Klimaerhitzung in Koalition
"Uneinsichtig" – Edtstadler zerlegt Gewessler im ORF
"Das Beste aus zwei Welten" sollte die Türkis-Grüne Koalition werden. Kaum ist Wahljahr, schießt die ÖVP aus vollen Rohren gegen den Juniorpartner.
Zur nicht rechtskräftigen Verurteilung ihres früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz kam ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler erwartungsgemäß in der ORF-"Pressestunde" kein Wort über die Lippen. Sie zog sich mit der Aussage, "laufende Verfahren" nicht zu kommentieren, aus der Affäre.
Viel lieber feuerte sie – ganz auf Parteilinie – eine türkise Breitseite gegen den urteilenden Richter Michael Radasztics. Kurz nach Kurz' Schuldspruch wurde öffentlich gemacht, dass der Jurist im Mai 2023 selbst zu einer Disziplinarstrafe verurteilt worden war.
Konkret geht es u.a. darum, dass Radasztics vorgeworfen wird, dem Ex-Grünen-Politiker Peter Pilz Details aus Ermittlungsakten in der Causa Eurofighter verraten zu haben. Letzterer vermutet hinter der neuen Attacke einen "Rufmordversuch aus dem ÖVP-Dunstkreis".
Forderung an Justizministerin
Edtstadler forderte im ORF ebenfalls volle Aufklärung von der grünen Justizministerin Alma Zadic ein, denn "alleine der Anschein der Befangenheit schadet der Unabhängigkeit der Justiz".
Was Radasztics denn in ihren Augen hätte tun sollen, um genau einen solchen von vornherein im Kurz-Prozess auszuschließen? Das "kann und will ich nicht über die 'Pressestunde' ausrichten", antwortete die Ministerin wortkarg, verwies nur auf ein unter Richterschaft bekanntes "Prozedere" bei Befangenheit.
Suhle sich Sebastian Kurz nicht jetzt wehleidig in Opferrolle und mache die Justiz in seinem Rundumschlag zum Kollateralschaden, wollte ORF-Moderator Andreas Mayer-Bohusch schlussendlich noch von ihr wissen. Edtstadler knapp: Sie sei weder die Verteidigerin von Sebastian Kurz noch befugt darüber zu urteilen. "Sie werden von mir keine Attacken auf die Justiz erleben", fügte sie hinzu, schlug den Bogen zurück zu Zadic: "Da ist jetzt die Justizministerin gefordert."
Erhitztes Klima in der Koalition
Das war schon fast das Stichwort für eine heftige Attacke gegen den grünen Koalitionspartner. Insbesondere der Streit mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler über nach Brüssel gesendeten und von der ÖVP wieder zurückgezogenen Nationalen Energie- und Klimaplan sorgt für dicke Luft.
"Dieser Plan ist nicht abgestimmt worden mit den anderen [ÖVP-geführten, Anm.] Ressorts, die davon betroffen sind. [...] Und sie hat trotzdem diesen Plan ohne unser Wissen nach Brüssel übermittelt", ärgert sich Edstadtler. In ihrer Verantwortung als Verfassungs- und Europaministerin habe sie den Entwurf per Weisung zurückgezogen, "weil er nicht einem nationalen Plan entsprochen hat, sondern ein Gewessler-Plan war."
Dann donnerte sie los: "Das Thema Klimaschutz ist zu wichtig, als dass man nur sich hier als Ministerin ein Denkmal schaffen möchte. Denn dieser Plan bindet uns für die nächsten Jahre, wie wir unsere CO2-Reduktion schaffen sollen. Da reden wir von 48 Prozent minus im Vergleich zu 2005. Da brauchts alle an einem Tisch." [...] "Nur weil da Reduktionspläne vorgeschlagen werden, die der Frau Gewessler nicht gefallen – Stichwort: Biogas, Wasserstofftechnologie – kann es so nicht gehen."
Der Grünen gab sie dann gleich in aller Öffentlichkeit noch eines mit: "Sie ist offenbar schlecht juristisch beraten, weil sonst hätte sie das wissen müssen. Ich habe mit ihr auch das ein oder andere Gespräch geführt. Sie ist hier uneinsichtig."
Mittlerweile ist die Frist für die Einreichung eines Entwurfes abgelaufen. Auf fachlicher Ebene würden die Gespräche mit Hinblick auf den endgültigen Plan noch weiterlaufen. Dieser muss bereits bis Juni fertig sein und übermittelt werden. "Ich hoffe, dass wir auf einen gemeinsamen grünen Zweig kommen" – ein beabsichtigtes Wortspiel.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler hat in der ORF-"Pressestunde" keine Kommentare zu Kurz' Verurteilung abgegeben und stattdessen den Richter attackiert
- Gleichzeitig griff sie ihre grüne Koalitionspartnerin Leonore Gewessler wegen eines nicht abgestimmten Klimaplans an, was zu Spannungen in der Koalition führte
- Edtstadler betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit bei klimapolitischen Entscheidungen und kritisierte Gewessler öffentlich