Österreich

Wiener "ICE-Terrorist" spielte Zug zerstören auf Handy

Der in Wien lebende Qaeser A. wollte in Deutschland Züge entgleisen lassen, schrieb IS-Bekennerschreiben. Heute stehen er und seine Frau vor Gericht.

Christian Tomsits
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Scheinbar gut integriert lebte der 44-jährige Iraker mit seiner Frau Shehrazad (33) und vier gemeinsamen Kindern (15, 13, 6, 4) im Wiener Gemeindebau – doch hinter der Fassade verbarg sich eine Welt voller Hass und religiösem Wahn: Der mutmaßliche ICE-Terrorist muss sich seit heute nach vier misslungenen Anschlägen in Deutschland wegen vielfachen Mordversuchs in Wien vor Gericht verantworten. Laut Staatsanwaltschaft war er "wie besessen" davon, Züge entgleisen zu lassen und damit "größtmöglichen Schaden anzurichten". Durch eine Unachtsamkeit kam man ihm auf die Schliche: In einem Copyshop am Wiener Westbahnhof fand man das Original desselben Bekennerschreibens, das in Deutschland an Tatorten auf die Gleise geworfen wurde – mit seinen Fingerabdrücken. Am 27.3.2019 konnte ihn die Polizei in seiner Wohnung in Wien-Simmering festnehmen. Wenig später schnappten sie auch seine Ehefrau.

"Er wollte Deutschland im Herzen treffen und Menschenleben vernichten"

2012 bekam Qaeser A. als Flüchtling unter falschen Angaben Asyl. Zuvor war er über Syrien und die Türkei nach Griechenland gereist. Dann flog er nach Italien– und von dort kam er ausgerechnet mit dem Zug nach Österreich. Neben seiner Arbeit als Security und Supermarktlagerarbeiter im Kühlregal soll er glühender IS-Anhänger gewesen sein. 2018 entschloss er sich dazu, selbst Terror-Anschläge zu verüben. Sein Plan: In Allersberg und Berlin (D) ICE-Züge mit selbstgebastelten Keil- und Stahlseilkonstruktionen aus dem Baumarkt entgleisen lassen. "Mit diesen Anschlägen wollte er Deutschland im Herzen treffen und Menschenleben vernichten", war sich der Staatsanwalt sicher. Zum Glück schlugen alle vier Anschläge im Jahr 2018 auf Personenzüge fehl. 

"Die Gefangenschaft hat sie aus ihrem inneren Gefängnis befreit"

Heute wurde der mutmaßliche Terrorist Qaeser A. im zugeknöpften Hemd und blauer Weste von mehreren Justizwachebeamten in Vollmontur vorgeführt. Sein buschiger Bart verschwand hinter einer Corona-Gesichtsmaske, den Blick richtete der 44-Jährige stoischer nach vorne. Seine Frau Shehrazad dagegen war nicht wiederzuerkennen: Ohne Kopftuch und mit wallenden Haaren, ihre Schultern in weinroten Kashmir gehüllt erschien sie im Saal. "Sie soll ihn tatkräftig bei seinen Plänen unterstützt haben", heißt es in der 48-Seiten fassenden Anklage. Star-Verteidigerin Astrid Wagner sah das anders: "Meine Mandantin ist unschuldig, sie wusste von seinen bösartigen Vorhaben nichts." Die erfahrene Anwältin lernte die 33-Jährige in der fast einjährigen Untersuchungshaft näher kennen, ist sich sicher: "Die Haft hat sie verändert. Die vierfache Mutter und Hausfrau lebte ihr Leben lang wie eingesperrt. Die Gefangenschaft hat sie aus ihrem inneren Gefängnis befreit. Jetzt will sie die Scheidung."

Qaeser A. bestreitet Tötungsabsicht

Während die schüchterne Frau mit leiser Stimme sprach, sagte der 44-jährige Patriarch kräftig und wild gestikulierend auf arabisch aus. "Ich wollte nur Aufmerksamkeit und niemanden verletzen", bekannte er sich lediglich der Sachbeschädigung schuldig, stritt jede Verbindung mit dem Islamischen Staat ab. Die Ermittlungsergebnisse sprechen eine andere Sprache: So soll er bereits seit seiner Ankunft in Wien regelmäßig mit einem in der Schweiz lebenden Iraker, der 2017 als Kopf einer IS-Zelle verurteilt wurde, Kontakt gehabt haben. In seiner Wohnung und auf seinem PC konnte haufenweise einschlägiges Material sichergestellt werden.

Sogar sein Desktop-Hintergrund am Computer war ein Bild eines fahrenden ICE-Zuges. Im Zuge der polizeilichen Überwachung kurz vor der Festnahme ertappte ihn sogar ein Beamter dabei, wie er in der U-Bahn sitzend ein Handyspiel spielte, bei dem er einen Zug gegen eine Wand fuhr, der Bildschirm wurde rot. Ein Urteil wird heute nicht fallen, der Prozess ist für mehrere Tage angesetzt. Die Unschuldsvermutung gilt.

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