Forscher "sehr besorgt"

Elon Musk verändert im Alleingang unsere Atmosphäre

Wenn bald jedes Jahr tausende Satelliten in der Atmosphäre verglühen, könnte das erhebliche Folgen für die Ozonschicht haben. Forscher sind besorgt.
Roman Palman
23.02.2025, 09:33

Die Explosion einer "Starship"-Rakete von SpaceX bei ihrem Testflug im November 2023 hat vorübergehend die obere Erdatmosphäre regelrecht "zerfetzt". Russische Forscher konnten mittels satellitengestützten Navigationssystemen die Auswirkungen des Flugs und seines katastrophalen Endes auf den Elektronengehalt in der Ionosphäre aufzeichnen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie Mitte 2024 im Fachjournal "Geophysical Research Letters".

"Die Explosion des Raumschiffs führte zur Bildung eines Plasmalochs – ein Zustand der Ionosphäre, in dem geladene Elektronen aus ihr verschwinden. Normalerweise entstehen solche Löcher durch chemische Prozesse in der Ionosphäre, die auf die Wechselwirkung mit dem Treibstoff zurückzuführen sind", sagte Erstautor Juri Jasjukewitsch vom Institut für Solar-Terrestrische Physik in Irkutsk gegenüber der staatlichen Agentur TASS.

Dies sei das erste bekannte Mal, dass ein solches Loch durch ein "katastrophales Phänomen" wie eine von Menschen verursachte Explosion entstanden ist. Diese Anomalie war noch vorübergehend, die Ionosphäre schloss sich nach rund einer Stunde wieder. Anhaltend nachwirken könnten aber die freigesetzten Teilchen der Rakete selbst. Ein Problem, das von Elon Musks enormen Starlink-Netzwerk noch deutlich vergrößert wird. Seine Satellitenkonstellationen haben bereits Auswirkungen auf die so wichtige Ozonschicht unseres Planeten.

Aktuell gehen zwei Drittel aller Objekte im niederen Erdorbit (LEO) auf das Konto von Elon Musk. Seit 2019 hat der SpaceX-Milliardär und MAGA-Chaot bereits 7.000 Starlink-Satelliten ins All geschossen, bis zu 42.000 sollen es in den kommenden Jahren werden – und jeder einzelne hält nur rund fünf Jahre durch und muss dann ersetzt werden. Das letzte Kommando: Senke die Flughöhe bis zum Eintritt in die Erdatmosphäre.

Die ersten Starlink-Konstellationen werden nun (un)kontrolliert zum Absturz gebracht. "Im Moment lassen sie jeden Tag etwa 4 oder 5 Starlinks verglühen", schrieb Astrophysiker Jonathan McDowell im Jänner auf X. Die Massen, die da noch kommen werden, lassen bei Wissenschaftlern die Alarmglocken schrillen.

"Das Besorgniserregende ist, dass die Luftprobenflüge der letzten Jahre in einem Bericht gezeigt haben, dass bis zu 10 Prozent der Partikel in der Stratosphäre diese seltsamen geschmolzenen Metallstücke enthalten, die verdächtig nach geschmolzenen Raumschiffteilen aussehen", erklärt McDowell nun gegenüber "CNET".

Er bezieht sich auf eine Analyse von NOAA-Forschern aus dem Jahr 2023. Damals waren erst sehr wenige Satelliten in der Erdatmosphäre verglüht, dennoch waren die Auswirkungen bereits messbar. Sie schätzten, dass der Anteil der Metallpartikel – darunter auch die seltenen und nicht natürlich vorkommenden Elemente Niob und Hafnium – in der Stratosphäre in den kommenden Jahren deutlich steigen wird.

McDowell warnt: "Wir verändern die Zusammensetzung der Stratosphäre erheblich". Das ist deshalb so wichtig zu beobachten, weil es sich um eine Schicht der Erdatmosphäre handelt, die das Klima der Erde mäßigt und die vor UV-Strahlung schützende Ozonschicht enthält.

Zerstören Ozonschicht auf Jahrzehnte

Eine von der NASA finanzierte Studie, die im Juni in den "Geophysical Research Letters" veröffentlicht wurde, ergab, dass ein knapp 250 Kilo schwerer Satellit beim Wiedereintritt etwa 30 Kilo Aluminiumoxid-Nanopartikel freisetzt. Diese Oxide haben sich von 2016 bis 2022 verachtfacht.

Aluminiumoxide lösen chemische Reaktionen aus, die das stratosphärische Ozon zerstören. Die Oxide selbst werden dabei aber nicht abgebaut und können deshalb über Jahrzehnte hinweg Molekül für Molekül Ozon zerstören, während sie durch die Stratosphäre abdriften, betonen die Forscher das Grundproblem, das erst in den letzten Jahren Beachtung fand.

Forscher: "Wir sind sehr besorgt"

"Wir waren eines der ersten Teams, das sich mit den Auswirkungen dieser Fakten befasst hat", sagt Joseph Wang, Raumfahrtforscher an der University of Southern California und Erstautor der Studie. Mit Blick auf die geplanten Mega-Konstellationen drohen heftige Umweltprobleme.

Denn werden die hochfliegenden Wünsche von Elon Musk und Co. umgesetzt, könnten nach Berechnung der Wissenschaftler statt wie bisher (2002) 17 Tonnen bis zu 360 Tonnen Aluminiumoxid-Nanopartikel freigesetzt werden. Jedes Jahr.

"Wir haben eine jährliche Überschreitung des natürlichen Niveaus von Aluminiumoxid-Nanopartikeln um mehr als 640 Prozent errechnet", sagt Wang. Das könne zu einem "erheblichen Abbau" der Ozonschicht führen: "Aufgrund dieser Prognose sind wir sehr besorgt".

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IMAGO/VWPics

Abwarten?

In einer nicht allzu fernen Welt in der um die 100.000 Satelliten am Himmel "nicht nur machbar, sondern ziemlich wahrscheinlich sind", erscheint eine solche Aussage alarmierend. Denn neben Elon Musk wollen noch andere Unternehmen und Staaten ihre eigenen Satelliten-Konstellationen installieren.

Andere Wissenschaftler äußerten sich gegenüber "CNET" jedoch zurückhaltender. "Abwarten", lautet der Tenor. Die Auswirkungen seien noch nicht sichtbar, weitere Forschung notwendig.

"Wenn viele Tonnen Aluminiumoxid pro Tag in die Atmosphäre gelangen, könnte das die Ozonschicht sicherlich beeinträchtigen. Im Moment ist die Forschung noch nicht so weit", stellt etwa Astrophysiker McDowell fest. "Es ist möglich, dass die Antwort lauten wird: 'Ja, wir haben noch ein paar Größenordnungen vor uns. Das wird nichts Schlimmes bewirken. Es ist aber auch möglich, dass die Forschung zurückkommt und sagt: 'Ja, wir zerstören wirklich die Ozonschicht.'"

"Das ist ein bisschen wie das Mikroplastikproblem in den Ozeanen", zieht Manuel Metz, Weltraummüll-Experte am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, in der "Tagesschau" einen treffenden Vergleich: "Wir erzeugen ein Mikropartikel-Problem in der Atmosphäre und verstehen noch gar nicht, ob und welche Konsequenzen das langfristig haben wird."

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