Politik
Rudolf Anschober gesteht größten Pandemie-Fehler ein
Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober rechnete mit Altkanzler Sebastian Kurz ab und spricht über seinen größten Fehler im Pandemie-Management.
Vor knapp einem Jahr ist Rudolf Anschober als österreichischer Gesundheitsminister zurückgetreten. Die dauerhafte Belastung ist dem Grünen-Politikprofi damals zu viel geworden. Seither taucht Anschober immer wieder in der Öffentlichkeit auf und äußert sich zu Corona und anderen politischen Themenbereichen. Nun hat der ehemalige Pandemie-Manager ein Buch über seine Zeit im Gesundheitsressort geschrieben, Sebastian Kurz kommt dabei nicht gut weg.
Anschober kritisiert Kurz trotz dynamischem Start
Als Anschober am 13. April des Vorjahres seinen Rücktritt erklärte, kämpfte er mit den Tränen. In seiner Abschiedsrede dankte er vielen Weggefährten, die ihn auch in der schwierigen Zeit der Pandemie unterstützt haben, dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz dankte er hingegen nicht.
Als das Coronavirus im Frühjahr 2020 nach Österreich überschwappte, musste die Regierung schnell handeln. Im Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" meint Anschober, dass dies zunächst gut gelungen sei, auch dank des ehemaligen Regierungschefs: "Sebastian Kurz war in der Startphase unglaublich dynamisch, schnell, offensiver als ich. Auch dadurch haben wir den Anfang relativ gut bewältigt, Ischgl ausgenommen. Dann hat sich seine Unterstützung schrittweise verringert".
Schuld an der schwindenden Unterstützung sei laut Anschober das Politikverständnis von Kurz. Der Ex-Kanzler hätte sich zu sehr auf die Beliebtheitswerte und andere Daten fokussiert: "Dass Kurz Umfragen als wichtig empfunden hat, ist kein Geheimnis. Ich meine, dass man in einer Mega-Krise gut beraten ist, Kurs zu bewahren, unabhängig davon, wie sich die Stimmungslage entwickelt". Um die Geschehnisse aufzuarbeiten, würde sich Anschober aber gerne mit Kurz treffen.
Auch die Bundesländer hätten zunehmend auf populäre Entscheidungen gedrängt. Viele Landeschefs hätten sich für Öffnungen ausgesprochen, da sie der Meinung waren, die Bevölkerung verliere zunehmend die Geduld. Anschober war damals der Meinung, dass "zu früh zu öffnen die Basis für die nächste Welle und die nächste Notbremsung sei". Das Beispiel Wien hätte dem Grünen zudem gezeigt, dass auch ein strengerer Kurs populär sein kann.
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Als seinen größten Fehler im Pandemie-Management nennt Anschober, dass es nicht geschafft wurde, eine gesamt-europäische Strategie zu verfolgen. "Wir haben nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa einen Fleckerlteppich, wo man niemandem erklären kann, warum 50 Kilometer weiter weg die Maßnahmen andere sind. Wir brauchen in Richtung Herbst ein europaweites, gemeinsames Vorgehen, mittelfristig eine Stärkung der EU-Behörden", so Anschober.
Zusätzlich erschwerte die Größe des Gesundheitsressorts die Arbeit. So ist der Hausherr auch für die Sozialagenden zuständig. Wenn er wieder in derselben Situation wäre, wie damals, würde er die Aufgaben des Sozialministers an einen Regierungskollegen übergeben. Dass sein Nach-Nachfolger Probleme bekommt, glaubt Anschober jedoch nicht: "Johannes wird das sehr gut machen, er ist sein Super-Profi".
Bundespräsident Rudi?
Über seine eigenen Zukunftspläne hält sich Anschober bedeckt. Das Ausscheiden aus der Bundesregierung sei zwar auch das Ende seiner "parteipolitischen Karriere", andere Stellen schließt der 61-Jährige aber nicht aus. Angesprochen auf eine mögliche Kandidatur bei der Bundespräsidentschaftswahl antwortete er ausweichend: "Ich bin ein politischer Mensch, ich werde mich immer politisch engagieren". Er sei sich derzeit jedenfalls sicher, dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wieder antritt. Dazu meint Anschober: "Er ist die Idealbesetzung. Es gibt keinen Besseren."