Kickls Kanzler-Programm
Blau-schwarze Regierung – das kommt auf Österreich zu
FPÖ-Chef Kickl wird Verhandlungen mit der ÖVP starten. "Heute" zeigt, was Kickl auf der Agenda hat, von Asyl bis Jobmarkt. Und wie die ÖVP dazu steht.
Binnen nicht mal einer Woche hat sich die politische Situation in Österreich komplett verändert. Nach dem Scheitern erst der Ampel-Gespräche und auch der Zweier-Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen jetzt doch FPÖ-Obmann Herbert Kickl als dem Chef der stimmenstärksten Partei bei der Nationalratswahl den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Zugleich hat nach dem Rücktritt von Karl Nehammer der neue ÖVP-Chef Christian Stocker eine Kehrtwende vollzogen und Bereitschaft signalisiert, eine allfällige Einladung der FPÖ zu Koalitionsverhandlungen anzunehmen.
Damit ist Kickl am Ziel – und wieder dort, wo er Mitte Oktober 2024 schon einmal war, als er für Sondierungsgespräche mit dem damaligen ÖVP-Chef Nehammer einen fix und fertigen Fahrplan sowie seine inhaltlichen Schwerpunkte erstellt hatte. Daraus wurde nach Nehammers Ablehnung nichts.
"Heute" hat sich diese FPÖ-Papiere jetzt noch einmal angesehen und zeigt, wo sich Blau und Schwarz schnell einig werden dürften und wo es grundsätzlich andere Vorstellungen gibt.
Budget
Größtes und dringendstes Problem Österreichs ist die völlig marode Staatskasse. Das Budgetdefizit lag 2024 laut Fiskalrat bei 3,9 Prozent – weit über dem EU-Grenzwert von 3 Prozent, weshalb uns aus Brüssel auch ein Defizitverfahren droht, und zwar bereits im Jänner.
Fakt ist, Österreich muss laut EU-Regeln schon heuer zwischen 3,9 und 6,3 Milliarden Euro einsparen.
Unklar ist, inwieweit für EU-Skeptiker Kickl Vorgaben aus Brüssel überhaupt im Fokus stehen.
Die FPÖ will jedenfalls den Schuldenanstieg bremsen und Spielräume für Investitionen schaffen. Ziel der Freiheitlichen ist ein ausgeglichenes Budget bis zum Ende der Regierungsperiode. Gelingen soll das unter anderem mit Einsparungen von rund 5 % bei den Ministerien bis 2026, mit kostensenkenden Maßnahmen gegen Zuwanderung ins Sozialsystem, mit einer Evaluierung der Bildungskarenz bezüglich Treffsicherheit. Die Blauen wollen auch eine Task Force einsetzen zur Durchforstung des Förderdschungels.
Wirtschaft und Arbeit
Beim Wirtschaftsprogramm sind die Vorstellungen von FPÖ und ÖVP fast ident. Die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und der Leistungsbereitschaft sind beiden ein großes Anliegen. Und wie die Schwarzen wollen auch die Blauen keine neuen Steuern und eine Entbürokratisierungsoffensive. Die Senkung der Lohnnebenkosten steht bei den Freiheitlichen ebenfalls auf der Agenda.
Kickl will kleine und mittlere Unternehmen sowie Berufseinsteiger und Familiengründer steuerlich entlasten. Einen Schwerpunkt will der FPÖ-Chef auch beim Thema "Leistbarer Wohnraum" setzen – er will mit der Abschaffung der Grunderwerbssteuer eine Wohnbauoffensive starten. Ältere Arbeitnehmer sollen durch einen "Altersbonus" ab dem 60. Lebensjahr gelockt werden – auch die ÖVP will längeres Arbeiten attraktiver machen.
Bundespräsident Van der Bellen trifft FPÖ-Chef Kickl
Asyl, Migration
Beim Thema Asyl sind Kickls wesentliche Punkte: Ausbau des Grenzschutzes – man denke an seinen Slogan von der "Festung Österreich" –, konsequente Abschiebungen bei negativem Asylbescheid, Asyl mit Ablaufdatum, keine Staatsbürgerschaft für Asylanten, konsequentes Vorgehen gegen importierte Kriminalität.
Die Positionen von Blau und Schwarz liegen hier nah beieinander. Tatsächliche Grenzzäune werden mit der ÖVP allerdings wohl nicht zu errichten sein. Auch FPÖ-Pläne von Sozialleistungen nur für österreichische Staatsbürger dürften mit den Schwarzen schwer funktionieren.
EU-Kritik
Die größten Differenzen haben FPÖ und ÖVP hinsichtlich der EU. Während die Schwarzen einen pro-europäischen Kurs fahren, ist die FPÖ Brüssel gegenüber sehr skeptisch, will zumindest EU-Reformen. In seinem "Fahrplan Sondierungsgespräche" nach der Nationalratswahl spricht Kickl lediglich von der "Außerstreitstellung des Europäischen Wirtschaftsraums". Das von Kickl mit Ungarns Regierungschef Orbán und Tschechiens Ex-Premier Babis im Oktober unterzeichneten "Patriotische Manifest" stellt die EU als Währungs- und Sicherheitsunion grundsätzlich infrage.
Ukraine
Die pro-russische Einstellung der FPÖ birgt auch Probleme für ein blau-schwarzes Regierungsduo. Die FPÖ ist gegen die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland und gegen Hilfszahlungen an die Ukraine. Die ÖVP unterstützt beides.
Sicherheit
Konfliktpunkt ist auch Österreichs Teilnahme am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield. Für die ÖVP stärkt das Österreichs Sicherheit, die FPÖ sieht es als Widerspruch zur Neutralität und verkappten NATO-Beitritt – die Blauen fordern einen sofortigen Ausstieg aus Sky Shield.
Hinsichtlich der inneren Sicherheit gilt: Für ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam plädieren beide. Ebenso wie für die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters.
Corona-Politik
Wüste Attacken ritt Kickl gegen die ÖVP auch wegen der Corona-Politik, deren Aufarbeitung er explizit am Programm hat. Ob das einer blau-schwarzen Regierungszusammenarbeit zu opfern ist, wird sich zeigen. Generell ist das Thema Impfungen zwischen FPÖ und ÖV'P ein kontroverses.
Neue Gesprächskultur
Ganz sicher werden jedenfalls FPÖ und der ÖVP erst einmal eine neue Gesprächskultur zueinander aufbauen müssen. Nachdem sie in der Vergangenheit mit wechselseitigen verbalen Angriffen alles andere als sparsam waren, gibt es nun ein gemeinsames Ziel. Und zwar kein kleines.
Herbert Kickl – sein Leben in Bildern
Zeitplan
Für Sondierungsgespräche mit der ÖVP hatte Kickl in seinem "Fahrplan" aus dem Oktober gut drei Wochen angesetzt. Wie lange die tatsächlichen Koalitionsverhandlungen nun dauern könnten – niemand weiß es. Die Geduld der Bevölkerung ist rund 100 Tage nach der Wahl wohl enden wollend.
Die EU-Deadline, dass Österreich bis 15. Jänner ein Maßnahmenpaket für die Budgetsanierung nach Brüssel liefern muss, um ein Defizitverfahren zu vermeiden, dürfte in der aktuellen Situation kaum mehr einzuhalten sein.
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Auf den Punkt gebracht
- FPÖ-Chef Herbert Kickl wird Verhandlungen mit der ÖVP aufnehmen, um eine blau-schwarze Regierung zu bilden.
- Die Hauptthemen seiner Agenda umfassen Budgetkonsolidierung, Wirtschaftsförderung, strikte Asyl- und Migrationspolitik sowie eine kritische Haltung gegenüber der EU, wobei es in einigen Bereichen wie der EU-Politik, der Ukraine-Hilfe oder der Luftabwehr Sky Shield deutliche Differenzen zwischen FPÖ und ÖVP gibt.