Politik

Wut-Mutter konfrontiert den Kanzler im Live-TV

Am Montagabend schloss Bundeskanzler Karl Nehammer die "Bürgerforum"-Sendungen ab. Und bekam es dabei mit einer wütenden Mutter zu tun.

Rene Findenig
Am Montag (16.10.2023) war ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer zu Gast im Puls24-"Bürgerforum".
Am Montag (16.10.2023) war ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer zu Gast im Puls24-"Bürgerforum".
Screenshot Puls24

Ein Jahr vor der geplanten Nationalratswahl im Herbst 2024 bittet Puls 24 die Chefs der österreichischen Parlamentsparteien ins Gasthaus, um über ihre Pläne für Österreich zu diskutieren. Am Montag, 16. Oktober, war ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer zu Gast im letzten "Bürgerforum" – moderiert von Corinna Milborn und Florian Danner in der Luftburg Kolarik. Gleich ein ernster Auftakt: Wie groß sei die Sorge vor einem Flächenbrand in Nahost? Es sei wichtig, "an die Menschen zu denken, die das durchlebt haben", was die jüngsten Tage passiert sei, so Nehammer. Ein Freund in Israel habe ihm berichtet, dass er in einen Bunker flüchten musste, sein Sohn sei zum Militär eingezogen worden, dann hätten "die schrecklichen Bilder" bereits auch Österreich erreicht.

"Terror braucht eine klare Antwort, denn er bringt Tod und Leid über die Menschen"

Seine Gedanken seien bei den Menschen in Israel, bei den Opfern und bei deren Angehörigen sowie bei den Geiseln, "die eine schlimme Zeit durchleiden", so der Kanzler. "Terror braucht eine klare Antwort, denn er bringt Tod und Leid über die Menschen." Die Hamas müsse sich der Wahrheit stellen, dass sie nicht nur viel Leid über Israel, sondern auch über die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen gebracht habe, die selbst "Geiseln der Hamas" sei. Die Hamas wolle auch die Menschen in Österreich spalten, "Hass und Zwietracht säen", so Nehammer. Empfindlich zeigte sich Nehammer, als er auf die "Operation Luxor" angesprochen wurde, für die er in seiner Zeit als Innenminister verantwortlich zeichnete und als eine der größten Polizeiaktion jemals galt, drei Jahre später aber völlig ergebnislos zu Ende ging.

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    Am Montag (16.10.2023) war ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer zu Gast im Puls24-"Bürgerforum".
    Am Montag (16.10.2023) war ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer zu Gast im Puls24-"Bürgerforum".
    Screenshot Puls24

    Man solle nicht Erfüllungsgehilfe von Terroristen werden, so der Kanzler, der sich daraufhin auch gleich für einen gescheiterten Israel-Evakuierungsflug mit einer Herkules-Maschine des Heeres rechtfertigen musste. Dies hatte "überhaupt nichts mit Inszenierungen zu tun, sondern mit Sicherheitsbestimmungen", so der Kanzler. Zu Hamas-verherrlichenden und israelfeindlichen Demonstrationen in Österreich verwies Nehammer auf eine breit angelegte Desinformationskampagne der Hamas und das in Österreich geltende Demonstrationsrecht. Jede Demonstration werde sorgfältig geprüft und bei Bedarf untersagt. "Meine wirkliche Bitte an alle, die vielleicht persönlich betroffen sind", so der Kanzler, "Terrorismus und Mord kann nie die Antwort sein". 

    "Es geht sich nicht mehr aus"

    Nach diesen Themen durfte der Kanzler auch endlich ein Getränk im "Bürgerforum" bestellen – er trinke gerne ein Bier, bestelle hier aber Wasser. Apropos: Dass Nehammer Wasser mit einem Schluck Bier "auf ex" bei einem Fest kippte, sah er am Montag mit Witz. Er sei eigentlich dafür, "Bier so wie es ghört" zu trinken, aber es sei in einer Situation gewesen, die er nicht habe kontrollieren können. Direkt danach holte Nehammer auch sein berühmtes Burger-Video ein – in der er armen Menschen in Österreich dazu riet, ihre Kinder mit Burgern zu ernähren. Eine Mutter im Publikum fand das weiter empörend – sie habe vier Kinder und arbeite 20-Stunden-Teilzeit, habe aber immer mehr damit zu kämpfen, ihre Kinder gesund zu ernähren. "Es geht sich nicht aus", so die Dame.

    Durch die Krise habe sich das "so verschärft" und "mehr arbeiten geht nicht", so die Mehrfach-Mutter. Mutter sein sei ein "Fulltime-Job", so ihre Ansage. Einer ihrer Söhne sei Leistungssportler, was solle da ein Rat, die eigenen Kinder mit Burgern zu kaufen, so die wütende Frau im Studio. Und: Wenn man sich anschaue, was Gemüse am Markt koste, sei das unfassbar. Für sie stellte sich die Frage, wo das alles noch hinführen solle. Nehammer verwies darauf, selbst Kinder zu haben und sei froh, dass das Burger-Video "endlich in voller Länge und nicht zusammengeschnitten" zu sehen sei – denn dies zeige, dass er "genau das Gegenteil" gemeint habe. Er wolle auch nicht Betreuungspflichten und Arbeit gegeneinander ausspielen, so der Kanzler, aber sagen wollen, wenn man sich für Teilzeit entscheide, später nicht beklagen könne.

    "Ich hätte ein besseres Beispiel finden können als den Burger"

    "Ihre Partei, die haben die Kinderbetreuung gestoppt", zeigte sich die Mutter erbost, ein Kindergartenplatz für jedes Kind, "das haben Sie verhindert", warf sie Nehammer vor. Und: "Ich wünsche mir einen Bundeskanzler, der wirklich soziale Verantwortung für seine Bürger übernimmt." Es sei "unverantwortlich", zu Burgern für Kinder zu raten. Auch der Kanzler kenne die Teuerungsproblematik und habe "Kuverts mit meiner Frau vorbereitet", um die Alltagskosten bestreiten zu können, so der Kanzler. Man sei in Verhandlungen dazu, mehr Mittel für die Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen. Und der Burger? Es sei ein Unterschied, "ob man am Fußballplatz redet oder am Elternabend auftritt", so Nehammer. Schließlich gestand der Kanzler: "Ich hätte ein besseres Beispiel finden können als den Burger", aber er habe damit sagen wollen, dass Eltern eine Verantwortung für ihre Kinder hätten. 

    Während Nehammer darauf verwies, dass armen Menschen und vor allem Kindern in Österreich umfassend geholfen werde, warf die Mutter dem Kanzler ein "Sie stehlen sich aus der Verantwortung" vor. Nächster Schlag für Nehammer: Im Publikum meldete sich ein Wechselwähler, der bei der nächsten Wahl statt der ÖVP die FPÖ wählen wolle. Er habe im Verlauf der TV-Diskussion einige "Unwahrheiten" gehört, so der Mann, außerdem dürfe man "nicht von der EU alles nachmachen und nachsagen" bei den Themen Israel und Russland. Österreich "fehlt der Weitblick", und man informiere sich gar nicht, "wie es zu diesem Konflikt gekommen ist", nur "wir zahlen die Zeche dafür, was einfach abnormal ist". Sein Vorwurf: Die Sanktionen gegen Russland würden Österreich und nicht Russland schaden. "Wir fressen die Krot."

    "Es ist Konsens, dass eine Terrororganisation nicht zu unterstützen ist, die so viel Leid verbreitet"

    "Die gute Nachricht für uns alle ist, unsere Gasspeicher sind zu 97 Prozent gefüllt", so Nehammer, die Energiesicherheit sei für diesen Winter gewährleistet. Beim Thema Israel und Palästina sei nicht nur seine Meinung, dass die Hamas eine Terrororganisation sei, sondern die der Weltgemeinschaft. Als Österreicher habe man eine "Haltung und Verantwortung für sich selbst", so Nehammer. Es sei Konsens, dass "eine Terrororganisation nicht zu unterstützen ist, die so viel Leid verbreitet". Das Thema Ukraine und Russland sei wiederum zu vereinfacht dargestellt. Wir haben keine Sanktionen gegen russisches Gas, gegen Weizen oder Getreide beschlossen, der Preis sei aber bei allen durch die Decke geschossen. Nicht die Sanktionen seien das Problem, sondern der russische Angriffskrieg, man dürfe nicht Ursache und Wirkung verwechseln.

    "Wenn Sie die Augen zumachen und sagen, wir haben keine Sanktionen", sei die Situation beim Öffnen der Augen trotzdem keine andere, so der Kanzler. Wechsel zum Klimaschutz und der Frage einer Schülerin: Warum mache die Politik nichts dafür? Die ökosoziale Steuerreform sei die wichtigste Maßnahme, die bisher gesetzt worden sei, da sie CO2-Ausstoß erstmals bepreise, so Nehammer. Zudem sei die Photovoltaik-Förderung erhöht und das Umweltverträglichkeitsverfahren beschleunigt worden. Bei der CO2-Bepreisung müsse man noch weiter gehen bis zur Speicherung von CO2, so der Kanzler. Klimaschutz sei ein Prozess "und muss mit sehr viel Sorgsamkeit gelebt werden", denn es hänge jeder zweite Arbeitsplatz davon ab. "Österreich ist in vielen Bereichen bereits Vorzeigeland", so Nehammer.

    "Das ist aus meiner Sicht erdrückend und muss enden"

    Ein Wiener Student, der "jeden Tag Integration lebt" mit Flüchtlingen etwa aus Syrien und der Ukraine, lenkte das Theme auf die Migration. Er verstehe nicht, warum sich Nehammer zu politischen, rechten Migrationsagern hinreißen lasse. "Solidarität mit den Menschen ist uns auch wichtig", doch das "was ich als Innenminister erfahren musste", seien die größten Nutznießer Schlepper und Kriminelle, so der Kanzler. "Das ist aus meiner Sicht erdrückend und muss enden." Österreich zähle 40.000 arbeitslose Asylberechtigte, man brauche schnellere Verfahren und einen wirksamen Außengrenzschutz, denn man müsse die Differenzierung zwischen Migration und illegaler Migration schaffen. Letzteres führe zu einer Destabilisierung der Demokratie und Zuspruch für den rechten Rand. "Wir sind nicht weit auseinander", so Nehammers Antwort, er wolle den Schleppern das Handwerk legen.

    Thema Pflege: Wann bekommen Pflegekräfte endlich mehr Gehalt und warum nehmen man den Pflegern die Schwerarbeit? Die Regierung habe zwei große Maßnahmenpakete beschlossen, so Nehammer. Applaus sei das eine, Anerkennung das andere, so der Kanzler. Die Pflegepakete seien "höchst aufwendig". Es funktioniert nicht, so eine Dame im Studio, wenn sie den Pflegeberuf bis 65 ausüben solle, brauche sie selbst "den Rollator und das Katheter-Sackerl". Man könne leichter in den Pflegeberuf wechseln als vorher und man habe jetzt auch das Thema Pflegelehre", so der Kanzler, aber es stimme – Anerkennung zu schaffen, sei ein mühevoller Vorgang. Man wolle ein "Zeichen setzen, dass uns das sehr ernst ist". Im größeren Stil müsse man deswegen Anwerbungen aus dem Ausland vornehmen. "Es ist ein Prozess, aber die richtigen Schritte sind eingeleitet worden", so der Kanzler.