Netzwerke bilden sich
Terror-Experte fürchtet "neue Welle von Anschlägen"
Im Windschatten des Nahost-Konflikts bilden sich neue Terror-Netzwerke in Europa, sagt der Experte Peter Neumann. Eine Welle von Anschlägen droht.
Die Polizei rückte am Mittwoch wegen Bombendrohungen an insgesamt sieben Wiener Schulen zu einem Großeinsatz aus, "Heute" berichtete. Gegen Mittag folgte die Entwarnung – die Polizei fand nichts Verdächtiges. Aber: Die Drohungen schockieren. Die unfassbaren Zeilen, die per Mail an Schulen und Bildungsdirektion gingen, lassen auf radikal-islamisches Gedankengut schließen. Die Verfasser bezeichnen sich selbst als "Terrorgruppe Corleone" und schreiben: "Wir kämpfen für den Islamischen Staat." Zwischen 7.11 und 10.11 drohen sie an: "Wir werden eine Säuberung in Wiener Schulen vornehmen."
Bereits mehrere Experten warnen, dass der Nahost-Konflikt den Terror in ganz Europa befeuern könnte. Bereits vor einigen Tagen wurde die Terror-Warnstufe in Österreich hinaufgesetzt, am Mittwoch präsentierte die Bundesregierung ein neues, schärferes Reformpaket zum Verbotsgesetz mit hohen Strafen. Neben nationalsozialistischen Symbolen sind seit 2019 auch Symbole der Hamas und der Hisbollah verboten. Die Strafen werden nun einheitlich erhöht, so Innenminister Gerhard Karner. Verstöße können im Wiederholungsfall bis zu 20.000 Euro Verwaltungsstrafe nach sich ziehen. Wer NSDAP-Abzeichen oder Hamas-Symbole öffentlich trägt, soll gleich streng bestraft werden.
Die eindringliche Warnung des Experten
Aufhorchen mit einer eindringlichen Warnung ließ am späten Mittwochabend der Terrorismus- und Extremismusforscher Peter Neumann in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf. Vor dem 7. Oktober, dem Tag der Terror-Angriffe der Hamas auf Israel, sei es so gewesen, dass alle geglaubt hätten, dass die islamistische Terrorgefahr stagniere oder gar sinke, so Neumann. Das habe sich "drastisch geändert". Gefährder, die über die Situation frustriert gewesen seien, hätten neue Motivation gefunden, der Nahost-Konflikt sei hochemotional aufgeladen, so der Experte. Und er sei "der zentrale Konflikt Muslime gegen Juden".
"Ich kann mir das gut vorstellen", erklärte der Experte dazu, dass auf Europa eine schlimmere Terror-Welle als mit den Anschlägen auf Charlie Hebdo oder auf Pariser Nachtclubs zukommen könnte. "Es geht um das heilige Land, es geht um Jerusalem" und den "Vorwurf, dass Israel einen Völkermord begehen würde", so der Experte. "Völkermord" diene als Naraativ dazu, dass "alle Formen der Gewalt" gerechtfertigt werden könnten, so Neumann. Die Hamas habe "sicher kein Interesse an Anschlägen in Europa", so Neumann, aber: Es gebe den Mythos des Einzelkämpfers, der als Märtyrer stirbt, ohne jemals Teil einer Organisation gewesen zu sein.
Menschen bleiben hier und planen Anschläge
Die Terror-Netzwerke, die man damals noch gebraucht habe, seien jetzt vielleicht gar nicht mehr notwendig, so Neumanns düstere Prognose. Es könne bereits jetzt Gefährder geben, die auf eigene Faust schauen, was sie durchführen könnten. Gleichzeitig stachle die Terror-Organisation Islamischer Staat genau zu solchen Taten auf. Der Hamas wiederum müsse man zugestehen, dass sie geschafft habe, "mit ihrem Terror eine Reaktion auszulösen", Menschen auf der Straße gegen Israel zu mobilisieren und den Friedensprozess im Nahen Osten zu stoppen. Jüdinnen und Juden fühlen sich in Europa nicht mehr sicher, so der Experte.
Aus Sicht der Hamas sei das ein Erfolg, aus Sicht westlicher Demokratien "eine große Tragödie". Die Hamas sei so erfolgreich, weil sie "natürlich eine Basis hat, das ist das Leiden der Menschen im Gazastreifen". Sie verschweige aber, dass sie selbst für viel Leid verantwortlich sei. Leute, die sowieso schon islamistisch eingestellt seien, die würden eher dazu tendieren, israelfeindlich aufzutreten. Gleichzeitig würden sich immer mehr Menschen im Internet radikalisieren. Es brauche einen Plan, alles Sicherheitsbehörden dazu zu bringen, dieses Thema zu priorisieren, so der Experte – "sehr schnell und sehr intensiv". Denn anders als beim IS würden die Menschen nun nicht in den Gazastreifen ziehen, um zu kämpfen, sondern würden hierbleiben und Anschläge planen.