Polit-Experte Peter Hajek
"Von Lena Schillings Antreten profitieren Grüne und FP"
Lena Schilling soll die Grünen in die EU führen. "Heute" fragte Polit-Experte Peter Hajek, wie die Chancen für die Klimaaktivistin stehen.
Ist den Grünen mit der 23-jährigen Wiener Klimaaktivistin Lena Schilling ein Glücksgriff und ein Coup gelungen? "Das ist noch nicht ausgemacht. Aber der Auftakt war jedenfalls vielversprechend", sagte Meinungsforscher und Polit-Experte Peter Hajek im "Heute"-Gespräch. So sei auch Schillings erster Auftritt bei Armin Wolf in der "ZiB 2" "mehr als solide" gewesen. Sie sei "rhetorisch beschlagen, in ihrer Kommunikation sehr authentisch und inhaltlich in ihrem Themenbereich sattelfest".
"Erfrischende Art und Weise"
Schilling vertrete das, was die Grünen seit ihrer Gründung immer schon vertreten hätten, und das "auf eine ganz andere, erfrischende Art und Weise". Damit spreche sie umweltaffine, grüne, junge, gut ausgebildete Wähler im urbanen Bereich an. "Damit könnte sie auch in SPÖ- und Neos-Sektoren hineinstrahlen", so der Experte.
Zugute komme ihr neben dem Klimaschutz ihre klare Position gegen Rechts, indem sie die Freiheitlichen etwa frontal als "Rechtsextreme" attackiere. "Von Schillings Antreten und ihrer Positionierung profitieren beide, sowohl die Grünen als auch die FPÖ", analysiert der Experte. Schilling könne in diese Auseinadersetzung "ohne Rücksicht auf Verluste" gehen.
Die EU-Wahlen finden in Österreich am 9. Juni statt. Lena Schilling (23) ist die einzige weibliche Spitzenkandidatin. Die übrigen vier sind Männer. Die ÖVP schickt ihren Nationalratsabgeordneten und außenpolitischen Sprecher Reinhold Lopatka (64) ins Rennen, bei der SPÖ führt wieder Andreas Schieder (54) die Kandidatenliste an. Er sitzt seit 2019 im EU-Parlament. Auch die FPÖ ändert den Frontmann nicht: Harald Vilimsky (57) soll die guten Umfragewerte ins Ziel bringen. Seit Samstag steht auch der Neos-Listenerste fest: Es ist der langjährige Journalist und Quereinsteiger im Nationalrat Helmut Brandstätter. Mit 68 Jahren ist er der Senior in dieser Riege.
Die Frage sei vielmehr, wie die Mitbewerber mit ihr umgehen, etwa wenn es darum gehe, Schilling zu attackieren. Das gelte nicht nur für SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder und ÖVP-Frontmann Reinhold Lopatka: "Da sollten alle sehr bewusst aussuchen, wer solche Angriffe führt. Wohl besser kein Mann über 50."
Reichen die Themen Klimaschutz und Anti-Rechts tatsächlich für eine Spitzenkandidatin? "Diese zwei Themen genügen tatsächlich", meint der Meinungsforscher. ÖVP und SPÖ, aber etwas geringer auch die Neos, hätten ein größeres Unterscheidungsproblem. "Die Neos können wenigstens für sich sagen: ,Wir sind absolute Europäer.'"
„Reinhold Lopatka hat mehr Erklärungsbedarf als Lena Schilling.“
In den ersten Interviews musste die Aktivistin immer wieder beteuern, dass sie sich nach den Absagen von Klimaministerin Leonore Gewessler und Jutizministerin Alma Zadic nicht als dritte Wahl für die Position der Spitzenkandidatin fühle. Kann ihr diese Diskussion schaden? "Nein, die ist vollkommen egal", meint Hajek. "Da hat Reinhold Lopatka mehr Erklärungsbedarf als Lena Schilling". Sie gelte als frisch, neu, und habe zudem die Attitüde "unangepasst", weil sie in der Vergangenheit die Grünen immer wieder kritisiert habe. "Lopatka ist zwar versiert und ein alter Politik-Fuchs, aber sicher keine Zukunftsansage."
Mangelnde Bekanntheit als Problem?
Könnte ihre mangelnde Bekanntheit zum Problem für Schilling und die Grünen an sich werden? Auch das glaubt Hajek nicht: "Sie hat eine Kolumne in der ,Kronen Zeitung‘, ist neu und interessant und damit sicher nicht unter dem Radar. Die Medien werden auf sie zukommen", sagt der Experte.