Jugendbanden im Visier
"Beginnt bei Diebstahl, endet bei Vergewaltigung"
Der Brennpunktbezirk Favoriten ist nun im Visier der Polizei. Innenminister Gerhard Karner will jetzt österreichweit gegen Jugendbanden vorgehen.
Der 10. Wiener Gemeindebezirk ist aktuell der soziale Brennpunkt der Hauptstadt. Rund um den Reumannplatz eskalierte in Favoriten zuletzt die Gewalt. "Favoriten ist gefallen", schrie Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp am Montag in die Welt hinaus und forderte dabei eine Beinahe-Verdreifachung des Polizeiaufgebots in den Grätzeln.
Innenminister Gerhard Karner (VP), um eine klare Kante nie verlegen, antwortete mit einer polizeilichen Schwerpunktaktion. Über deren Ergebnisse ließ er sich Montagabend medienwirksam am Reumannplatz selbst berichten. "Heute" übertrug hier die Aktion live:
Karners klare Kante
Nach einer Einweisung über die Schwerpunktaktion trat Karner vor die Kameras: "Wenn Jugendbanden ihr Unwesen treiben, werden wir mit allen Möglichkeiten des Gesetzes hier einschreiten." Was in den letzten Tagen und Wochen am Reumannplatz und in dessen Umgebung passiert sei, seien "Vorfälle, wo man nicht zur Tagesordnung übergehen kann".
Deshalb habe er "robuste Maßnahmen", darunter eine Einsatzgruppe zur Jugendkriminalität, angeordnet. Dazu wiederholte der ÖVP-Minister seine Forderung nach einem Waffen- bzw. Messerverbot, "um die Banden zu entwaffnen." Die Erfahrungen der Polizei hätten gezeigt, dass eine solche Maßnahme auch die Exekutiv-Arbeit deutlich erleichtere und sicherer mache.
Aktion Scharf gegen Jugendbanden: Karner greift in Favoriten durch
Und auch die Senkung der Strafmündigkeit solle kommen: "Unter 14-Jährige, die Verbrechen begehen, müssen Konsequenzen spüren", polterte der Minister. Eine entsprechende gesetzliche Nachschärfung solle Polizei und Justiz, das Handhabe geben, damit "diese Plätze" wieder sicherer werden.
"Wenn Menschen eine Waffe bei sich tragen ..."
Auch der Bundeskoordinator der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität, Ministerialrat Dieter Csefan, und der Leiter des Ermittlungsdienstes des Landeskriminalamtes Wien, Oberst Gerhard Winkler, waren vor Ort.
Oberst Gerhard Winkler betonte, dass aus Sicht der Kripo, ein Waffenverbot "sehr hilfreich" sei: "Ich denke, dass es in Wien nicht notwendig ist, dass jemand mit einem Messer oder einer Waffe herumläuft, ohne dazu eine entsprechende berufliche Befugnis zu haben."
Mit Blick auf die blutige Messerattacke auf einen Grundwehrdiener vor einem Eissalon Sonntagabend sagte er: "Das Motiv ist ein Streit, der einfach eskaliert ist. Wenn Menschen eine Waffe bei sich tragen, ist dann die Gefahr, dass diese auch tatsächlich eingesetzt wird." Der Zunahme an Gewalttaten gelte es "entschieden" entgegenzutreten.
"Erst Einkaufswagendiebstahl, dann Vergewaltigung"
Koordinator Dieter Csefan: Das Phänomen und die Entwicklung der Jugendkriminalität sei schon länger unter Beobachtung. Jetzt habe man von Karner den Auftrag erhalten, spezialisierte Kräfte in allen 9 Bundesländern einzurichten. Es gehe dabei einerseits um Intensivtäter von Unmündigen bis Jugendliche, andererseits auch um Hotspots im öffentlichen Raum, wo "Jugendbanden, die sich schwer bewaffnen, gegeneinander vorgehen" würden.
"Wir sehen die Entwicklung einer Jugendbande. Das beginnt beim Einkaufswagendiebstahl und endet beim schweren Raub oder einer Vergewaltigung oder anderen abscheulichen Straftaten. Hier muss man wirklich repressiv vorgehen", donnert Csefan. "Die Jugendlichen müssen die Polizei spüren im öffentlichen Raum. Wir wollen keine No-Go-Areas!"
Die Bilder von der FPÖ-Kundgebung am Keplerplatz
Gewaltorgie vor Tichy
Erst am Sonntag artete gegen 20.15 Uhr ein Streit nahe dem Wiener Traditionseisladen "Tichy" komplett aus. Ein 21-Jähriger wollte Jugendliche zur Rede stellen – sie sollen zuvor Frauen belästigt haben. Dann eskalierte die Lage komplett.
Die Teenager reagierten aggressiv auf die Intervention des 21-jährigen Mannes, in weiterer Folge soll dann ein bislang unbekannter Tatverdächtiger ein Messer gezogen, den 21-Jährigen verfolgt und diesem Schnitt- und Stichwunden im Bereich des Rückens sowie des Oberschenkels zugefügt haben.
Der Unbekannte flüchtete daraufhin samt der Gruppe. Die Tatwaffe konnte nicht vorgefunden werden. Dem 21-Jährigen wurde von den eintreffenden Beamten ein Verband im Bereich des Oberschenkels angelegt und er wurde durch die Berufsrettung Wien notfallmedizinisch erstversorgt und in ein Spital gebracht. Es besteht derzeit keine Lebensgefahr. Die Ermittlungen laufen wegen versuchten Mordes.
FPÖ will 500 Polizisten zusätzlich
In einer Aussendung fordert die Wiener FPÖ eine Aufstockung der Polizeikräfte für den zehnten Wiener Gemeindebezirk Favoriten. Die Freiheitlichen argumentieren, dass in Linz, wo etwa gleich viele Personen leben wie in Favoriten, rund doppelt so viele Beamte eingesetzt würden. "Obwohl Favoriten der Brennpunktbezirk schlechthin ist, verfügt dieser nur über etwa 300 Polizisten", heißt es in der Mitteilung. Der Obmann der Favoritner FPÖ sieht in diesem "Ungleichgewicht" eine Fahrlässigkeit von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).
Die FPÖ fordert eine eigene polizeiliche Einsatztruppe für Favoriten – die Rede ist von zusätzlichen 500 Polizisten. "Frauen und Kinder, aber natürlich auch Männer, müssen vor allem nachts um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten, wenn sie in Favoriten unterwegs sind. Eine SOKO Favoriten soll die Sicherheit der Bürger wiederherstellen", gibt Nepp den Plan vor. Die 500 Mann starke Einsatztruppe soll Tag und Nacht Straßen, Plätze und Parks überwachen.
Gewalt-Eskalation in Favoriten
Rund um den Reumannplatz eskalierte zuletzt die Gewalt. Der 10. Wiener Gemeindebezirk ist aktuell der soziale Brennpunkt der Hauptstadt. Der Überblick:
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Innenminister wiederholt Forderungen im ORF
Seine Aufgabe sei es als Innenminister, "nicht zur Tagesordnung übergehen zu können", so Karner am späten Montagabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderatorin Margit Laufer. Einsätze rund um Jugendliche würden nun "einsatztaktisch geplant", so der Innenminister, und man werde das "mit voller Härte des Gesetzes umsetzen". Es werde auch "selbstverständlich" mehr Polizisten auf den Straßen geben, es gehe aber darum, dass "ganz gezielt" vorgegangen werde. Warum das bisher nicht passiert sei?, fragte Laufer nach. "Das ist passiert", so Karner. Dass dann irgendwas bei der Umsetzung nicht gepasst habe, ignorierte Karner daraufhin.
Waffenverbotszonen gebe es in Wien und Innsbruck, so Karner, die Polizei könne dadurch "besser und effektiver" kontrollieren, weil das Messer abgenommen und eine empfindliche Strafe ausgesprochen werden. Karner sprach sich für ein generelles Waffenverbot im öffentlichen Raum aus, denn es könne nicht sein, dass "Jugendliche bis auf die Zähne bewaffnet auf Plätzen unterwegs" seien. Es würden bereits Einschätzungen vorliegen, wie das rechtlich umgesetzt werden könnte, so Karner.
Und warum keine neuen Waffenverbotszonen, sondern ein generelles Verbot. Es ginge schneller und gelte für alle, so Karner, Macheten in den Händen von Personen hätten im öffentlichen Raum nichts verloren. Frauen dürften ihr Pfefferspray aber natürlich in der Handtasche behalten. Unterschiedliche Modelle in Europa gebe es bei der Strafmündigkeit, da wolle sich Österreich "Zeit nehmen", um zu prüfen, was sinnvoll sei. Wenn jemand eine Straftat begehe, müsse es Konsequenzen geben, die der Verantwortlichen spüren müsse, so Karner. Ziel sei, noch in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu kommen.
Auf den Punkt gebracht
- In Favoriten, dem Wiener Brennpunktbezirk, greift die Polizei unter der Anordnung von Innenminister Gerhard Karner mit einer Schwerpunktaktion durch, um der eskalierenden Gewalt von Jugendbanden entgegenzutreten
- Die FPÖ fordert eine massive Aufstockung von 500 Polizisten in Favoriten, um die Sicherheit der Bürger wiederherzustellen