29 % haben Schwierigkeiten
Wer Probleme mit dem Lesen hat, ist nicht dumm
Die neue Erwachsenen-PISA-Studie zeigt, dass 29 % hierzulande Probleme mit dem Lesen haben. Nicht, weil sie dumm sind. Es gibt mehrere Gründe.
In Österreich haben 29 Prozent der Erwachsenen Probleme mit dem Lesen. Selbst einfache Texte bereiten ihnen Schwierigkeiten. Das zeigt die jetzt veröffentlichte neue OECD-Studie PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies), was einem PISA-Test für Erwachsene entspricht. In der Studie mit 31 OECD-Ländern wurden Personen im Alter zwischen 16 und 65 getestet. Es zeigt sich: In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil jener, die Probleme hierzulande mit dem Lesen haben, fast verdoppelt.
Mit 254 Punkten landet Österreich beim Lesen deutlich unter OECD-Schnitt (260), hinter Deutschland (266) und der Schweiz (266). Den ersten Platz belegt Finnland mit 296 Punkten.
29 Prozent der Befragten konnten maximal einfachste Leseaufgaben auf Kompetenzstufe 1 oder darunter lösen (OECD-Schnitt: 26). Das sind 1,7 Millionen Personen (2013 waren es 17 Prozent bzw. rund 1 Million). Es handelt sich also um ein Plus von 700.000 Personen, die Leseprobleme haben. Besonders hoch ist mit 46 Prozent dieser Wert bei den 55- bis 65-Jährigen.
Mehrere ungünstige Umstände
Die Gründe dafür sind vielfältig. Dass heute mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich leben, sei nur einer und dieser dürfe auch nicht überbewertet werden, meint OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Denn die Ergebnisse würden zeigen, dass es bei Migranten der zweiten Generation im Lesen kaum Unterschiede zu Menschen ohne Migrationshintergrund gibt.
Laut Sonja Muckenhuber, Leiterin der zentralen Beratungsstelle für Basisbildung, läge es am "Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Umstände." "Probleme beim Lesen haben nichts mit Intelligenz zu tun", betont sie im APA-Gespräch.
Nicht-lesendes Elternhaus
Erwachsene mit Leseproblemen kämen demnach oft selbst aus Familien, wo auf das Lesen nicht so viel Wert gelegt wird. Können die Eltern nicht lesen, haben auch die Kinder Nachteile. Etwa weil die Eltern Schultermine nicht einhalten können, weil sie das Informationsschreiben nicht verstehen. Hinzu käme die Scham der Betroffenen und der Spott der Schulkollegen.
Die daraus resultierenden Problemen könne die Schule nur zum Teil anfangen, denn die Klassen seien zu groß, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und nicht jede Leselernmethode funktioniere für jedes Kind. Also müssten bei einer Problematik auch die Eltern tätig werden. Probleme beim Lesen würden in der Schule oft auch nicht oder zu spät erkannt.
Nicht-lesende Eltern sind Nachteil für die Kinder
Menschen, die nicht oder schlecht lesen können, leben lieber mit Nachteilen, als etwas dagegen zu tun, berichtet Muckenhuber. Sie riskieren mitunter sogar ihren Job. Wer seine Termine beim AMS verpasst, weil er die Einladung nicht versteht oder noch dazu die Uhr nicht lesen kann, werde als unwillig eingestuft. Muckenhuber erzählt auch von Saisonarbeitern aus einem Kurs, die Monate ohne Einkommen in Kauf genommen haben, weil sie sich nicht imstande sahen, den AMS-Antrag zu stellen. Aus Scham des Handicaps ziehen sich viele Betroffene zurück und vereinsamen.
Entstigmatisierung nötig
Muckenhuber würde sich eine Entstigmatisierung des Themas wüschen, viele Erwachsene mit Leseproblemen seien durchaus beruflich erfolgreich. "Wenn jemand erzählt, dass er in Mathematik nie gut war, käme niemand auf die Idee zu sagen: 'Was muss das für ein Vollkoffer sein!'" Bei einem unaufgeregten Umgang mit dem Thema wäre es aus ihrer Sicht auch möglich, Angebote aus der Erwachsenenbildung zu bewerben. Dank kleiner Gruppen und auf die Interessen der Kursteilnehmer abgestimmter Materialien seien in der Erwachsenenbildung beim Lesenlernen auch schnelle Erfolge möglich.
Angebote für Lesen, Schreiben, Rechnen gibt es bei der Erwachsenenbildung unter diesem Link.
Auf den Punkt gebracht
- Die neue OECD-Studie PIAAC zeigt, dass 29 Prozent der Erwachsenen in Österreich Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, was einem Anstieg von 700.000 Personen in den letzten zehn Jahren entspricht.
- Die Gründe dafür sind vielfältig und umfassen unter anderem nicht-lesende Elternhäuser und die Scham der Betroffenen, wobei betont wird, dass Leseprobleme nichts mit Intelligenz zu tun haben.