Gesundheit

So heftig wirken die Kriegsbilder auf unseren Körper

Der Krieg in der Ukraine macht auch vielen in Österreich Angst. Warum das so ist und welche Wirkung die Bilder haben, erklärt eine Psychotherapeutin.

Christine Scharfetter
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Wer die Nachrichten über den Ukraine-Krieg ungefiltert in Dauerschleife konsumiert, könnte über kurz oder lang unter Schlafstörungen und Albträumen leiden.
Wer die Nachrichten über den Ukraine-Krieg ungefiltert in Dauerschleife konsumiert, könnte über kurz oder lang unter Schlafstörungen und Albträumen leiden.
Getty Images/iStockphoto

Bilder von zerbombten Häusern und Menschen, die auf der Flucht sind, belasten. Wut, Ohnmacht und Angst sind bei vielen Menschen die beherrschenden Gefühle, wenn Nachrichten zum Krieg in der Ukraine im TV oder Radio kommen, als Push-Meldung auf dem Smartphone landen oder die Social-Media-Feeds füllen. Doch wie können wir mit dieser Wucht an Gefühlen umgehen, welche Wirkung haben die Bilder auf uns und wohin mit der Angst vor dem Dritten Weltkrieg?

Die Antworten auf die Fragen und Tipps im Umgang mit der Angst in Krisenzeiten gab uns die Wiener Psychotherapeutin Barbara Winzely von Hemayat, einem Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende.

Frau Magister Winzely, viele Menschen befinden sich aktuell nicht einmal annähernd in einer bedrohlichen Situation, dennoch haben sie Angst - wie lässt sich das erklären?

Barbara Winzely: Das ist natürlich ein sehr bedrohliches Szenario, das uns von den Medien noch dazu 24 Stunden und sieben Tage die Woche vorgespielt wird. Nicht nur von den öffentlich-rechtlichen Medien, sondern vor allem von den vielen, vielen Sozialen Medien. Das Prägende hierbei sind vor allem die Bilder. Vor allem die Dauerschleife mit bewegten Bilder finde ich sehr problematisch, weil sich diese ganz anders in unserem Gehirn ablegen und uns auch viel direkter beeinflussen. Zusätzlich ist da die Nähe zu Europa. Es wird permanent erwähnt, dass dieser Krieg sozusagen vor unserer Haustür stattfindet. Kriegsherde gibt es permanent ganz viele auf der Welt, aber es ist jetzt so nahe gerückt, dass das natürlich die Angst steigert. Und die Angst vor dem Dritten Weltkrieg ist derzeit vor allem bei der älteren Generation, bei den Menschen, die selbst Krieg erlebt haben, groß. "Die Russen", das höre ich jetzt ganz oft.

Mag. Barbara Winzely, MSc. ist Psychotherapeutin und Supervisorin in freier Praxis und bei Hemayat, Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende. Sie ist Lehrtherapeutin für Integrative Psychotherapie an der Donau-Universität Krems. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen sowie Interkulturelle Psychotherapie.
Mag. Barbara Winzely, MSc. ist Psychotherapeutin und Supervisorin in freier Praxis und bei Hemayat, Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende. Sie ist Lehrtherapeutin für Integrative Psychotherapie an der Donau-Universität Krems. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen sowie Interkulturelle Psychotherapie.
Katharina Gossow

Was machen die Bilder mit uns?

Der Überkonsum erregt unser Gehirn und die Gefühle, die dann mit den Bildern und Texten verbunden sind. Das führt zu einer Überregung - das nennt man Arousal. Dann können die Körperfunktionen durcheinander kommen, man kann nicht mehr einschlafen, oder man schreckt hoch, weil man Albträume hat. Man macht sich die ganze Zeit Sorgen und kommt sozusagen nicht mehr runter.

Menschen, die selbst Krieg erlebt haben, was bewirkt die Situation in ihnen?

Ich arbeite mit geflüchteten Menschen und da merke ich einen enormen Anstieg an Sorge und Angst. Die Situation, Erlebnisse, Erfahrungen und Bilder sind natürlich jetzt auch ein Trigger, sie lassen das eigene Erlebte wieder hochkommen.

Denken diese Personen nur an die Gewalt- oder Kriegserfahrungen oder sind die Auswirkungen schlimmer?

Es genügen Bilder, es können aber auch Geräusche oder Gerüche sein, um das eigene Erlebte, das vielleicht schon Jahre zurückliegt, wieder ins Schwingen zu bringen. Diese Trigger sorgen dafür, dass man emotional und leiblich noch einmal alles in derselben Intensität erlebt. Es können alleine durch die Bilder auch Retraumatisierungen passieren.

"Die Bilder kommen hoch, die Gefühle kommen hoch, das ist wie ein Kontrollverlust und man muss sich dem hingeben, man kann sich nicht mehr schützen."

Warum sieht sich jemand, der Gewalt- oder Kriegserfahrungen gemacht hat, überhaupt solche Bilder an?

Wenn man traumatisiert ist, dann kann man sich nicht wehren. Die Bilder kommen hoch, die Gefühle kommen hoch, das ist wie ein Kontrollverlust und man muss sich dem hingeben, man kann sich nicht mehr schützen.

Was raten Sie in einem solchen Fall?

Ich würde ihnen raten, zu versuchen, Unterstützung zu bekommen. Bei Hemayat kann man einfach anrufen und bekommt relativ bald ein Erstgespräch. Erwachsene und Kinder. Je nachdem, wie dann der psychische Zustand der Person ist, wird man dann zu einer Einzeltherapie oder einer Gruppentherapie zugeteilt. Man merkt, dass man mit dem Thema nicht alleine ist, es auch andere gibt, die das betrifft und man auch Hilfe bekommen kann. Zusammentun und reden ist auch wichtig, vor allem für Kinder.

Hemayat - Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende

Der Verein Hemayat wurde 1995 gegründet und hat sich in Wien als ein Zentrum für dolmetschgestützte medizinische, psychologische, psychotherapeutische und dolmetschgestützte Betreuung von Folter- und Kriegsüberlebenden etabliert.
Sechsschimmelgasse 21, Straßenlokal, 1090 Wien
Telefon:+43 1 216 43 06
E-Mail: [email protected]
www.hemayat.org

Und wie können sich andere Menschen schützen, um hier nicht in einen Sumpf aus Bildern und Angst zu fallen?

Es ist natürlich toll, dass wir in vielen Bereichen toll informiert sind, aber man muss selbst die Disziplin finden, abzudrehen und nicht immer darauf zuzugreifen. Ich plädiere dafür, dass man sich gezielt und punktuell informiert, das kann man regelmäßig zweimal am Tag machen. Es ist ganz wichtig, immer wieder Pausen zu machen und ganz gezielt etwas anderes zu machen, rausgehen, einen Spaziergang machen, einfach den Blick woanders hinzurichten. Manchen hilft es, wenn sie helfen können. Da gibt es auch alle möglichen Varianten.

Halten Sie es für klug, wenn ungeschulte Menschen sich auf den Weg ins Kriegsgebiet oder an die Grenze machen?

Da sind wir immer sehr, sehr vorsichtig. Weil wir wissen, dass dann Helfende oft mehr Hilfe brauchen als die anderen. Man verliert die Abgrenzung, kann Menschen in Krisen nicht professionell gegenübertreten, sondern involviert sich zu sehr. Die Folge ist, dass man selbst innerhalb kürzester Zeit ausbrennt. Wir bei Hemayat sind darauf geschult und wissen, wie wir uns schützen können. Was man allerdings sicher tun kann, ist Geld oder Sachen zu spenden.

Sollen und wie können wir mit Kindern über den Krieg in der Ukraine sprechen?

Die bekommen das jetzt mit und ich würde nicht raten, das einfach abzutun und zu sagen, da ist nichts. Sie sollen das Gefühl haben, dass es da jemanden gibt, der ihnen zuhört und sie tröstet. Es ist wichtig, hinzuhören und ihnen mit einfachen Worten zu erklären, was da los ist. Zum Beispiel: "Ja, du weißt ja, du hast einen Freund und manchmal streitet ihr und versteht euch überhaupt nicht." Ein Kind weiß, was streiten ist. Außerdem sollte man auch vermitteln, dass man da eine Lösung finden wird, Hoffnung sozusagen ausspricht. Bei Kindern ist es sehr wichtig, wie die Bezugspersonen damit umgehen. 

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    Nach ukrainischen Medienberichten ist es in der Nacht zu Mittwoch zu Gefechten mit der russischen Armee gekommen. In Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, haben russische Soldaten ein Krankenhaus angegriffen, meldete die Agentur Unian.
    Nach ukrainischen Medienberichten ist es in der Nacht zu Mittwoch zu Gefechten mit der russischen Armee gekommen. In Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, haben russische Soldaten ein Krankenhaus angegriffen, meldete die Agentur Unian.
    SERGEY BOBOK / AFP / picturedesk.com