Phoebes Kind wird windelfrei

Windelfreie Erziehung: "In der Natur gibts auch keine"

Die 22-jährige Aargauerin Phoebe sorgt auf TikTok für hitzige Diskussionen: Sie will ihr Kind windelfrei erziehen.

Windelfreie Erziehung: "In der Natur gibts auch keine"
Phoebe Krech (re.) teilt ihre Erfahrungen auf TikTok.

Windeln? Nein, danke! Phoebe Krech aus dem Kanton Aargau (Schweiz) sorgt derzeit mit ihrer Entscheidung, ihr Baby ab Geburt windelfrei zu erziehen, für hitzige Diskussionen auf TikTok: "Als ich das zum allerersten Mal gehört habe, dachte ich auch, das kann doch nicht funktionieren." Doch mittlerweile ist die 22-Jährige von ihrem Vorhaben überzeugt.

Die TikTokerin, die aktuell im fünften Monat schwanger ist, hat sich in den letzten anderthalb Jahren intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. "In der Natur gibt es auch keine Windeln. Babys machen sich mit Zeichen bemerkbar, bevor sie müssen." Außerdem seien Windeln nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern auch teuer und voller Schadstoffe, die am Po etwa zu Reizungen führen könnten.

So will Phoebe das konkret umsetzen

Die Aargauerin will ihr Kind tagsüber genau beobachten und bei Anzeichen wie Quengeln oder plötzlichem Innehalten über einem Lavabo oder einem speziellen Töpfchen "abhalten", das Baby also in einer Position halten, in der es bequem ausscheiden kann. "Ich habe absolut nichts zu verlieren, außer vielleicht meine Geduld."

Für die Nacht und wenn sie mit dem Baby rausgehe, plane sie zwar den Einsatz von Stoffwindeln, sehe diese jedoch nur als Zwischenlösung: "Es ist mir klar, dass ich nicht zu 100 Prozent auf Windeln verzichten kann, aber ich will nicht, dass mein Kind denkt, Windeln seien normal."

"Du hast keine Ahnung, was auf dich zukommt"

Mit ihrem Vorhaben stieß Phoebe am Anfang sowohl in ihrem persönlichen Umfeld als auch auf Tiktok auf viel Unverständnis: "Du hast keine Ahnung, was auf dich zukommt.", "Wofür soll das gut sein?" oder "Wirst du dann nicht ständig angepinkelt?"
Doch es hätten auch viele ihre Erfahrungen mit windelfreier Erziehung geteilt und sich neugierig gezeigt: "Finde das eine gute Idee und werde es selber in Erwägung ziehen", so eine Userin auf TikTok.

Sind Windeln schädlich für die Gesundheit?

Die Idee der windelfreien Erziehung ist nicht neu. Die Erziehungsexpertin Rita Messmer aus dem Kanton Waadt forscht seit fast 40 Jahren zur frühen Reinlichkeit von Säuglingen und gilt als Urheberin dieser Bewegung in der westlichen Welt. "Immer mehr Kinder bei uns kommen kaum aus den Windeln raus, tragen sie sogar noch in der Grundschule und bleiben Bettnässer."

Messmer führt diese Entwicklung darauf zurück, dass Windeln Babys daran hindern, ihre natürlichen biologischen Fähigkeiten zur Kontrolle von Ausscheidungen zu entwickeln. "In Entwicklungs- und Schwellenländern, wo die windelfreie Erziehung ganz normal ist, haben Kinder diese Ausscheidungsprobleme nicht." Messmer plädiert für mehr Forschung: "Man darf das Feld nicht nur den Windelherstellern überlassen. Die sagen alles, um ihre Windeln zu verkaufen."

Psychologe: "Kann zu Frust bei Eltern führen"

Kinderpsychologe Philipp Ramming sieht die windelfreie Erziehung nicht grundsätzlich kritisch, weist jedoch auf die Herausforderungen hin: "Damit es funktioniert, braucht es ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit und Zeit. Eltern müssen die Signale ihres Babys richtig deuten und darauf reagieren können." Das sei nicht für alle realistisch, besonders wenn die Eltern berufstätig seien.

Außerdem warnt Ramming davor, die Methode zu einem ideologischen Experiment werden zu lassen: "Nicht alle, die es ausprobieren, sind erfolgreich. Das kann zu Frust bei den Eltern führen, insbesondere wenn sie das Gefühl haben, zu scheitern, oder gar dem Kind die Schuld geben." Durch soziale Medien könne zusätzlicher Druck entstehen, vor allem, wenn sich Eltern mit anderen vergleichen. "Dass der Windelfrei-Trend auf den sozialen Medien wieder aufkommt, sehe ich darum kritisch."

"Noch viel Aufholbedarf"

Laut Messmer lernen Babys, dann auszuscheiden, wenn sie abgehalten werden. "Wenn man ab dem ersten Tag der Geburt damit anfängt, sind sie ungefähr zwischen 12 und 18 Monaten trocken." Sobald die Kinder laufen lernten, seien sie fähig, selbstständig aufs Töpfchen zu gehen. "Im Endeffekt ist der Aufwand viel kleiner, weil man nicht mehr ständig Windeln wechseln muss." Doch das funktioniere nur, wenn Eltern besser über die windelfreie Erziehung aufgeklärt werden: "Bei der Vermittlung von Wissen gibt es bei uns noch viel Aufholbedarf."

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Auf den Punkt gebracht

  • Die 22-jährige Phoebe Krech aus dem Kanton Aargau sorgt auf TikTok für Diskussionen, da sie plant, ihr Baby windelfrei zu erziehen.
  • Sie argumentiert, dass Windeln nicht nur umweltschädlich und teuer seien, sondern auch die natürliche Entwicklung der Ausscheidungskontrolle bei Babys behindern könnten, und will ihr Kind durch genaue Beobachtung und gezieltes Abhalten an diese Methode gewöhnen.
red, 20 Minuten
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