Gesundheit
Patientin mit seltenem "Loeys-Dietz-Syndrom" behandelt
Es ist fast ein Wunder, dass bei Anita Wieser eine lebensbedrohliche Gefäßerweiterung rechtzeitig erkannt und die Ursache gefunden werden konnte.
Heute ist Welttag der Seltenen Erkrankungen. Die Tirol Kliniken und die Medizinische Universität Innsbruck behandeln derzeit eine Patientin, Anita Wieser, mit einer solchen – nämlich dem sogenannten "Loeys-Dietz-Syndrom". Das Erkennen dieser sehr seltenen, erblichen Bindegewebskrankheit, von der es weltweit keine 100 diagnostizierten Fälle gibt, sei für die Patientin enorm wichtig gewesen. Möglich sei das auch aufgrund des 2014 gegründeten "Zentrums für Seltene Krankheiten - ZSKI".
Unerkannt könne dieses Syndrom jedenfalls lebensbedrohlich sein, betonten die Innsbrucker Mediziner. Aus medizinischer Sicht hat man es bei dieser Krankheit mit Gefäßerweiterungen und einer hohen Neigung zu Aneurysmen – also Ausbuchtungen eines Blutgefäßes aufgrund einer Schwäche in der Gefäßwand – zu tun. Wenn die Gefäßwände reißen, führt das fast sicher zum Tod, so Sabine Rudnik, leitende Oberärztin am Institut für Humangenetik in Innsbruck.
Das Loeys-Dietz-Syndrom (LDS) ist eine seltene, erblich bedingte Bindegewebsstörung, bei der es zu Auffälligkeiten des Skeletts und des Herz-Kreislauf-Systems kommt. Personen mit LDS haben oft einen deformierten Brustkorb, Fußfehlstellungen und Wirbelsäulenverkrümmungen. Eine Gaumenspalte oder bestimmte Gesichtsmerkmale, weiche, dehnbare Haut und überstreckbare Gelenke sind ebenfalls charakteristisch.
Von medizinischer Seite im Vordergrund stehen aber vor allem die Gefäßerweiterungen und die hohe Neigung zu Aneurysmen, welche die Patient:innen in einen lebensbedrohlichen Zustand versetzen können. Aneurysmen sind Ausbuchtung eines Blutgefäßes aufgrund einer Schwäche in der Gefäßwand, die überall auftreten kann. Ein gerissenes Aneurysma ist ein akuter und lebensbedrohlicher Notfall. Daher sind diese unerkannt häufig auch die Todesursache bei LDS Patienten.
Die genetischen Ursachen der Krankheit sind erst in den letzten Jahren entdeckt worden. Es liegt eine autosomal dominante Vererbung vor. Das bedeutet, die Mutation wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an Kinder weitervererbt. Da bei Betroffenen oft eine neu entstandene Erbgutveränderung vorliegt, ist zu der Ausprägung über mehrere Generationen vielfach keine Aussage möglich. Eine definitive Diagnose kann nur durch den Gentest gestellt werden.
Derzeit existiert keine ursächliche Behandlung. Daher werden Patienten rein symptomatisch therapiert. Etwa durch die operative Behandlung des Aneurysmas.
Zentrum für Seltene Krankheiten in Innsbruck
Eine lebensrettende Diagnose für von dieser Krankheit Betroffene sei vor allem auch deshalb stellbar, weil man sich in Innsbruck am ZSKI interdisziplinär mit den seltenen Krankheiten auseinandersetze, erklärte Daniela Karall, Oberärztin an der Innsbrucker Kinderklinik und ZSKI-Gründungsmitglied. Bereits seit 2011, im "Forum seltene Krankheiten", habe man sich auf diese Weise mit diesem Thema beschäftigt, so Karall.
"Wir sind hier in Innsbruck Gott sei Dank sehr gut interdisziplinär vernetzt und können mit dem Zentrum der Seltenen Krankheiten auf einen exzellenten Expertenpool zurückgreifen", so Sabine Rudnik, Der Expertenpool ist mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus bekannt und bekommt Zuweisungen aus ganz Westösterreich und Südtirol.
Das Zentrum für Seltene Krankheiten in Innsbruck (ZSKI) ist eine Anlaufstelle für Menschen mit Seltenen Erkrankungen oder solchen mit unklarer Diagnose und dem Verdacht, dass eine Seltene Erkrankung vorliegt. Ein interdisziplinäres Team trifft sich einmal im Monat, um sich über schwer diagnostizierbare Fälle auszutauschen und auch mal über den Tellerrand zu blicken.
Disziplinübergreifendes Behandeln
Disziplinübergreifend arbeite man dann auch bei der Behandlung der Krankheit selbst, sagt Julia Dumfarth, Oberärztin an der Innsbrucker Universitätsklinik für Herzchirurgie. "Im dafür vorgesehenen Aorta-Zentrum sind Herzchirurgie und Gefäßchirurgie beteiligt", sagte sie. Bei der Operation der Patientin sei im konkreten Fall das erkrankte Gewerbe entfernt und durch eine Prothese ersetzt worden. Die Operation sei jedenfalls "gut verlaufen", wie die 49-jährige Patientin selbst sagt.
In der Familie von Frau Wieser gibt es keine weiteren Betroffenen. Sie hat eine erwachsene Tochter, die bisher keine Merkmale der Krankheit zeigt. Seit der Diagnose ist die Patientin in engmaschiger Kontrolle, um erneute Gefäßerweiterungen rechtzeitig erkennen zu können.
7.000 Seltene Krankheiten
Ein Krankheitsbild gilt dann als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Einwohnern an dieser Krankheit leiden. Hinter dem Begriff "Seltene Erkrankungen" verbergen sich geschätzt 7.000 unterschiedliche Krankheiten, die in ihrer Gesamtheit etwa 7 Prozent der Bevölkerung betreffen. In Österreich ist also von rund 500.000 Patienten auszugehen. Aufgrund der Seltenheit der Krankheitsbilder sind Betroffene und ihre Angehörigen häufig mit besonderen Problemlagen konfrontiert. Der Nationale Aktionsplan für Seltene Erkrankungen (NAP.se) soll für die Betroffenen eine bessere Versorgung ermöglichen. Am Tag der Seltenen Erkrankungen wird auf diese Problematik aufmerksam gemacht.