"Gewalt Gefahr für Demokratie"

"Wachsam sein": Nehammer gibt jetzt Warnung ab

Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer spricht im "Heute"-Interview über die bevorstehenden Wahlen, und warum die Demokratie bei uns in Gefahr ist.

In vier Tagen stehen die EU-Wahlen auf dem Programm, sämtliche Umfragen sagen der ÖVP starke Verluste voraus. Im "Heute"-Interview spricht Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer über das "links dominierte" EU-Parlament, Gewaltexzesse von Islamisten, Gefahren für die Demokratie und warum die Koalition mit den Grünen trotz allem noch funktioniert.

"Heute": Herr Bundeskanzler, Österreich stellt gerade einmal 19 von 705 EU-Mandataren. Warum sollen die Österreicher da überhaupt zur Wahl gehen?

Karl Nehammer: In der kommenden Periode sind es 20. Am 9. Juni besteht die Chance, sich als EU-Bürger am politischen Prozess zu beteiligen. Das EU-Parlament ist wichtig, weil es sehr viel Macht gegenüber der Europäischen Kommission hat. Wohin das führt, wenn aus meiner Sicht die falschen Gruppen an der Macht sind – in dem Fall war das EU-Parlament jetzt sehr links dominiert – sieht man am Verbrennerverbot und an vielen anderen Maßnahmen der Überregulierung, die einfach nicht gut sind für die einzelnen Mitgliedsländer und somit für Österreich.

Die Umfragen sagen eine Wahlschlappe für die ÖVP, Ihre Partei voraus. Schließen Sie Konsequenzen nach einer schlechten Wahl aus?

Ja.

Karl Nehammer im Interview mit "Heute"

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    Der Kanzler stand im Kreisky-Zimmer dem&nbsp;<em>"Heute"</em>-Team Rede und Antwort.
    Der Kanzler stand im Kreisky-Zimmer dem "Heute"-Team Rede und Antwort.
    Helmut Graf

    Attacken auf Polizisten und Wahlhelfer in Deutschland, Messerattacken und Ausschreitungen auch bei uns – was passiert da gerade in Europa?

    Ich bin zutiefst beunruhigt über Ausschreitungen gegen wahlwerbende Gruppierungen in Deutschland. Gewalt ist eine Gefahr für die Demokratie. Wir müssen wachsam sein. Wir müssen den Sicherheitsbehörden die notwendigen Instrumente in die Hand geben, um die Gesellschaft zu schützen, um gegen Radikale vorzugehen. Das heißt gegen Rechtsradikale, Linksradikale und Islamisten. Auch der Tod des deutschen Polizisten hat mich zutiefst erschüttert. Es sind Menschen, die sich für unsere Sicherheit einsetzen und dafür mit ihrem Leben bezahlen. Und es muss uns wachrütteln, dass wir hier entschieden dagegen aufstehen. Jeder kann das tun.

    Ist die Demokratie bei uns in Gefahr?

    Nein, denn ich finde, das zu behaupten wäre Angstmache und Angst bringt in diesem Fall nichts. Ich würde es anders formulieren: Die Demokratie ist ein kostbares Gut, das immer verteidigt werden muss. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Aber ich mache mir um die Demokratie Sorgen, so wie sich Eltern Sorgen um ihr Kind machen.

    Auch in Österreich kommt es immer wieder zu Gewalt auf der Straße. Bei uns ist das Messerverbot derzeit örtlich beschränkt – soll es ausgeweitet werden?

    Ich habe da volles Vertrauen in den Innenminister. Er hat gerade diese neuen Maßnahmen etabliert, er evaluiert sie und dann wird entschieden.

    Unser Ziel ist es, die illegale Migration gegen Null zu drängen.
    Karl Nehammer
    Bundeskanzler (ÖVP)

    In Wien müssen derzeit Tausende Flüchtlingskinder aus dem Familiennachzug versorgt werden. Kann man den Familiennachzug nicht beschränken?

    Wir haben durch unsere Verschärfung der Maßnahmen jetzt schon erreicht, dass der Nachzug deutlich zurückgegangen ist. Der Familiennachzug muss mit der Verträglichkeit der Integration übereinstimmen. Wir haben in der Frage der Kontrolle, etwa mit DNA-Überprüfung, ob das tatsächlich Familienangehörige sind, schon erste Erfolge erzielt. Diesen Weg gilt es konsequent fortzusetzen.

    SPÖ-Chef Babler meint, es gibt keine Obergrenzen bei Flüchtlingen. Hat er recht, weil sich der Zuzug offenbar nicht begrenzen lässt?

    Unser Ziel ist es, die illegale Migration gegen Null zu drängen. Und ich sage Ihnen auch wieso: Schlepper dürfen nicht darüber entscheiden können, wer nach Europa kommt und wer nicht. Die Menschen riskieren ihr Leben und das ihrer Kinder auf dieser gefährlichen Reise und die Schleppermafia macht Milliarden damit. Der entscheidende Faktor ist also der Kampf gegen die illegale Migration und die Schleppermafia – nicht eine Obergrenze. Aktuell haben wir niedrige Aufgriffe an den österreichischen Grenzen. Das liegt an den unterschiedlichen Maßnahmen, die wir gesetzt haben: die Grenzkontrollen, die Operation Fox und der Einsatz von mehr als 130 Polizistinnen und Polizisten in den verschiedenen Staaten des Westbalkan.

    Es ist kaum erträglich, aber das Messerattentat auf den Polizisten wird von Islamisten in sozialen Medien gefeiert. Warum kann man das nicht unterbinden?

    Es ist notwendig, dass die Strafverfolgungsbehörden mehr eingreifen können, alles, was mit dem Aufruf zu Verhetzung zu tun hat, muss ausnahmslos hart bestraft werden. Ich habe ein paar solcher Videos gesehen und erwarte, dass mit allen Möglichkeiten gegen solche Menschen vorgegangen wird. Es ist ein öffentlicher Raum und da kann man auch nicht den Nationalsozialismus verherrlichen, weder auf TikTok noch woanders. Das andere ist, dass wir uns noch viel tiefer mit Social Media Betreibern auseinandersetzen müssen. Diese Unternehmen müssen solche Inhalte erkennen und aus dem Netz nehmen.

    Sie sind in einer Koalition mit den Grünen, täglich werden einander Unfreundlichkeiten ausgerichtet. Gibt es noch gemeinsame Entscheidungen bis zur Wahl?

    Ja, zum Beispiel muss das letzte Drittel der kalten Progression noch geregelt werden. Es geht um die Frage, wie wir das Wohnbaupaket tatsächlich finalisieren, dies ist ein parlamentarischer Prozess. Also wir müssen noch an ein paar Schrauben drehen. Wir sind erst die zweite Koalition, die es geschafft hat, die komplette Legislaturperiode fertig zu dienen. Die Bilanz kann sich sehen lassen.

    Österreich muss einen EU-Kommissar oder eine EU-Kommissarin nominieren, wann wird das passieren?

    Zunächst einmal gilt es, die EU-Wahl zu schlagen: Ich habe jetzt viele Gespräche mit der europäischen Volkspartei-Fraktion, mit von der Leyen sowie mit Manfred Weber. Wir sind hier in enger Abstimmung. Ich brauche die Mehrheit im Hauptausschuss des Nationalrates, dazu wird es auch Verhandlungen mit den Grünen geben. Das wird mit Sicherheit in den Sommer hineingehen. Wir haben viele gut geeignete Kandidatinnen und Kandidaten, aber das Entscheidende wird sein, welches Portfolio zur Verfügung steht, damit man den oder die Richtige findet.

    Ich würde es begrüßen, wenn ein Platz oder eine Straße nach ihr benannt würde.
    Karl Nehammer (VP)
    über Brigitte Bierlein

    Nach der EU-Wahl stehen die Nationalratswahlen vor der Tür. Werden Sie nach der Wahl noch Kanzler sein?

    Das liegt nun mal in der Entscheidung der Wählerinnen und Wähler.

    Was machen Sie, wenn Sie nicht mehr Kanzler werden?

    Mit dieser Frage beschäftige ich mich nicht, ich trete an, um wieder Kanzler zu werden.

    Zum Abschluss noch eine Frage zu Brigitte Bierlein, Österreichs einziger Bundeskanzlerin bis jetzt. Was halten Sie davon, eine Straße nach ihr zu benennen?

    Ich würde es begrüßen, wenn ein Platz oder eine Straße nach ihr benannt würde. Brigitte Bierlein war eine große Österreicherin, sie war eine Vorreiterin, sie war die erste Verfassungsrichterin, sie war die erste Bundeskanzlerin und was sie menschlich auszeichnete, sie war eine Frau, die den Dialog und das Zuhören gesucht hat.

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      Leserreporter

      Auf den Punkt gebracht

      • Bundeskanzler Karl Nehammer spricht in einem Interview über die Bedeutung der EU-Wahlen, die Gefahren für die Demokratie durch Gewaltexzesse von Islamisten und die Zusammenarbeit mit den Grünen
      • Er betont die Wichtigkeit der Beteiligung an den Wahlen und die Notwendigkeit, die Demokratie zu verteidigen
      • Trotz Meinungsverschiedenheiten mit den Grünen gibt es noch gemeinsame Entscheidungen bis zur Wahl und Österreich muss noch einen EU-Kommissar nominieren
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