Insider packen aus
"Dann crasht es": So steht es wirklich um die Ampel
Wie die Anhänger von Bablers reiner Lehre im Wirtschaftskapitel bremsen und Christoph Wiederkehr zum pinken "Ozzy Osbourne" wird.
Ist der Ampel-Schaden schon an Tag neun der Koalitions-Verhandlungen angerichtet? Nach der Erhöhung der Beamten-Gehälter (im Schnitt plus 3,5 Prozent) hängt der türkis-rot-pinke Haussegen schief. Die Neos sind stinksauer, dass sie in die Entscheidung nicht eingebunden waren, forderten ein klärendes Gespräch. Kanzler Karl Nehammer, SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger trafen sich nun am Mittwoch zur Aussprache.
Doch wie ist es – achteinhalb Wochen nach der Nationalratswahl – tatsächlich um die "Austro-Ampel" bestellt? "Heute" hörte sich hinter den Kulissen um. Mehr als 200 Verhandler sehen derzeit sehr viel gelb und rot – nur in einzelnen Clustern herrscht grüne Welle.
Ampelsystem für die Verhandler
Grund dafür: Bei den Verhandlungen werden Punkte, auf die man sich einigen konnte, grün markiert. Themenfelder, die man vorerst vertagen möchte, schaltet man auf gelb. Was rot – also ohne Einigung – bleibt, wandert in die Steuerungsgruppe der Chefs, wo auch die Granden der Sozialpartner sitzen. Dort sollen diese heißen Kartoffeln dann ab dem 12. Dezember (hier will man Zwischenbilanz ziehen) diskutiert werden.
"Sicherheit und Migration" macht Meter
Der Fortgang der Gespräche ist je nach Cluster höchst unterschiedlich. Sehr gut läuft es etwa im Bereich "Sicherheit, Migration und Integration", wo man schon vieles außer Streit stellen konnte. "Wir wissen nicht erst seit dem Wahlergebnis in der Steiermark, dass sich die Österreicher hier große Würfe erwarten. Außerdem haben alle drei Parteien äußerst pragmatische Verhandlungsführer entsandt", sagt ein Teilnehmer "Heute". Gut läuft es auch bei äußerer Sicherheit und EU, hier soll Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler gut vorankommen.
Sand im Getriebe ist dafür im Wirtschafts- und Finanzkapitel. Hier liegen die drei Parteien teils meilenweit auseinander. Auf pragmatische Verhandler wie Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke, ÖVP-Urgestein Karlheinz Kopf oder Neos-Mann Nikolaus Scherak treffen Anhänger der "reinen linken Lehre", wie es gegenüber "Heute" genannt wird. Hier sitzen etwa die Babler-Vertrauten Julia Herr, Michaela Schmidt, Kai Jan Krainer und Gewerkschafter Reinhold Binder.
"In diesem Cluster sind wir mit mühseligster Wortklauberei beschäftigt, für die SPÖ ist zum Beispiel das Wort 'Entlastung' ein rotes Tuch – sie halten es für einen neoliberalen Kampfbegriff", schüttelt ein Parteigrande den Kopf.
"Dann crasht es ..."
Umgekehrt wiederum wirkt die Neos-Forderung nach einer massiven Senkung der Lohnnebenkosten – jahrelange Forderung der Liberalen – für die Sozialisten "wie eine Provokation". Ein Spitzen-Schwarzer will zum jetzigen Zeitpunkt nicht über Detailfragen sprechen, sagt aber: "Wir können bei Migration, Sicherheit, Leistung und Standort einfach nicht nachgeben. Wenn die SPÖ hier nicht aufmacht, dann crasht es ..."
Wo man den Roten entgegenkommen könne? "Etwa beim Wohnthema, bei Bildung; vieles im Infrastrukturbereich sehen wir auch ähnlich."
Deutlich mittiger nimmt man seit geraumer Zeit Parteichef Babler bei ÖVP und Neos wahr: "Scharfmacher sind jetzt andere." Konkret genannt wird die Gruppe um Julia Herr, die sich mit Einsparungen im System nicht zufriedengeben, unbedingt auch einnahmenseitig agieren wollen und zudem beim Thema Klima- und Umweltschutz manche Ampel-Männer an das Vorgehen Leonore Gewesslers erinnert.
Immer mehr zum pinken Ozzy Osbourne ("I'm a dreamer") scheint sich Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr zu entwickeln. Trotz verheerender Bilanz in Wien sieht sich Meinl-Reisingers Vize laut Verhandlern dazu berufen, sein Bildungskonzept für ganz Österreich einzufordern.
"Chauffeure für Lehrer?"
Ein Ampel-Insider schüttelt den Kopf: "Wiederkehr will trotz Budgetdefizits Milliarden zusätzlich für Bildung ausgeben. Alleine seine Vorstellungen für die Elementarpädagogik kosten Unsummen – sogar das Sicherheitskapitel wäre günstiger. Kein Bürgermeister wird einen Kindergarten bauen, um den Eltern in zwei Jahren sagen zu müssen, dass er ihn wieder zusperren muss. Das überlebt kein Ortschef – und der kann sich dann nicht in ein Ministeramt flüchten wie Herr Wiederkehr."
Der Budgetdienst des Parlaments taxiert seine Pläne (Gratis-Mittagessen, Diensthandys für Lehrer, Gehaltsanpassungen und Schulpsychologen etc.) auf rund drei Milliarden Euro an Kosten. "Was ist das nächste: Chauffeure für Lehrer?", fragt ein Ohrenzeuge sarkastisch.
Crasht die Ampel?
Crasht die Ampel also, bevor sie auf "freie Fahrt" geschaltet wurde? "Aber geh, es geht um Posten und Ämter. Nehammer und Babler sind Geschichte, wenn nichts daraus wird", bringt es ein hochrangiger Parteistratege auf den Punkt. Und die Neos? "Die erkaufen sich das nur teuer ..."
Die Austro-Ampel beginnt mit Regierungsgesprächen
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Auf den Punkt gebracht
- Die Koalitionsverhandlungen der "Austro-Ampel" zwischen ÖVP, SPÖ und Neos stehen unter erheblichem Druck, insbesondere nach der Erhöhung der Beamtengehälter, die ohne Einbindung der Neos beschlossen wurde.
- Während in Bereichen wie Sicherheit und Migration Fortschritte erzielt werden, gibt es im Wirtschafts- und Finanzkapitel erhebliche Differenzen, die die Verhandlungen ins Stocken bringen und die Stabilität der Koalition gefährden könnten.