Gesundheit
"Wegen Rüsselbrust hatte ich 8 Jahre nur mit BH Sex"
In der Pubertät entwickelt sich die Brust von Anna nicht normal. Bis heute leidet sie an ihrer "Rüsselbrust" – einer genetischen Fehlbildung.
"Eines Tages beim Duschen nach dem Turnunterricht bemerkte ich, dass die Brüste meiner Klassenkameradinnen völlig anders aussahen als meine. Ich war damals 14 Jahre alt. Zuhause erzählte ich meiner Mutter davon, die meinen Busen prüfte und mich sogleich bei der Frauenärztin anmeldete. Diese stellte die Diagnose 'tubuläre Brust' oder 'Rüsselbrust', eine Fehlbildung – und sagte, dass meine Brust nie normal sein würde", erzählt Anna aus der Schweiz. (28).
Was genau ist eine tubuläre Brust? Wie viele Frauen sind davon betroffen?
Die tubuläre Brust ist charakterisiert durch eine schlauchähnliche Form, die in der Pubertät entsteht. Dabei wölbt sich das Drüsengewebe hervor, so dass der Warzenhof stark aufgedehnt ist. Die Rüsselbrust ist meist eher sehr klein und hängt fast immer. Beide Seiten sind ungleich geformt und ungleich gross. Man teilt die tubuläre Brust in drei Schweregrade ein. Es gibt keine verlässlichen Angaben zur Häufigkeit. Gemäss unbestätigter Quellen sollen fünf Prozent aller Frauen daran leiden.
Was kann dagegen getan werden?
Die Korrektur der tubulären Brust ist ausschliesslich über eine Operation möglich.
Wann wird eine OP empfohlen? Was wird bei der OP gemacht?
Frauen mit einer tubulären Brust leiden häufig unter der abnormen Brustform. Bei hohem Leidensdruck sollte eine Korrektur-OP in Erwägung gezogen werden. Die Erfolgsaussichten auf eine anschliessend zufriedenstellende Brustform sind sehr gut. Bei einer OP wird das zu straffe Gewebe gespalten, so dass sich das weichere Brustgewebe unter der Haut auf natürliche Art gleichmässig verteilen kann. Zudem wird die Höhe der Brustfalte korrigiert. In einigen Fällen muss die Brust mit Silikonimplantaten vergrössert werden.
Duschen im Bikini
Für die junge Frau bricht eine Welt zusammen. "Wie sollte ich mit solchen Brüsten jemals einen Mann kennenlernen können?", fragt sich die Pubertierende damals. Sie beginnt sich abzukapseln, duscht nur noch mit Bikinioberteil und ihre Brust unter großen T-Shirts zu verstecken. Mit Freundinnen spricht sie nicht darüber, was sie belastet. "Sie bemerkten zwar, dass etwas mit mir nicht stimmte, aber irgendwann war ich einfach immer nur 'die Verklemmte'".
Rund zwei Jahre nach der Diagnose findet Anna dann ihren ersten Freund. Die beiden führen acht Jahre lang eine Beziehung. "Doch meine Brüste sah er nie. Eher hätte ich mich von ihm getrennt, als ihm meinen Busen zu zeigen. Sex hatten wir immer mit BH", so Anna. "Am Anfang irritierte ihn das sehr, worauf ich ihm irgendwann von meiner Fehlbildung erzählte – und er mein schräges Verhalten akzeptierte."
"Meine Brust zu zeigen, war einer der schlimmsten Momente meines Lebens"
Auch ihrem zweiten Freund gibt sie zu verstehen, dass es Zeit braucht, bis sie sich vor ihm nackt zeigen kann – und schlief erneut nur mit BH mit ihm. Doch der Freund ist hartnäckig und hört nicht auf zu fragen, was los sei. Anna nimmt all ihren Mut zusammen und zeigt ihm ihre Brust – wie sie nun eben ist. Für den jungen Mann ist die ungewöhnliche Form kein Problem. "Mein Freund sagte mir, er liebe mich so, wie ich bin – auch mit meiner Rüsselbrust. An den Komplexen, die ich deshalb habe, hat sich trotzdem bis heute nichts geändert", gesteht sie.
"Ich will weder lügen noch jammern, um die OP bezahlt zu kriegen"
Annas Brust könnte operiert werden. Doch die Krankenkasse hat das Gesuch auf Kostenübernahme zweimal abgelehnt. Ihre Ärztin gibt ihr den Tipp, es über einen Umweg beim Psychiater zu versuchen und dort zu betonen, wie sehr sie unter der Fehlbildung leide. Doch das lehnt Anna ab. "Das kam mir falsch vor. Ich will weder lügen noch jammern, um die OP bezahlt zu kriegen, denn eigentlich habe ich ein glückliches Leben." Also müsste Anna die OP selbst bezahlen. Umgerechnet 10.000 bis 15.000 Euro wollte sie dafür sparen – gelungen ist es ihr bisher nicht.
"Doch wenn ich mich an heissen Tagen in riesigen Shirts verstecke, einen Pulli anziehe, wenn der Pöstler klingelt – und mein Kind wegen der Form meines Busens nicht stillen kann, werde ich traurig. Mein grösster Traum wäre es, normale Brüste zu haben und mich weiblich fühlen zu können. Ich denke, das wünscht sich jede Frau."
Die Krankenkasse, bei der Annas Ärzte die Gesuche gestellt hatten, kann aus Datenschutzgründen keine Auskunft zum Fall geben. Bei "Sympany", ihrer aktuellen Kasse, heisst es, dass bei tubulären Brüsten keine generelle Aussage zur Kostenübernahme gemacht werden könne. "Jede Anfrage wird durch die Vertrauensärzte von Sympany individuell beurteilt. Die Kostenübernahme durch den obligatorischen Krankenversicherer setzt einen Krankheitswert voraus. Die Empfindung zum Aussehen eines Organes an sich stellt noch keinen Krankheitswert dar", so Marc Lüthi von "Sympany". "Wenn der ästhetische Mangel körperliche oder psychische Beschwerden mit Krankheitswert verursacht hat und deren Behebung das eigentliche Ziel des Eingriffs ist, kann dies zur Folge haben, dass die Grundversicherung die OP übernimmt."
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