Gesundheit

Unqualifiziertes Personal operiert Patienten – Tote

Bei "Geisteroperationen" in Südkorea führt weniger qualifiziertes Personal die OP durch. Nach Todesfällen müssen die OPs nun videoüberwacht werden.

Sabine Primes
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Südkorea leidet unter akutem Ärztemangel. 
Südkorea leidet unter akutem Ärztemangel. 
Getty Images

Südkorea genießt den Ruf einer medizinischen Versorgung von Weltklasse. Doch das Vertrauen in Ärzte ist auf einem historischen Tiefstand, obwohl das Land über eines der am besten finanzierten und leistungsfähigsten Gesundheitssysteme verfügt. Einer der Gründe für das Misstrauen der Patienten gegenüber südkoreanischen Krankenhäusern ist die weit verbreitete Praxis der "Geisteroperationen", bei denen ein Arzt seine Aufgaben am Operationstisch an einen unbeaufsichtigten Assistenten delegiert, um aus Profitgründen mehr Patienten zu behandeln. Nachdem eine Reihe solcher Fälle an die Öffentlichkeit gelangte und große Skandale auslöste, erließ die lokale Regierung Gesetze, die Krankenhäuser nun verpflichten, Kameras in Operationssälen anzubringen, in denen Patienten unter Vollnarkose behandelt werden.

Südkorea ist nun das erste und bisher einzige Land der Welt, in dem Kameras zur Aufzeichnung chirurgischer Eingriffe vorgeschrieben sind. Dabei sind Kameras in Krankenhäusern nicht neu. In Vietnam sind sie vorgeschrieben, um korruptes medizinisches Personal zu erwischen – allerdings nicht in Operationssälen. Südkorea ist an eine umfassende Videoüberwachung gewöhnt. Bis 2020 hatte die Regierung mehr als 1,3 Millionen Kameras im öffentlichen Raum zur Abschreckung von Straftaten installiert. 

Ärztemangel verschärft die Problematik

Geisteroperationen sind nicht auf Südkorea beschränkt, aber es gibt einige Faktoren, die sie dort ungewöhnlich häufig vorkommen lassen. Dort kommen auf 1.000 Einwohner nur 2,5 Ärzte, während es in anderen Industrieländern durchschnittlich 3,3 sind. Das Problem wird durch die massive Nachfrage noch verschärft. Vor allem seit 2010, als das Land begann, den Medizintourismus für Ausländer für billige Schönheitsoperationen, aktiv zu fördern. Da sie nicht alle Patienten selbst operieren konnten, unterzeichneten einige unethische Ärzte die Operationen mit ihrem Namen, delegierten die Aufgabe aber in Wirklichkeit an Krankenschwestern oder Assistenten. Diese Praxis breitete sich schnell auf andere Arten von Operationen aus, wie z.B. Eingriffe an der Wirbelsäule, die relativ routinemäßig und unkompliziert sind, so dass sie von Krankenschwestern, die für solche Operationen nicht ausgebildet sind, leichter durchgeführt werden können.

In den letzten acht Jahren seien etwa fünf Patienten bei Scheinoperationen gestorben. Dazu gehört ein College-Student in Seoul, der 2016 nach einer Kieferoperation an einer Blutung starb. Seine Mutter beschaffte sich das Filmmaterial seiner Operation und fand Beweise dafür, dass die Operation verpfuscht worden war, weil Teile davon von einem unbeaufsichtigten Pflegehelfer durchgeführt worden waren. Ein Gericht verurteilte den Chirurgen 2021 wegen fahrlässiger Tötung zu einer dreijährigen Haftstrafe.

Profitables Geschäft, verkraftbare Konsequenzen

Geisteroperationen sind in Südkorea sehr profitabel – und die Konsequenzen verschmerzbar. Verpfuschte Operationen, hinter denen die Geisterchirurgie steckt, ziehen nur ein paar Jahre Gefängnis und eine geringe Geldstrafe in Höhe von ein paar Tausend US-Dollar nach sich. Obwohl die Ärzte ihre Zulassung verlieren, wenn sie bei der Durchführung von Scheinoperationen erwischt werden, können sie sich nach drei Jahren erneut bewerben. Südkoreanische Gerichte behandeln Geisteroperationen als Ausübung der Medizin ohne Zulassung, nicht als Körperverletzung. Die Befürworter des neuen Gesetzentwurfs hoffen jedoch, dass diese neuen Auflagen dieser schrecklichen Praxis endlich ein Ende setzen werden.

Nach diesen Vorschriften kann jeder Patient, der unter Vollnarkose operiert werden soll, verlangen, dass die Operation aufgezeichnet wird. Ärzte können dies nur dann ablehnen, wenn sie nachweisen können, dass die Installation von Kameras eine lebensbedrohliche Behandlung verzögern würde oder wenn die Kameras die Ausbildung eines Assistenzarztes in angemessener Weise behindern würden. Das aufgezeichnete Filmmaterial kann bei strafrechtlichen Ermittlungen, medizinischen Streitigkeiten als Beweismittel verwendet werden.

In einigen Kliniken bereits Praxis

Einige südkoreanische Krankenhäuser sind dem Mandat voraus. Das Kookmin-Krankenhaus in der Provinz Gyeonggi hat im Jahr 2020 Überwachungskameras installiert. Sie sind in die Decken der Operationssäle eingebaut. Bei einer Schulteroperation war der Rücken des Arztes der Kamera zugewandt und verdeckte die Operationsstelle. Ein Operationstuch verdeckte das Gesicht des Patienten. Es war jedoch klar zu erkennen, wer welche Arbeiten durchführt. Dr. Choi Sang-wook, der Direktor des Spitals, sagte, die Kameras hätten das Vertrauen der Patienten in das Krankenhaus gestärkt. "Sie haben uns geholfen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen."