Politik
Rendi-Wagner verrät, warum sie SPÖ-Chefin bleiben will
Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellte sich nach ihren beiden Herausforderern dem ORF-Interview – und verriet, warum sie Chefin bleiben will.
Die SPÖ-Befragung ihrer Mitglieder, wer die Partei künftig führen soll, ist im vollem Gang – ob weiterhin die SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner oder einer der Herausforderer, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, die Geschicke der Partei leiten soll, sollen die Mitglieder bestimmen. Wie Rendi-Wagner das Ruder in der Hand behalten will, warum sie eigentlich Chefin bleiben will und was sie macht, wenn das nicht passiert, verriet sie am Freitagabend im ORF-Interview bei Lou Lorenz-Dittlbacher.
Warum sie eigentlich Parteivorsitzende bleiben wolle? "Weil nicht so sehr das Leben der Menschen beeinflussen kann wie Politik", so die SPÖ-Chefin. Als Ärztin habe sie früher rund 30 Menschen am Tag helfen können, nun könne sie einem ganzen Land helfen. Sie glaube, jeder, der die "letzten vier, fünf Jahre" beobachtet habe, habe gesehen, dass es "beginnend schon unter Christian Kern" Querschüsse aus dem Burgenland gegeben habe, das schade der gesamten Partei. Man komme mit Botschaften bei den Menschen nicht an, denn interne Selbstbeschäftigung "schwächt, schadet und kostet Vertrauen".
"Das muss jetzt ein für allemal ein Ende haben"
In der Vergangenheit hatte Rendi-Wagner angedeutet, dem ehemaligen SPÖ-Chef Christian Kern, der sie in die Partei geholt und als Nachfolgerin vorgeschlagen hat, fehle es an Charakterstärke. Darauf wollte sie nicht genauer eingehen: "Ich habe gesagt, was zu sagen ist" und "das Theme ist für mich damit auch erledigt". Und gehe es nun um Eitelkeiten, um die Wiener und die burgenländische SPÖ oder darum, das Leben der Menschen besser zu machen? Das habe auch sie "jahrelang nicht verstanden", so die SPÖ-Chefin, denn inhaltlich sei man gar nicht so weit auseinander. Hinter dem SPÖ-Streit würden "persönliche Interessen" stehen, "das muss jetzt ein für allemal ein Ende haben".
Habe sie es als Frau schwerer in der Politik, sei die SPÖ eine Macho-Partei? Sie wolle "nicht daran gemessen werden", ob sie eine Frau sei. Sie halte von "links, rechts, oben, unten" und Schubladen nichts, sie würde sich selbst aber politisch "Mitte-links verorten". Was sei denn die Rendi-Wagner-SPÖ im Vergleich zur Doskozil-SPÖ und zur Babler-SPÖ genau? "Die Breite der Sozialdemokratie", so Rendi-Wagner. "Ich halte es für unrichtig und falsch", dass man sage, dass es eine Schwäche sei, dass man unterschiedliche Meinungen habe, so die SPÖ-Politikerin. Die Vielfalt sei eine Stärke, gemeinsam Lösungen zu finden, das habe aber die letzten vier Jahre aber nicht funktioniert. Daran gab Rendi-Wagner vor allem Doskozil die Schuld.
"Jetzt brennt der Hut"
Mindestlohn, 32-Stunden-Woche, wie sehr dürfe man sich auf den Staat verlassen? "Das kann man nicht global beantworten", sondern das müsse anhand von Entwicklungen geschehen, so die SPÖ-Chefin. In den Krisen habe sich gezeigt, dass der Markt "hier und da versagt" habe: Medikamentenabhängigkeit, Lieferschwierigkeiten, Imfstoffengpässe, Energieabhängigkeit, da brauche es "natürlich staatliche Überlegungen", wie man unabhängiger werden könne. In Sachen Mindestlohn wolle Rendi-Wagner eine kollektivvertragliche Lösung, dafür sei die Sozialdemokratie "immer gestanden". Abgelehnt hatte sie aber eine gesetzliche Umsetzung, denn diese könne eine Regierung jederzeit kippen.
Bei der Arbeitszeitverkürzung schlug Rendi-Wagner eine "freiwillige, geförderte Viertagewoche" vor, weil der Trend vor allem bei Jungen dahin gehe. "Viele, viele Schrauben" müssten wiederum im Spitalswesen und im Artwesen gedreht werden, weil "jahrelang nichts passiert" sei. Das Personal sei mittlerweile "am Rand des Machbaren", es brauche aber immer mehr Personal und die Bevölkerung werde immer älter. "Jetzt brennt der Hut", so die SPÖ-Chefin. Ihre Pläne: Eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze und Pflegeausbildungsplätze und "zahlen wir ein Ausbildungsgehalt". Außerdem solle es Umschulungsoffensiven geben.
"Man muss die gesamte Bevölkerung sehen"
Es müsse auch Programme geben, in denen sich Teilnehmer verpflichten würden, im öffentlichen und nicht privaten Gesundheitsbereich zu arbeiten, so Rendi-Wagner. Und es werde nicht ohne "gezielte Arbeitsmigration" etwa in der Pflege gehen, aber mit "Verfahren außerhalb der EU-Grenzen". Es dürfe dabei aber nicht zu einem Lohndumping kommen. Was solle man machen mit Menschen, die sich durch die Corona-Politik abgehängt fühlen würden? Man muss die gesamte Bevölkerung sehen, so Rendi-Wagner. Wer sich an alle Regeln gehalten habe, "die darf man in dieser Diskussion nicht vergessen".
Wenn die Regierung jetzt Hunderte Millionen in einen Corona-Aufarbeitungsprozess für Impfskeptiker und Wissenschaftsfeindlichkeit investieren wolle, sei das ein sehr seltsamer Prozess, so Rendi-Wagner. Man müsse sich "wappnen für die nächste Pandemie, die muss besser verlaufen". "Wenn eine Partei in diesem Land Pferde-Entwurmungsmittel im Kampf gegen die Pandemie empfiehlt, dann ist das hochgradig gefährlich", so die SPÖ-Chefin. Sie würde vielmehr freuen, wenn man Long-Covid-Patienten nun besser versorgen würde.
"Das habe ich mir noch keine Sekunde überlegt"
Kritik aus der eigenen Partei verstehe sie, so Rendi-Wagner, manche würden sich aber mehr mit Kritik an der eigenen Partei als an anderen Parteien beschäftigen. "Keine gute" Optik habe die SPÖ übrigens abgegeben, als sie zur Hälfte bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski im österreichischen Parlament gefehlt habe, das sei jedoch aufgearbeitet worden. Einmal mehr bekräftigte Rendi-Wagner am Schluss, nicht am Parteitag antreten zu wollen, wenn sie die Mitgliederbefragung nicht gewinne: "Weil es mir nicht in den Sinn kommt, dieses Mitgliedervotum nicht zu akzeptieren." Sie hoffe aber, dass "wir bald diese Selbstbeschäftigung hinter uns haben".
"Geeint, gestärkt, an einem Strang zu ziehen" wolle sie nach einem Sieg bei der Mitgliederbefragung und nach einer Bestätigung am Parteitag. Ein "ganz zentraler, erster, wichtiger Schritt" sei dann übrigens, ihrem Herausforderer Doskozil vorzuschlagen, "in die Entscheidungsgremien der Bundespartei zurückzukehren". Und dann gehe es voll um die kommenden Wahlen: "Ich will keine Orbanisierung Österreichs", sie werde hart daran arbeiten, "eine blau-schwarze, schwarz-blaue Koalition" zu verhindern. Sich jetzt auf eine einzige Koalitionsvariante festzulegen, ohne zu wissen, ob diese nach der Wahl eine Mehrheit habe, sei für sie aktuell aber nicht sinnvoll. Und was mache sie eigentlich, wenn sie verliere und zurücktrete? "Das habe ich mir noch keine Sekunde überlegt." Sie werde jedenfalls "der Sozialdemokratie immer verbunden bleiben".