Knallharte Ukraine-Ansage
"Russland von eigentlichem Ziel meilenweit entfernt"
In der ZIB2 gab der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy ein aktuelles Stimmungs- und Lagebild aus seinem von Putin überfallenen Heimatland.
Mit einem Lichtermeer vor dem Wiener Stephansdom anlässlich von 728 Tagen Krieg in der gesamten Ukraine setzte die Caritas am Donnerstag ein Zeichen der Hoffnung. Ein Ende des blutigen Konfliktes ist immer noch nicht in Sicht, beide Seiten sind in einem höllischen Abnützungskrieg gefangen.
In der ZIB2 mit Marie-Claire Zimmermann zeichnete am Abend der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy dazu ein aktuelles Stimmungs- und Lagebild. Das gestaltet sich düster, aber nicht ohne Lichtblicke.
"Die Ukrainer sind Realisten genug. Keiner hatte gehofft, dass der Krieg 2023 zu Ende geht", sagt er. Man habe aber gehofft, zumindest eine Zukunftsperspektive zu haben. Aktuell seien die Zeichen "nicht gut" und "frustrierend", aber am Ende des Tages gelte es nur, weiter durchzuhalten. "Das ist das einzige was zählt."
In seinem Land rege sich zwar dieser die vor der Invasion verbreitete Streitkultur, "aber ich hab wirklich das Gefühl, dass es wirklich ein Ziel gibt das vorne stehen: dass der ukrainische Staat bestehen bleibt."
Und aktuell seien es die Streitkräfte, die dieses Land zusammenhielten. Deshalb habe es auch keine größeren Proteste gegen den Austausch des populären Generals Saluschnyj an der Armee-Spitze gegen den deutlich unbeliebteren Oleksander Sirski gegeben.
Präsident Wolodimir Selenski hat in einem dramatischen Appell in einem Interview gegenüber einem Fox-News-Reporter um rasche und unbürokratische Hilfe gebeten, ohne die die Ukraine "keine Chance" hätte.
Auch Trubetskoy spricht von einer schwierigen Situation, "aber man soll nicht in diesem Schwarz-Weiß-Bild ertrinken." Ja, die US-Hilfe und der Verlust von Awdijiwka nicht zuletzt wegen Munitionsmangels seien alles andere als gut, "aber letztendlich ist Russland von seinem eigentlichen Ziel, der Vernichtung des ukrainischen Staates, meilenweit entfernt."
Für die Ukraine gehe es nun darum, solange weiterzukämpfen, bis sich innerhalb Russlands die Stimmungslage dreht – und das könnte noch lange dauern. Wladimir Putin setzt auf einen Abnützungskrieg, hat auf Kriegswirtschaft umstellen lassen und will den Krieg in die Länge ziehen. Das gehe auch zu Lasten seiner Bürger, denn "Wladimir Putin sind weder wirtschaftliche Konsequenzen noch Menschenleben wichtig".
Mobilmachung ab 25?
Die Debatten um die Herabsetzung des Mobilmachungsalters von bisher 27 auf 25 Jahre kommentiert der Ukrainer nüchtern. Das Gesetz sei seit einem halben Jahr fertig, aber nicht unterschrieben: "Es ist eigentlich ein Luxus, dass die Ukraine bis jetzt nur Männer ab 27 mobilmacht."
Unter anderem werde noch abgewartet, weil es das Ziel sei, das träge und bisher von Korruption geprägte Mobilmachungssystem langsam zu erneuern und ebenfalls auf einen langen Krieg einzustellen. Dazu gehöre etwa auch die eigene Munitionsproduktion.
"Es gibt noch einige Baustellen, mit denen sich die Regierung beschäftigen. Denn dass dieser Krieg 2024 noch nicht zu Ende gehen wird, ist klar."
Keine Alternativen
Vorsichtig fragte ORF-Moderatorin Zimmermann nach denkmöglichen Alternativen zum blutigen Verteidigungskampf. "Je länger dieser Krieg dauern wird, je mehr Menschen wird es geben, die an die Illusion eines Kompromisses glauben werden. Aber ich glaube, dass diese Meinung nie mehrheitsfähig werden wird", sagt Trubetskoy bestimmt.
Allen sei klar, welche Ziele Russland tatsächlich habe, dass menschliche Verluste dem Kreml-Regime völlig egal seien, "und dass es eben nicht so funktioniert, dass die Ukraine an einem Tag sagt, wir wollen Frieden und am nächsten Tag gibt es wirklich Frieden. Das können die Elon Musks und Sahra Wagenknechts dieser Welt gerne glauben, aber so funktioniert das nicht."