Spricht von Gesetzesbruch

"Kein Pardon" – Edtstadler-Krach mit Gewessler

Feueralarm in der Koalition wegen dem Nationalen Energie- und Klimaplan NEKP. Verfassungsministerin Edtstadler geht nun auf Leonore Gewessler los.

Roman Palman
"Kein Pardon" – Edtstadler-Krach mit Gewessler
Krach um Klimaplan: Karoline Edtstadler (r., ÖVP) gegen Leonore Gewessler (Grüne).
HEUTE / Helmut Graf, Sabine Hertel

Weil sich ÖVP und Grüne nicht auf einen Klimaplan einigen können, drohen nicht nur wegen Vertragsverletzung "hohe Strafzahlungen" an die EU, sondern auch koalitionsintern fliegen jetzt die Fetzen. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bezichtigte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag öffentlich sogar des Gesetzesbruchs.

Gewessler hatte nämlich bereits im Oktober den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) als österreichische Lösung in Brüssel eingereicht. Dieser gibt an, welchen Weg Österreich zum Erreichen seiner EU-Energie- und Klimaziele geht. Am Freitag zog Edtstadler den Entwurf plötzlich einseitig zurück. Die Begründung: er entspreche nicht der österreichischen Position.

"Die Wahrheit ist komplexer"

Am Dienstag legt Edstadler in einer langen Erklärung via X nach und teilte kräftig gegen ihre grüne Ministerkollegin aus. Sie sieht die ÖVP zu Unrecht für den NEKP-Rückzieher in der Kritik, man sei weder ein "Bremser" noch würde man den Grünen "keine Erfolge mehr bis zur Wahl gönnen", wie manche behaupten würden.

"Die Wahrheit ist allerdings komplexer", so die Verfassungsministerin: "In einer Regierung gibt es klare Verfahren, wie Beschlüsse gefasst werden. [...] Sind mehrere Ministerien befasst, müssen alle betroffenen Stellen zustimmen. Es liegt am hauptzuständigen ('federführenden') Ressort, diese Abstimmung sicherzustellen."

Österreichische Position nicht ohne ÖVP

Im Falle des Nationalen Energie- und Klimaplans handle es sich um ein 250-seitiges Dokument mit Handlungsvorschlägen und Maßnahmen für alle CO2-relevanten Bereiche, etwa Wirtschaft, Industrie oder Landwirtschaft. Edstadler beschuldigt daraufhin Gewessler eines grünen Alleinganges: "Landwirtschaftsministerium, Finanzministerium und Arbeits- und Wirtschaftsministerium haben dem Entwurf aber nie zugestimmt, das Bundeskanzleramt hat sich dezidiert gegen eine Übermittlung in der Form ausgesprochen." Allesamt übrigens ÖVP-geführte Ressorts. 

"Nun meinen offenbar einige, der Klimaschutz ist wichtig, Landwirtschaft und Wirtschaft wären nur Bremser, machen wir es einfach ohne sie. Von diesem Trugschluss würde ich abraten, denn das Gegenteil ist der Fall, sie sind der Schlüssel zur Umsetzung", beklagt die VP-Ministerin. Sie erinnert dabei an Grundsätzliches: "innerstaatliche Prozesse sind die gelebte Umsetzung des Rechtsstaats und der Demokratie."

Gefährlicher Präzedenzfall

Dabei schießt sie eine türkise Breitseite gegen Gewessler ab: "Wer diese Prozesse ignoriert, setzt sich bewusst über Gesetze hinweg (im konkreten Fall das Bundesministeriengesetz) und agiert beim Fehlen der Zustimmung des Koalitionspartners ohne demokratische Grundlage", donnert Edtstadler: "Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall."

Und weiter: "Die dafür vorgesehenen Regeln des Rechtsstaates gelten immer und für alle, unabhängig vom Vorhaben. Da kenne ich als Verfassungsministerin kein Pardon. Der Zweck heiligt niemals die Mittel."

Strafzahlung droht

Das Klimaministerium konterte den Vorwurf des Alleinganges: Man habe "selbstverständlich auch die anderen Ministerien" beim NEKP mit einbezogen. "Laut unseren Informationen wird der Entwurf nun nicht bewertet und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet", so das Gewessler-Büro gegenüber dem "Kurier".

"Bis zum 30. August 2023 bestand für Interessensverbände, Ministerien, Bundesländer, politische Parteien, die Wissenschaft und für Organisationen der Zivilgesellschaft für acht Wochen die Gelegenheit zum Konsultationsentwurf des NEKP schriftlich Stellung zu nehmen" – Klimaschutzministerium zum Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP).

Wegen des zurückgezogenen Entwurfs drohe Österreich jetzt ein Strafverfahren der EU wegen Vertragsverletzung. Österreich habe mit der Rücknahme des Entwurfs gegen EU-Regeln verstoßen, und dieser Verstoß könne teuer geahndet werden. Selbst das Gewessler-Büro warnte, dass "hohe Strafzahlungen" drohen. "Dieses Geld sollten wir lieber in den Klimaschutz investieren."

Auf APA-Anfrage sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Samstag, dass derzeit kein Vertragsverletzungsverfahren geplant sei. Die Kommission werde das von Österreich eingereichte Papier bis Jahresende prüfen. Das finale Papier muss am 31. Juli 2024 übermittelt werden.

Bis zu 9 Milliarden Euro für CO2

Weil Österreich allerdings beim Klimaschutz und Emissions-Ausstieg sowieso mehr als säumig ist, kommen so oder so hohe Kosten auf das Land zu. Der Rechnungshof wies bereits 2021 kritisch darauf hin, dass die Alpenrepublik auf Basis der bisher verbindlich umgesetzten Maßnahmen (WEM–Szenario) die Klimaziele 2030 deutlich verfehlen wird.

Und das ist teuer: "Dies bedeutet aber auch, dass Österreich laut Mitteilung des Finanzministeriums Kosten im vierstelligen Millionenbereich für den Ankauf von Emissionszertifikaten entstehen könnten, um seine Verpflichtungen im Klimaschutz bis 2030 zu erfüllen. Dazu lagen Ausgabenschätzungen gemäß einer Studie von rund 4,607 Milliarden Euro bis rund 9,214 Milliarden Euro vor." 

Immer noch ist Österreich ohne ein Klimaschutzgesetz. Am 27. bzw. 28. September waren es, je nach Berechnung, bereits 1.000 Tage, ohne gültiges Regelwerk. Das Gesetz, das die Treibhausgasbudgets pro Jahr festlegt, ist 2020 ausgelaufen. Seit dem gibt es keine gesetzlichen Zielwerte für die Reduktion von Treibhausgasen. Dabei war ein neues Klimaschutzgesetz von Beginn an im Regierungsprogramm der türkis-grünen Koalition verankert.

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    Sultan Ahmed al-Dschaber ist Vorsitzender der UN-Weltklimakonferenz COP28.
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