Ein Chalet im Hauptort von Guttannen, Schweiz. Im nahen Weiler Flesch sind die Häuser der Familie von Bergen von Felsstürzen bedroht.
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Im Berner Oberland ist bereits eine Familie zu Klimaflüchtlingen im eigenen Land geworden. Die NZZ berichtete am Wochenende über die "Vertreibung aus dem Paradies", wie es die Betroffene selbst nennt.
Franziska von Bergen musste ihr liebevoll renoviertes Haus auf dem Familiengrundstück wegen der bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels verlassen: "Das ist mein Stück Land. Das ist mein Haus. Und jetzt darf ich es nicht mehr bewohnen."
"Ersten Monate waren die Hölle"
Auch ihre Eltern (75, 78), die auf einem alten Bauernhof in der Nähe leben, müssen weg. Über beide Häuser der Familie von Bergen hat die Gemeinde Guttannen im Jänner 2024 ein Nutzungsverbot verhängt. Die Gebäude sollen sogar abgerissen werden.
"Die ersten drei Monate waren die Hölle. Ich habe sehr viel geweint", erinnert sich Franziska von Bergen im Gespräch mit der NZZ an die Zeit nach der Kundmachung zurück. Es sei die einsamste Zeit ihres Lebens gewesen.
Franziska von Bergens Heimat: Der Weiler Flesch, Gemeinde Guttannen, liegt im Haslital zwischen Aare und dem Fuße des Mährenhorns.
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Schutzmauer reicht nicht mehr
Hinter dem Räumbescheid steht die Sorge um Leib und Leben. Durch die immer weiter steigenden Temperaturen taut der Permafrost im Berg oberhalb auf.
Welche dramatischen Auswirkungen hat, zeigte nicht zuletzt der gigantische Felssturz am Fluchthorn, das dadurch regelrecht enthauptet wurde. "Heute" berichtete:
Auch rund um den Weiler Flesch, wo die von Bergens leben, gab es deshalb immer mehr Murenabgänge und Steinschläge. Der Kanton Bern hatte dagegen noch vor zwei Jahren eine Schutzmauer errichtet, doch die könnte neuen Berechnungen zufolge den inzwischen erwarteten Gesteinsmassen nicht standhalten.
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Müssen wir Alpentäler aufgeben?
Das Schicksal von Franziska von Bergen und ihrer Eltern könnte künftig noch viel mehr Alpenbewohnern drohen, auch in Österreich. Durch den Klimawandel werde man sich bald die Frage stellen müssen, ob gewisse Täler überhaupt noch bewohnt bleiben können, sagt Reinhard Steurer.
Der Professor für Klimapolitik an der BOKU Wien ist überzeugt, dass exponierte Regionen wohl aufgegeben werden müssen – und das alleine schon aus dem Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit: "Die Infrastruktur wird dort öfter zerstört werden, als man sie wieder aufbauen kann."
„Wir werden in den Alpen Lebensraum verlieren“
Reinhard SteurerProfessor für Klimapolitik, BOKU Wien
Die Erderhitzung führt zu einer Zunahme von Extremwetter-Ereignissen. Gegenüber der NZZ zeichnet Steurer ein düsteres Bild der Folgen: "Wenn wir gegen Ende des Jahrhunderts 3 Grad Erhitzung haben statt 1,5, dann verdoppeln sich die Extremereignisse nicht einfach, sondern sie nehmen exponentiell zu."
Derzeit würde man beschädigte Gebäude und Infrastruktur nach jeder Katastrophe wieder sanieren, doch "wenn das zweimal oder dreimal passiert, [...] dann kann man einen Wiederaufbau sozioökonomisch nicht mehr rechtfertigen."
Steurers erschütternde Prognose: "Wir werden in den Alpen Lebensraum verlieren. Wir reden einfach noch nicht darüber, weil es so nah und deshalb so unangenehm ist."
Er stellt auch auf X klar: "Klimaschutz ist Heimatschutz bzw. Zivilschutz". Gerade Konservative müssten ihm zufolge eigentlich die größten Klimaaktivisten sein. Warum diese und Liberale sich oft schwer täten, für echten Klimaschutz einzustehen? "Weil das ihr Weltbild pro Markt & kontra Regulierung in Frage stellen würde. Da ist es einfacher, Realität zu verleugnen – und Heimat zu opfern."
Damit ist er nicht der einzige, auch unter den Eidgenossen wird bereits über mögliche Absiedelungen diskutiert. "Wir werden wohl nicht darum herumkommen, einzelne Siedlungen aufzugeben", wird Lukas Rühli vom liberalen Think-Tank Avenir Suisse durch die NZZ zitiert. "Für die Betroffenen ist das natürlich brutal, doch man wird ihnen auch nicht gerecht, wenn man das Thema ganz verschweigt."
"Wenn es aufgrund der drohenden Schäden durch den Klimawandel noch teurer wird, diese Orte am Leben zu erhalten, dann kann man das volkswirtschaftlich irgendwann nicht mehr rechtfertigen", so auch Rühli.
So würde etwa die nötige Entwässerung eines vom Abrutschen bedrohten Hanges oberhalb eines 100-Seelen-Dorfes rund 40 Millionen Franken verschlingen. Schweizweit wurden demnach im Vorjahr bereits mehr als eine halbe Milliarde Franken in den Schutz vor Naturgefahren investiert.
Schon heute würden Unmengen an Förderungen in strukturschwache Regionen in den Alpen gepumpt. Schweizweit belaufen sich die Investitionen in Schutz vor Naturereignissen bereits auf mehr als eine halbe Milliarde Franken – und das alleine im Jahr 2023.
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