Richterin befangen!
Prozess um Maddie-Verdächtigen wird vertagt
Am Freitag sollte der Prozess gegen Christian B. wegen fünf Vergewaltigungen beginnen. Die Anklage sieht diesen als Chance, den Fall Maddie zu lösen.
Der Deutsche Christian B. musste heute Freitag erstmals vor dem Landgericht in Braunschweig erscheinen. Der 47-Jährige ist wegen fünf Sexualstraftaten, im Justizjargon "Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" angeklagt.
Für den ersten Tag waren noch keine Zeugen geladen, es ging um die Verlesung der Anklage. Das entsprechende Dokument umfasst laut "Bild"-Zeitung über 100 Seiten. Wie die "Bild" berichtet, entschied die Staatsanwältin kurz nach Beginn der Verhandlung, diese zu vertagen. Der Verteidiger stellte einen entsprechenden Antrag, weil er die ehrenamtliche Richterin für befangen hält.
Deshalb soll Laienrichterin befangen sein
Der Verteidiger argumentiert, dass die Laienrichterin 2019 in mehreren Tweets zur Tötung des brasilianischen Ex-Präsidenten Javier Bolsonaro aufgerufen habe. "Tötet diesen Teufel", habe die Schöffin dort geschrieben, "dieser Bastard muss vernichtet werden." Sie sei deshalb nicht geeignet, als Schöffin zu fungieren. Die Schöffin lasse "Distanz" vermissen, ihre Sichtweisen seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Laut "Bild" begründet die Staatsanwältin ihren Entscheid damit, dass "Äußerungen außerhalb der Rechtsordnung, Aufruf zu Mord und Totschlag nicht geduldet werden." So jemand könne nicht als ehrenamtliche Richterin eingesetzt werden.
Einfluss auf Maddie-Ermittlungen
Der Prozess steht zwar nicht im Zusammenhang mit dem Verschwinden des britischen Mädchens Madeleine McCann, doch die Verhandlungen könnten großen Einfluss auf die Ermittlungen in diesem Fall haben – denn nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Braunschweig ist Christian B. auch der Mörder des verschwundenen Mädchens.
Was wird Christian B. vor Gericht vorgeworfen?
Inwiefern spielt der Prozess vom Freitag eine Rolle im Fall McCann? Ein Überblick:
Der Deutsche soll zwischen 2000 und 2017 in Portugal mehrere Mädchen und Frauen im Alter von zehn bis etwa 70 bis 80 Jahren sexuell misshandelt haben. Die Anklage stützt sich auf Videoaufnahmen der Taten, die B. selbst aufnahm. In einem Fall wurde er auch vor Ort von der Polizei festgenommen.
Konkret legen die Ermittlerinnen und Ermittler Christian B. drei Vergewaltigungen von Jugendlichen und Frauen in Ferienwohnungen und Appartements zwischen 2000 und 2006 zur Last. Demnach soll der Beschuldigte in die Räume eingedrungen sein, um seine Opfer zu fesseln, brutal zu misshandeln und sich an ihnen zu vergehen.
Ausserdem wird B. die sexuelle Misshandlung von zwei Mädchen im Alter von zehn sowie elf Jahren in den Jahren 2007 und 2017 an Stränden sowie auf einem Spielplatz zur Last gelegt. Im letzten Fall alarmierte das Opfer seinen Vater, woraufhin der Beschuldigte seinerzeit von Polizisten noch vor Ort gefasst wurde.
Was hat das mit Maddie McCann zu tun?
Maddie verschwand im Mai 2007 aus einer Ferienanlage an der südportugiesischen Algarveküste, also zu einem Zeitpunkt, als Christian B. sich auch dort aufhielt.
Seit mehr als drei Jahren untersucht die Staatsanwaltschaft Braunschweig das Verschwinden Maddies. Die Ermittler und Ermittlerinnen gehen nach eigenen Angaben davon aus, dass Christian B. das Mädchen tötete. Nähere Angaben dazu, worauf sich ihr Verdacht stützt, macht die Behörde bislang nicht.
Während der Verhandlungen sollen zwei wichtige deutsche Zeugen befragt werden. Diese spielen auch bei den Ermittlungen wegen Maddie eine zentrale Rolle. "Wenn das Gericht diesen Zeugen Glauben schenkt, kann sich das positiv auf die Ermittlungen im Fall Maddie auswirken", erklärt Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, gegenüber "Focus".
Im Prozess soll der Hauptbelastungszeuge Helge B. aussagen. Der 53-Jährige lebt zurzeit in einem Zeugenschutzprogramm in Südosteuropa. Vergangenen Sommer hatte der Zeuge erstmals über Maddies Verschwinden gesprochen. Der "Bild"-Zeitung erzählte er, dass sein damaliger Kollege Christian B. während einer zufälligen Begegnung 2008 in Spanien in angetrunkenem Zustand verraten habe, dass Maddie, "gar nicht geschrien" habe.
Wie lange dauert der Prozess?
Der Prozess in Braunschweig mit insgesamt 29 angesetzten Verhandlungstagen soll bis Juni dauern. Laut "Focus" wird die Öffentlichkeit dann auch Christian B. erstmals zu Gesicht bekommen.
Der Andrang internationaler Medien werde riesig sein, schreibt der "Spiegel". Deutsche, britische sowie portugiesische Medienvertreter werden erwartet.