Seit Jahrzehnten berichten Menschen in der US-Stadt Summerville (South Carolina) von mysteriösen Leuchterscheinungen. Der Volksmund erklärt das sogenannte Summerville Light mit einer gruseligen Geistergeschichte – doch eine Seismologin will das Rätsel nun gelöst haben. Ihrer Untersuchung zufolge könnten Erdbebenlichter das Phänomen erklären.
Die Legende besagt, dass eine Frau eines Eisenbahners einst jeden Abend mit einer Laterne auf ihren Mann wartete. Nach seinem Tod durch einen Unfall soll sie als Geist mit ihrer Lampe auf der Suche nach ihm sein. Die Spukgeschichte ist so weit verbreitet, dass eine Straße inoffiziell "Light Road" genannt wird.
Die Seismologin Susan E. Hough vom geologischen Dienst der USA hat das Phänomen untersucht. "Die Wissenschaft kann nicht jede Geistergeschichte erklären, aber die Berichte über das Summerville Light schreien für eine Seismologin geradezu nach einem Erdbeben", sagte sie dem "Spiegel".
In einer Studie im Fachjournal "Seismological Research Letters" vermutet sie, dass sogenannte Erdbebenlichter die Ursache sind. Dabei handelt es sich um Lichtphänomene, die in Zusammenhang mit seismischer Aktivität stehen. Laut Hough sind "viele, wenn nicht sogar alle anekdotischen Beobachtungen" des Summerville Light "am ehesten auf natürliche Phänomene zurückzuführen". Dazu zählten schwache Erdstöße, die für Menschen kaum spürbar seien.
Tatsächlich gilt die Region als seismisch aktiv. Am 31. August 1886 erschütterte ein schweres Erdbeben die nahe Stadt Charleston. Die Erdstöße mit einer Magnitude zwischen 6,6 und 7,3 forderten mindestens 60 Todesopfer und zerstörten zahlreiche Gebäude. Seither gibt es immer wieder leichte Beben, die teils als Nachbeben des historischen Ereignisses gedeutet werden. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden Magnituden bis 4,4 gemessen – genau aus dieser Zeit stammen die ersten belegten Berichte über das Summerville Light.
Wissenschaftler sind sich bis heute nicht einig, wie Erdbebenlichter genau entstehen. Eine Theorie besagt, dass unterirdische Gase wie Methan oder Radon bei seismischer Aktivität freigesetzt werden. Hough hält dies auch für Summerville für eine plausible Erklärung. "Ich behaupte nicht, eine ausgereifte Theorie zur Erklärung der Lichter zu haben", sagte sie dem Wissenschaftsmagazin "Science".
Der Geowissenschaftler Eric Ferré von der New Mexico State University bezeichnet Houghs Hypothese als "sehr plausibel". Zweifel habe er jedoch an der Rolle von Radon. Er selbst hat mit einer Kollegin charakteristische Minerale in Bohrkernen aus Erdbebengebieten nachgewiesen, die belegen, dass bei Erdbeben Starkstrom fließen kann. Dieser könnte als Blitz sichtbar werden.
Hough plant nun weitere Untersuchungen in Summerville. Sie hat sich an einen Kollegen am College of Charleston gewandt, um Studierende für das Projekt zu gewinnen. "Hey, hast du irgendwelche Studierende, die auf Geisterjagd gehen wollen?", fragte sie augenzwinkernd.
Für die Wissenschaft könnten Erdbebenlichter nicht nur eine spannende Erklärung für lokale Spukgeschichten sein. Experten diskutieren, ob sie als potenzielle Vorboten stärkerer Erdstöße genutzt werden könnten. Ob das Summerville Light tatsächlich als Warnsystem dienen kann, bleibt jedoch ungewiss.