Ludwig im "Heute"-Interview

Sind alle FPÖ-Wähler rechtsextrem, Herr Bürgermeister?

Warum Wiens Bürgermeister vor einem möglichen Kanzler Kickl warnt und was er von FPÖ-Wählern hält, verrät Michael Ludwig (SPÖ) im "Heute"-Gespräch.

Claus Kramsl
Sind alle FPÖ-Wähler rechtsextrem, Herr Bürgermeister?
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Interview mit "Heute"
Helmut Graf

Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef hatte schon angenehmere Jahreswechsel, wie er im Gespräch mit "Heute" verrät. Kaum waren die positiven Eindrücke vom Wiener Silvesterpfad, den er wie immer mit seiner Frau besuchte, verdaut, sorgte das Aus der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos bei Michael Ludwig für rasche Ernüchterung. Ein guter Start ins neue Jahr schaue für ihn anders aus.

Das sagt Wiens Stadtchef Michael Ludwig zu

➤dem Platzen der Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und Neos

"Der Übergang ins neue Jahr war mit der Hoffnung verbunden, dass wir sehr bald eine Koalition der politischen Mitte auf Bundesebene haben. Dieser Wunsch hat sich leider nicht erfüllt und so blicken wir jetzt mit großer Sorge in die Zukunft", so Ludwig. Es sei ihm wichtig gewesen, den Verhandlern aller Parteien mit auf den Weg zu geben, "dass sie eine große Verantwortung für die weitere Entwicklung der Zweiten Republik haben und dass man vor allem immer auch gewahr sein muss, welche Alternativen es gibt", so der Wiener SPÖ-Chef. Innerhalb seiner Partei habe er daher dafür geworben, "bis zum Schluss" am Verhandlungstisch zu bleiben. Das habe die SPÖ auch gemacht.

➤den SPÖ-Verhandler Andreas Babler

ÖVP und auch Neos warfen dem roten Chef-Verhandler, SPÖ-Bundesparteichef Andreas Babler, vor, bereits erzielte Einigungen aufgelöst zu haben, "cholerisch" aufgetreten zu sein. Ludwig: "Wie die einzelnen Verhandlerinnen und Verhandler miteinander kommuniziert haben, entzieht sich meiner Kenntnis, halte ich aber auch für unbedeutend." Wichtig sei, "dass man Schritte setzt für das Staatsganze, auch die Parteiinteressen hintan stellt und dass man nicht Befindlichkeiten in den Vordergrund rückt, sondern erkennt, wie wichtig politische Entscheidungen für die Zukunft sind", betont Wiens Bürgermeister.

Die SPÖ war natürlich bereit, Kompromisse einzugehen"
Michael Ludwig
über die gescheiterten Regierungsverhandlungen

Die schwierige, vom ehemaligen Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) herbeigeführte Budget-Situation werde für jede Koalition eine große Herausforderung sein. Die Sozialdemokratie sei hier "natürlich bereit gewesen, Kompromisse einzugehen, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen". Die SPÖ müsse dabei aber "auf sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit achten". Dass aus der Koalition nichts geworden ist, bedauert Ludwig "sehr", diese hätte "ein großes Potenzial gehabt", ist er überzeugt.

➤einer möglichen Koalition zwischen FPÖ und ÖVP

Dass sich FPÖ und ÖVP nach Abbruch der Dreier-Verhandlungen nun so rasch gefunden zu haben scheinen, überrascht den langjährigen Spitzenpolitiker nicht: "Man kann es als Außenstehender nie glauben, aber es gibt natürlich ein Drehbuch, das man schon in Bundesländern nachvollziehen konnte", so Ludwig. Im Wahlkampf würden sich ÖVP und FPÖ "hart beflegeln, bis weit ins Persönliche gehend" und sich dann – nach dem Drehen einer "Ehrenrunde mit der SPÖ" – "blitzartig und ganz schnell" auf eine Zusammenarbeit einigen. "Also von daher ist das ein Drehbuch, das wir schon kennen", so der Bürgermeister, der "eine hohe Flexibilität zwischen dem, was man im Wahlkampf sagt und nach der Wahl dann auch macht" sieht.

Hohe Flexibilität zwischen dem, was man im Wahlkampf sagt und nach der Wahl dann auch macht
Michael Ludwig
zur 180-Grad-Wende der ÖVP

➤seine Enttäuschung über die ÖVP

"Ich bin enttäuscht darüber, dass es zu keiner Lösung gekommen ist auf Bundesebene. Denn in Wien haben wir ein gutes Verhältnis, auch parteiübergreifend, mit der Wirtschaft und wir zeigen in Wien, dass es durchaus möglich ist, ohne parteipolitische Scheuklappen an einem Strang zu ziehen." Wiens SPÖ-Chef ist überzeugt, "dass diese Entscheidung auch für die weitere Zukunft der ÖVP nicht von Vorteil sein wird. Aber das ist Gott sei Dank nicht meine Sorge."

➤den FPÖ-Wählern

Die FPÖ sei in weiten Teilen eine rechtsextreme Partei, ist Ludwig überzeugt. "Nicht zuletzt hat Herbert Kickl ja das von sich selbst behauptet, er trägt es wie einen Orden vor sich her", so der Wiener SPÖ-Chef. Sind knapp 30 Prozent der Wähler, die zuletzt der FPÖ ihre Stimme gegeben haben, also rechtsextrem?

Das glaubt Ludwig nicht, aber: "Ich glaube, man muss sehen, dass es eine starke Verunsicherung nicht nur in Österreich gibt, sondern in weiten Teilen Europas. Die Bevölkerung ist konfrontiert mit einer ganzen Reihe von Konflikten, sogar Kriegen, damit verbundenen Preissteigerungen im Energiebereich, Inflation, die in Österreich noch dazu höher war als in den anderen europäischen Ländern. Also es gibt eine Phase starker Verunsicherung."

Viele ehemalige ÖVP-Wähler aus dem bürgerlichen Lager erkennen ihre eigene Partei nicht mehr
Michael Ludwig
über den Kurs der ÖVP

Die Wählerschaft von FPÖ und ÖVP seien "sehr stark kommunizierende Gefäße", meint Ludwig. Er habe den Eindruck, dass das für die ÖVP ein zunehmendes Problem ist. "Denn wenn zwei Parteien mehr oder weniger deckungsgleich sind, wird sich die Bevölkerung mal fragen, warum braucht man die zweite Partei. Also von daher halte ich das für keinen Vorteil, wenn die ÖVP versucht, die FPÖ zu kopieren." Und er bedaure, "dass viele auch ehemalige ÖVP-Wähler aus dem bürgerlichen Lager ihre eigene Partei nicht mehr kennen".

➤einem möglichen Bundeskanzler Herbert Kickl (FPÖ)

"Ich will nur daran erinnern, dass ein gewisser Sebastian Kurz, ehemaliger Bundeskanzler der ÖVP, den damaligen Innenminister Herbert Kickl dem Bundespräsidenten zur Entlassung vorgeschlagen hat, mit der Begründung, dass Herbert Kickl ein Sicherheitsrisiko für die Republik darstellt. Und von daher muss die ÖVP begründen, warum sie das jetzt anders sieht. Weiters gebe es auch von Geheimdiensten aus europäischen Ländern die Aussage, "dass sie ein Problem haben werden, Informationen an Österreich weiterzugeben, wenn Herbert Kickl in bestimmender Funktion tätig ist, weil man ihn kennt durch seine Tätigkeit als Innenminister."

➤Auswirkungen von Blau-Schwarz für Wien

Ludwig befürchtet einen wirtschaftlichen Schaden für Wien, dass eine der größten Kongressstädte und der "Wirtschaftsmotor" Österreich ist. Auch touristisch würde eine von Bundeskanzler Kickl geführte Koalition der Stadt nicht guttun, ist er überzeugt. Eine Bundesregierung, die den Eindruck erweckt, dass Menschen, die nach Österreich und Wien kommen, um hier zu wirtschaften, nicht willkommen sind, sei schlecht. "Also von daher senden wir damit natürlich Signale in die Welt, die die Wirtschaft nicht unterstützen. Und dessen sollten sich die Verantwortlichen, die auch für die Wirtschaft sprechen, in der ÖVP auch bewusst sein, dass das nicht förderlich sein wird."

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    Auf den Punkt gebracht

    • Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) äußert im Interview mit "Heute" seine Enttäuschung über das Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos und warnt vor den möglichen negativen Auswirkungen einer FPÖ-ÖVP-Koalition unter einem möglichen Bundeskanzler Herbert Kickl.
    • Ludwig betont, dass die FPÖ in weiten Teilen rechtsextrem sei, sieht jedoch die FPÖ-Wähler nicht pauschal als rechtsextrem an, sondern erkennt eine starke Verunsicherung in der Bevölkerung.
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    Akt.