der Sonne der Netzhaut schaden kann. Einen UV-Schutz haben aber heutzutage beinahe alle Brillen eingebaut. Der Anteil an Blaulicht ist dann vernachlässigbar.
Also können wir die Gefahr vergessen?
Nicht ganz. Das zusätzliche Blaulicht vom Computer oder Smartphone stört den Tag-Nacht-Rhythmus. Typischerweise wird Melatonin produziert, sobald das blaue Licht wegfällt und wir werden müde. Heute stören wir diesen Prozess. Bildschirme halten uns künstlich wach, bis wir zum Beispiel vor dem TV einschlafen. Das führt langfristig zu einer chronischen Übermüdung mit entsprechenden Gefahren, etwa im Straßenverkehr.
Hilft eine Brille mit Blaulichtfilter da?
Ein wenig, aber auch nicht mehr als der Nightshift-Modus am Handy. Auch die meisten Betriebssysteme am Computer haben eine entsprechende Einstellung. Der Effekt bleibt dabei gering – vergleichbar mit dem Fall, wenn der Kaffee am Morgen etwas weniger stark wäre. Sinnvoller wäre es aber, sich früher von den Geräten zu trennen und etwa ein Buch mit einer warmen Lichtquelle zu lesen.
Bei den gängigen Modellen kannst du den Nightshift-Modus in einem bestimmten Zeitrahmen oder von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang einplanen.
Iphone: In den Einstellungen findest du den Modus unter Anzeige und Helligkeit unter Nightshift.
Mac: Gehe zu Einstellungen, Displays und wähle unten rechts Nightshift aus.
Samsung: Wische vom oberen Bildschirmrand nach unten, um die Schnelleinstellungsleiste zu öffnen. Halte das Dark Mode-Symbol getippt, um zu den Einstellungen zu gelangen. Tippe dann auf Zeitplan festlegen.
Windows: Wähle Start aus, dann in den Einstellungen System, dann Anzeige – hier findest du die Option Nachtlicht.
Was ist dran am Mythos, dass Blaulichtbrillen weniger müde Augen machen?
Sie machen eher weniger trocken. Durch Blaulicht neigen wir dazu, zu starren und die Augen jeweils lange geöffnet zu halten. Das trocknet sie aus. Bei weniger Blaulichteinfall werden wir früher müde, beginnen mehr zu blinzeln und sind weniger lang an den Geräten.
Wenn mich der Optiker zu Brillengläsern mit Blaulichtfilter überreden will, kann ich also ablehnen?
Meiner Meinung nach, ja. Wenn sich jemand am Abend partout nicht vom Computer oder Handy lösen kann, mag es helfen – für die Augengesundheit spielt es aber keine Rolle.
