Neues Buch über Stadtgeologie
Urzeitlicher Ausflug – Wien war einst völlig am Sand
Eine unterhaltsame Zeitreise durch die Urzeiten der Bundeshauptstadt unternimmt das spannende Sachbuch "Wien am Sand" (NHM; 19,90 Euro).
Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert gab es auf Wiener Stadtgebiet hunderte Steinbrüche, Sandabbau und Tongruben. Fossilien dieser Fundstellen in den Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien liefern wichtige Hinweise auf die Klimageschichte Europas.
Das neue Buch "Wien am Sand" von Mathias Harzhauser und Thomas Hoffmann begibt sich nun auf eine Zeitreise durch Wiens turbulente, geologische Vergangenheit.
Wien befand sich an einer Lagune
Blick zurück: "Vor 18 Millionen Jahren lag Wien buchstäblich am Sand: Durch Bohrungen der OMV wissen wir, dass sich dort, wo sich heutig Wien befindet, die Paratethys (ein Randmeer Eurasiens, Anm.) lag", heißt es vom NHM zu "Heute".
Wien befand sich demnach in einer Lagune, die im Süden bei Schwechat in Festland überging, in Richtung Norden (Gegend von Mistelbach) aber immer tiefer wurde und dort 500 Meter Wassertiefe erreichte. Die Wassertemperatur war hoch, fiel auch im Winter nicht unter 20 Grad.
Seekühe weideten in Ottakring
Während sich vor 14 Millionen Jahren ein Sandstrand in Pötzleinsdorf erstreckte, steckte Grinzing im tiefen Meer. Wo heute Bier gebraut wird, weideten Seekühe in den Seegraswiesen von Ottakring. In Kalksburg toste die Brandung an eine von Kiefernwäldern gesäumte Steilküste, heißt es.
In dieser Zeit erlebte die Artenvielfalt ihren Höhepunkt: Tropisch anmutende Küsten beherbergten tausende Arten von Stachelhäutern, Weichtieren, Krebstieren und Fischen. Gegen Süden bildete das heutige Leithagebirge eine isolierte Insel, die von Korallenriffen gesäumt war.
Erster Wein vor 10 Millionen Jahren
Vor 12 Millionen Jahren jagten in Hernals Robben und Alligatoren. Vor 10 Millionen Jahren wuchs rund um Wien der erste Wein an den Ufern des riesigen Pannonsees. Dieses Gewässer bedeckte weite Teile des heutigen Ostösterreichs.
„Vor 12 Millionen Jahren jagten in Hernals Robben und Alligatoren.“
Westlich von Wien entstanden ausgedehnte Auenlandschaften rund um die zahlreichen Arme der Ur-Donau, wie die jüngsten Forschungen der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien ergaben.
Alpen unter Gletschern verschwunden
Vor verhältnismäßig kurzer Zeit – vor 20.000 Jahren – waren die Alpen unter Gletschern verschwunden. Bis Wien reichten die Gletscher aber nie. Hier breitete sich eine blühende Steppenlandschaft mit Kräutern, Gräsern und Sträuchern aus, die riesige Horden an Pflanzenfressern ernährten.
Geologen durchforsteten Sammlungen
In dem durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften geförderten Projekt mit dem Titel "A geological time travel through Vienna" durchforstete ein Team aus Paläontologen die geologischen Sammlungen der Wiener Museen und Universitäten, um die räumliche und zeitliche Verbreitung der verschiedenen Organismen zu erfassen.
23.000 Objekte gaben Aufschluss
Dabei konnten rund 23.000 Objekte bestimmt werden, die von mehr als 230 Fundpunkten innerhalb Wiens stammen. Die Fundpunkte reichen von Rodaun im Westen bis in die transdanubische Donaustadt im Osten, von Stammersdorf im Norden bis Rothneusiedl im Süden.
Auf den Punkt gebracht
- Das Buch "Wien am Sand" von Mathias Harzhauser und Thomas Hoffmann bietet eine faszinierende Zeitreise durch die geologische Vergangenheit Wiens, das einst an einer Lagune lag und von tropischen Küsten und vielfältiger Fauna geprägt war
- Die Forschungsergebnisse, die auf Fossilienfunden basieren, beleuchten die Klimageschichte Europas und zeigen, wie sich die Landschaft und das Leben in Wien über Millionen von Jahren verändert haben