"Ärgste Geschichte"

Während Wiens Schüler jammern: Kinder schuften in Minen

Niki Glattauer war Lehrer und Direktor: Während unsere Schüler über die "sch... Schule"  klagen, wagt der Kolumnist den Blick in afrikanische Minen.

Niki Glattauer
Während Wiens Schüler jammern: Kinder schuften in Minen
"Heute"-Kolumnist Niki Glattauer war Lehrer und Schuldirektor in Wien.
Sabine Hertel

Kaum Herbstferien – da höre ich Schüler schon jammern, dass nächsten Montag "wieder die sch(...) Schule beginnt." Ehrlich, solche Kinder sollten einmal lesen, was "Alle Welt", das Österreich-Magazin der Missionswerke, nun veröffentlicht hat. "Es ist die vielleicht ärgste Geschichte, die man erzählen kann." So beginnt die Reportage von "Missio"-Chefredakteur Christoph Lehermayr und Fotograf Simon Kupferschmied.

Sie führt nach Madagaskar, tief unter die Erde, hinein in eine der 180 illegalen Minen, in denen 20.000 Menschen, darunter tausende Kinder, unter unerträglichen Umständen ein Mineral schürfen, das keiner beim Namen kennt – und das doch überall drin ist (siehe unten): "Mica", auf Deutsch "Glimmer". Tagein, tagaus graben sich Kinder - solche, wie sie bei uns in die "sch... Schule" gingen - durch steinige Gräben, um die mineralischen Brocken dann bei brütender Hitze quer über das staubige Land zu den LKW mit den chinesischen (!) Fahrern zu schleifen.

"Mica" ist hitzeresistent, Licht reflektierend, der perfekte Isolator. Es ist als Pulver in Batterien, Leiterplatten, PC und Tablets, findet sich in Glitzer-Lacken und lässt Lipgloss, Lidschatten und Zahnpasta schimmern. In Europa zahlt man 50 Euro pro Kilo, die Menschen in den Minen Madagaskars bekommen 9 Cent dafür.

"Die Hölle glitzert hell" titelt "Alle Welt" ihre Reportage. Es fehle in den Minen an sauberem Wasser, an Latrinen, an Medikamenten. Praktisch alle hätten chronischen Durchfall, es gebe Seuchen, die Krätze grassiere. "Wer hier krank wird, stirbt", zitiert Lehermayr einen Priester. Der bedauert aber am meisten, "dass die Kinder hier nie eine Schule sehen werden." Denn nur durch Bildung könnte man diesem "Teufelskreis des Schreckens" entkommen. Es ist dieser Priester (mit Baseballkappe und Motorrad), der die beiden Österreicher "ans Ende der Welt" gebeten hat. Die Welt soll sehen, wie sich Kinder, statt in der Schule lernen zu dürfen, in Erdlöchern zu Krüppeln arbeiten.

Dieser Priester hat auch einen Plan: Er will eine Schule bauen. Dafür braucht er internationale Unterstützung, denn die chinesischen Minenbesitzer wollen davon natürlich nichts wissen... Die Reportage der österreichischen "Missio"-Reporter könnte ein Anfang sein. Andernfalls geht das weiter, was Lehermayr / Kupferschied in Wort & Bild auf 16 Seiten dokumentiert haben (allewelt.at): Unter der Erde lösen die Männer und Buben mit Brecheisen, Beilen und bloßen Händen das Mineral aus dem Felsen, oben sortieren die Frauen, Mädchen und kleinen Kinder mit stumpfen Messern die Glitzer-Plättchen heraus - in einer fürchterlichen Endlosschleife... Zu Wort kommt eine Frau. Seit zwei Jahren sei sie nicht mehr in ihrem Dorf gewesen, niemand warte dort auf sie. In der einen Hand hält sie einen Hammer, in der anderen ihr Baby...

Danke, „allewelt“!

Glattauer gibt Noten
Niki Glattauer war 25 Jahre Lehrer und Schuldirektor in Wien. Er hat bisher 13 Bücher veröffentlicht, alle zum Thema Schule wurden Bestseller. Jeden Montag vergibt er in einer Kolumne für "Heute" Schulnoten. Mail bitte an: [email protected]
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    Auf den Punkt gebracht

    • Niki Glattauer, ehemaliger Lehrer und Schuldirektor, kontrastiert in seiner Kolumne das Jammern der Wiener Schüler über das Ferienende mit den erschütternden Zuständen in den illegalen Minen Madagaskars, wo tausende Kinder unter extremen Bedingungen das Mineral "Mica" abbauen
    • Die Reportage von "Missio"-Chefredakteur Christoph Lehermayr und Fotograf Simon Kupferschmied zeigt die brutalen Arbeitsbedingungen und den Mangel an grundlegenden Lebensmitteln und medizinischer Versorgung, während ein Priester versucht, durch den Bau einer Schule den Teufelskreis zu durchbrechen
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