Nach Aufregung um ATV-Format

"Viele Frauen lassen den Sex über sich ergehen"

Im Zuge der Aufregung um das ATV-Format "Das Geschäft mit der Liebe", ein Einblick, wie es betroffenen Frauen wirklich ergeht und wo sie Hilfe finden.
Heute Life
25.03.2025, 22:53

Der Wiener Privatsender ATV sieht sich momentan mit Kritik konfrontiert. "Heute" hat berichtet. Konkret geht es um das Realityformat "Das Geschäft mit der Liebe", die Single-Männer auf der Suche nach der großen Liebe begleitet. Die Sendung gehört seit mittlerweile 15 Jahren zum Repertoire des Senders. Der Ton der Sendung ist allerdings alles andere als verliebt. Derb-sexistisch fallen viele Wortmeldungen der Herren aus, auch an Grapscherei fehlt es nicht.

Nun hat sich Vize- und Medienminister Andreas Babler in der Diskussion eindeutige Stellung bezogen. In jüngst veröffentlichten Ausschnitten der Serie würden sexuelle Übergriffe und Ausbeutung von Frauen verharmlost werden. Im TV habe so etwas nichts zu suchen. Als Minister wolle er das "nicht einfach zur Kenntnis nehmen".

"Sendungen wie diese normalisieren frauenverachtendes Verhalten"

Julia Brož ist Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser. Sie befürchtet, dass Sendungen wie diese, frauenverachtendes Verhalten normalisieren. Besonders pikant unter der Tatsache, dass die Sendung ab 12 Jahren freigegeben ist und junge Menschen stark beeinflussen könnte.

Der Begriff "sexuelle Gewalt" ist sehr weit gefasst und meint nicht nur die Vergewaltigung an sich, sondern auch vieles im Kleinen. Sexuelle Belästigung (auch verbal), Zwangsprostitution, ungewollte Berührungen, vom Partner zu sexuellen Handlungen gezwungen werden.

Eine der bekanntesten Definitionen von Gewalt gegen Frauen wurde bei der UN Weltfrauenkonferenz erarbeitet: "jede Handlung geschlechtsbedingter Gewalt, die der Frau körperlichen, sexuellen oder psychologischen Schaden oder Leid zufügt oder zufügen kann, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsberaubung in der Öffentlichkeit oder im Privatleben".

"Wir wissen, dass viele Frauen heute noch in der Ehe oder Beziehungen sexuelle Gewalt erleben", so Brož. "Viele Frauen fühlen sich genötigt, den Sex über sich ergehen lassen zu müssen, um schlimmere, brutalere Konsequenzen zu vermeiden."

Wann Frauen aktiv Hilfe suchen, um es aus solchen Zwangssituationen herauszuschaffen, ist laut Brož ganz unterschiedlich. Manche schaffen es schon nach kurzem raus, andere erst nach Jahrzehnten. "Der Durchschnitt ist in den 30ern und etwa 10 bis 15 Jahre in der Partnerschaft." In der Regel gäbe es mehrere Übergriffe, die sich in ihrer Intensität steigern, bis die Frauen Hilfe suchen, weil viele andere Faktoren mitspielen: das familiäre Umfeld, Kinder, finanzielle oder aufenthaltsrechtliche Abhängigkeit.

5 Frauenhäuser in Wien

Für viele ist eines der fünf Wiener Frauenhäuser eine erste Anlaufstelle. "Zu uns kommen Frauen aus jeder sozialen Schicht und aus vielen Ländern." Eine Aufnahme ins Frauenhaus ist nicht an eine Anzeige des Täters gebunden. Brož bezieht sich auf Daten der Statistik Austria, wonach nur 17 Prozent jener Frauen, die Gewalt in Intimbeziehungen erleben, Anzeige erstatten. "Eine Anzeige zu erstatten, bedeutet für die Frauen, eine hohe Hemmschwelle zu überwinden. Das schaffen nicht alle. Viele wenden sich stattdessen an Freundinnen, Freunde und Bekannte."

Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene

Die Zahl der Verurteilungen infolge von Strafanzeigen falle gering aus, weil es nur selten zu einer Anklage komme. Viele Anzeigen würden aufgrund schlechter Beweislage eingestellt. Dem sollen die Untersuchungsstellen für Gewaltbetroffene in Innsbruck, Graz und seit Jänner 2025 auch in Wien entgegenwirken. Dort können Gewaltopfer ihre Verletzungen professionell dokumentieren lassen, ohne gleich eine Anzeige erstatten zu müssen. Sollten sie dies später doch wollen, kann auf das gesicherte Material zurückgegriffen werden. "Wir hoffen, dass es durch diesen wichtigen Schritt zu mehr Täterverurteilungen kommt."

Wie kommt man ins Frauenhaus?

Weil die Adressen der Wiener Frauenhäuser geheim sind, können Frauen über den Notruf der Wiener Frauenhäuser 057722 in Kontakt treten. Nach Abklärung der Situation wird eine Aufnahme in eines der Häuser organisiert. Kinder jeden Alters können mitkommen. Auch wer keine finanziellen Mittel hat, findet im Frauenhaus Schutz.
Die Frauen können bleiben, solange eine Gefahrensituation besteht. Durchschnittlich bleiben sie  2 bis 3 Monate. "In dieser Zeit machen wir eine Sicherheitsplanung und helfen ihnen bei allen Anliegen: Scheidung, Anzeige, Job- und Wohnungssuche."

Wie Frauen sich helfen können

In der Akutsituation rät Brož dazu, auf jeden Fall die Polizei zu rufen. Schon bei einer Drohung kann ein 14-tägiges Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen werden. Der Mann bekommt in dieser Zeit eine Gewaltpräventionsberatung und die Frau wird vom Gewaltschutzzentrum Wien beraten. In diesen 14 Tagen kann die Frau entscheiden, ob sie beim Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen möchte, das das Kontaktverbot bis zu einem Jahr verlängern kann.

Anlaufstellen für Frauen

Gewaltschutzzentren Österreich

Frauen-Helpline: 0800222555

24-Stunden-Frauennotruf: 0171719

Frauenhaus Notruf: 057722 (0-24 Uhr)

Frauennotruf der Stadt Wien: 0171719; frauennotruf@wien.at

Notruf bei sexueller Gewalt: 015232222; notruf@frauenberatung.at

Die Beratungen sind kostenlos. Die Beratungsstellen sind gut miteinander vernetzt, sodass in jedem Fall weitergeholfen werden kann – egal, bei welcher angerufen wird.

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